TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/25 97/17/0470

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Veröffentlicht am 25.06.2002
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Index

L37358 Jagdabgabe Vorarlberg;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art151 Abs9 idF 1994/504;
B-VG Art6 Abs3 idF 1994/504;
JagdabgabeG Vlbg 1949 §3 lita idF 1994/029;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des HB in Feldkirch, vertreten durch Mag. Klaus Tusch, Dr. Günter Flatz und Dr. Ernst Dejaco, Rechtsanwälte in 6800 Feldkirch, Mühletorplatz 12, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Oktober 1997, Zl. IIIa-243/47, betreffend Vorschreibung einer Jagdabgabe, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte die belangte Behörde auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landesabgabenamtes für Vorarlberg vom 20. Mai 1997 die Vorschreibung der Jagdabgabe für das Jagdjahr 1997/98. Im Hinblick darauf, dass die Spruchpunkte 1 und 2 des erstinstanzlichen Bescheides mit dem angefochtenen Bescheid aufgehoben wurden (diese betrafen die Wiederaufnahme des Abgabenverfahrens für das Jahr 1996/97 und die Festsetzung der Abgabe für dieses Jagdjahr) wurde mit dem angefochtenen Bescheid auch Spruchpunkt 4 hinsichtlich der Höhe des ausständigen Gesamtbetrages entsprechend angepasst.

Begründend führt die belangte Behörde insbesondere aus, dass nach § 3 Jagdabgabegesetz, LGBl. für Vorarlberg Nr. 43/1949 (im Folgenden: JagdabgabeG), die Jagdabgabe für verpachtete Jagden für Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland 15 %, für andere Personen 35 % des Jagdpachtschillings zuzüglich des Wertes allenfalls vertraglich ausbedungener Nebenleistungen betrage. Entscheidungswesentlich sei daher die Frage, wo der Beschwerdeführer seinen Hauptwohnsitz im Sinne "leg. cit."

(gemeint offenbar die B-VG-Novelle BGBl. Nr. 504/1994) habe. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes könne eine Person zwar mehrere Wohnsitze, jedoch nur einen Mittelpunkt der Lebensverhältnisse haben. Unter persönlichen Beziehungen seien dabei all jene zu verstehen, die jemanden aus in seiner Person liegenden Gründen auf Grund der Geburt, der Staatszugehörigkeit, des Familienstandes und der Betätigungen religiöser und kultureller Art, mit anderen Worten nach allen Umständen, die den eigentlichen Sinn des Lebens ausmachen, an ein bestimmtes Land bänden. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bestünden im Regelfall die stärksten persönlichen Beziehungen zu dem Ort, an dem man regelmäßig und Tag für Tag mit seiner Familie lebe. Daraus folge, dass der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer verheirateten Person regelmäßig am Ort des Aufenthaltes ihrer Familie zu finden sein werde. Diese Annahme setze allerdings im Regelfall die Führung eines gemeinsamen Haushaltes sowie das Fehlen ausschlaggebender und stärkerer Bindungen zu einem anderen Ort, etwa aus beruflichen oder gesellschaftlichen Gründen, voraus. Bei einer von der Familie getrennten Haushaltsführung komme es auf die Umstände der Lebensführung, wie etwa eine eigene Wohnung, einen selbständigen Aufenthalt, gesellschaftliche Bindungen, aber auch auf den Pflichtenkreis einer Person und hier insbesondere auf ihre objektiven und subjektiven Beziehungen zu diesem Ort, an. Die auf die Wohnsitze entfallenden Aufenthaltszeiten seien ein bedeutsames quantitatives Kriterium dafür, wo der Mittelpunkt der Lebensverhältnisse einer Person bestehe (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. November 1991, Zl. 91/14/0041).

Nach Ansicht der belangten Behörde bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Schweiz habe. Dies ergebe sich aus dem festgestellten Sachverhalt. Der Beschwerdeführer arbeite als Masseur in Richterswil/Schweiz zu "nicht fixierten Tagen" 15 bis 20 Stunden in der Woche. Während dieser Zeit wohne er bei seiner Ehegattin in Samstagern/Schweiz. Das Wochenende verbringe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben mit seiner Ehegattin in Feldkirch. Nach Angaben der Mutter des Beschwerdeführers komme der Beschwerdeführer, der unter der Adresse der Mutter in Feldkirch gemeldet sei, einmal wöchentlich vorbei, die Post abzuholen. Aus dieser Gesamtschau ergebe sich, dass der Beschwerdeführer die weit stärkeren familiären und wirtschaftlichen Beziehungen zur Schweiz habe und auch der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse in quantitativer Hinsicht in der Schweiz liege. Zum Einwand des Beschwerdeführers, wonach es nicht entscheidungswesentlich sei, dass er seinem Beruf in der Schweiz nachgehe, da sonst bei jedem Grenzgänger davon ausgegangen werden müsse, dass er seinen Hauptwohnsitz ins Ausland verlegt habe, werde bemerkt, dass die angeführten Umstände nicht für den Status als Grenzgänger sprächen und es im Übrigen für den Begriff des Grenzgängers typisch sei, dass er keinen Wohnsitz an seinem Arbeitsort habe. Der Hinweis des Beschwerdeführers, wonach er in Österreich auch als Versicherungsmakler tätig sei, vermöge nicht den Anschein zu entkräften, dass er das Schwergewicht seiner wirtschaftlichen Beziehungen dort habe, wo er seinem erlernten Beruf nachgehe. Allein aus der Tatsache der zeitlichen Beschränktheit seines Aufenthaltes - nach Aussagen seiner Mutter lediglich einmal wöchentlich, wobei die Aussage der Mutter vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten worden sei - könne das wirtschaftliche Interesse aus der Tätigkeit als Versicherungsmakler gegenüber seiner Tätigkeit als Masseur nur untergeordneter Bedeutung sein.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in dem die Verletzung im Recht, dass ausgehend von der Tatsache des ordentlichen Wohnsitzes (Hauptwohnsitzes) im Inland die Jagdabgabe gemäß § 3 lit. a JagdabgabeG mit 15 vH des Jahrespachtschillings berechnet werde, geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 1 JagdabgabeG, zuletzt geändert durch LGBl. Nr. 29/1994, ist für alle im Lande Vorarlberg bestehenden Jagdrechte eine Landesabgabe nach Maßgabe der Bestimmungen des Gesetzes zu entrichten.

§ 3 JagdabgabeG lautet:

"§ 3

Höhe der Abgabe

Die Abgabe beträgt:

a) bei verpachteten Jagden für Personen mit Hauptwohnsitz im Inland 15 v.H., für andere Personen 35 v.H. des Jagdpachtschillings zuzüglich des Wertes allenfalls vertraglich ausbedungener Nebenleistungen. Aufwendungen für die Jagdaufsicht sowie für Jagd- und Wildschäden gelten nicht als Nebenleistungen. Falls einer Jagdgesellschaft gleichzeitig Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland und andere Personen angehören, ist bei Bemessung der Abgabe anzunehmen, dass auf jeden Jagdgesellschafter der gleiche Anteil am Jahrespachtschilling und allenfalls an Nebenleistungen entfällt;

b) bei nichtverpachteten Jagden für Personen mit Hauptwohnsitz im Inland sowie für juristische Personen mit dem Sitz im Inland 15 v.H., für andere Personen 35 v.H. jenes Betrages, der im Falle der Verpachtung als Jahrespachtschilling erzielt werden könnte."

Die Ersetzung des vormals statt "Hauptwohnsitz" verwendeten Begriffes "ordentlicher Wohnsitz" erfolgte durch Art. 151 Abs. 9 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 504/1994.

§ 1 Meldegesetz 1991, BGBl. Nr. 9/1992, in der Fassung BGBl. Nr. 505/1994, lautet:

"Begriffsbestimmungen

§ 1. (1) Unterkünfte sind Räume, die zum Wohnen oder Schlafen benützt werden.

(2) Unterkunftgeber ist, wer ...

...

(6) Ein Wohnsitz eines Menschen ist an einer Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, dort bis auf weiteres einen Anknüpfungspunkt von Lebensbeziehungen zu haben.

(7) Der Hauptwohnsitz eines Menschen ist an jener Unterkunft begründet, an der er sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, diese zum Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen zu machen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen eines Menschen auf mehrere Wohnsitze zu, so hat er jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem er das überwiegende Naheverhältnis hat."

Art. 151 Abs. 9 B-VG bestimmt:

"Art. 6 Abs. 2 und 3, Art. 26 Abs. 2, Art. 41 Abs. 2, Art. 49b Abs. 3 und Art. 117 Abs. 2 erster Satz in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes BGBl. Nr. 504/1994 treten mit 1. Jänner 1995 in Kraft. In den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder wird mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' in allen seinen grammatikalischen Formen durch den Begriff 'Hauptwohnsitz' in der jeweils entsprechenden grammatikalischen Form ersetzt, sofern der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember 1995 durch den Begriff 'Wohnsitz' ersetzt wird; vom 1. Jänner 1996 an darf der Begriff 'ordentlicher Wohnsitz' in den Rechtsvorschriften des Bundes und der Länder nicht mehr verwendet werden; solange die Landesgesetze nicht vorsehen, dass sich das Wahlrecht zum Landtag oder zum Gemeinderat nach dem Hauptwohnsitz oder nach dem Wohnsitz bestimmt, richtet es sich nach dem ordentlichen Wohnsitz. ..."

Der Begriff des Hauptwohnsitzes wird in Art. 6 Abs. 3 B-VG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 504/1994 wie folgt definiert:

"(3) Der Hauptwohnsitz einer Person ist dort begründet, wo sie sich in der erweislichen oder aus den Umständen hervorgehenden Absicht niedergelassen hat, hier den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen zu schaffen; trifft diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung der beruflichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebensbeziehungen einer Person auf mehrere Wohnsitze zu, so hat sie jenen als Hauptwohnsitz zu bezeichnen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat."

2. Da der Begriff "ordentlicher Wohnsitz" in § 3 Abs. 1 lit. a Vorarlberger JagdabgabeG bis 31. Dezember 1995 nicht landesgesetzlich durch den Begriff "Wohnsitz" ersetzt wurde, wurde die in Art. 151 Abs. 9 B-VG angeordnete Ersetzung des Begriffes durch den Begriff "Hauptwohnsitz" mit 1. Jänner 1996 wirksam.

3. Die belangte Behörde hat in ihrer Begründung übersehen, dass im Hinblick auf die Definition des Begriffes des Hauptwohnsitzes in Art. 6 Abs. 3 B-VG die Heranziehung der von ihr genannten hg. Erkenntnisse vom 26. November 1991, Zl. 91/14/0041, und vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/16/0138, nicht in Betracht kommt. Das erstgenannte Erkenntnis betraf Art. 16 des Doppelbesteuerungsabkommens mit der Bundesrepublik Deutschland (DBA-BRD), das zweitgenannte Erkenntnis bezog sich auf § 93 Abs. 4 Zollgesetz. Gemäß Art. 16 DBA-BRD ist, wenn eine Person in jedem der Vertragsstaaten einen Wohnsitz hat, soweit sich das Besteuerungsrecht nach dem Wohnsitz richtet, der Wohnsitz maßgebend, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen bestehen (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht festzustellen ist, werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten sich nach Art. 21 verständigen. § 93 Abs. 4 Zollgesetz lautete auszugsweise:

"(1) Unter mehreren Wohnsitzen einer Person ist als gewöhnlicher Wohnsitz derjenige anzusehen, zu dem sie die stärksten persönlichen Beziehungen hat und der den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse darstellt ...".

4. Wenn die belangte Behörde unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis Zl. 93/16/0138 versucht hat zu begründen, zu welchem Ort die beschwerdeführende Partei derartige Anknüpfungen aufwiese, dass sie dort den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse hätte, so hat sie zwar verkannt, dass gemäß Art. 6 Abs. 3 B-VG das Merkmal "Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen" definitionsgemäß auf mehrere Orte zutreffen kann. Die belangte Behörde hat aber den von ihr festgestellten Sachverhalt im Ergebnis zutreffend dahingehend rechtlich gewürdigt, dass der Beschwerdeführer im Abgabenbemessungszeitraum nur einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen aufgewiesen hat, und zwar an seinem Wohnort in der Schweiz (nämlich am Wohnort seiner Schweizerischen Ehegattin, wo er gemeinsam mit dieser - polizeilich gemeldet - wohnte und von wo aus er in der Schweiz seinem erlernten Beruf als Masseur nachging), weil die festgestellten Umstände hinsichtlich der behaupteten Aufenthalte an den Wochenenden in Feldkirch nicht bewirken, dass dort ein weiterer Mittelpunkt der Lebensbeziehungen des Beschwerdeführers bestanden hätte. Auf Grund der Feststellungen der belangten Behörde hatte sie somit nicht zu entscheiden, welcher von zwei "Mittelpunkten der Lebensbeziehungen" im Sinne des Art. 6 Abs. 3 B-VG den Hauptwohnsitz des Beschwerdeführers bildet, sondern es ergibt sich, dass der Beschwerdeführer lediglich einen Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen aufgewiesen hat.

5. Wenn es daher auch verfehlt war, die Kriterien, die nach dem Zollgesetz oder nach dem Doppelbesteuerungsabkommen mit der BRD für die Feststellung der "stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen" maßgeblich sind, bei der Bestimmung, welcher von zwei Orten, an denen jemand den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen hat, den Hauptwohnsitz im Sinne des Art. 6 Abs. 3 B-VG bildet, heranzuziehen, erweist sich der angefochtene Bescheid im Ergebnis nicht als rechtswidrig.

6. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs.  1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001, insbesondere deren Art. 3 Abs. 2.

Wien, am 25. Juni 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1997170470.X00

Im RIS seit

22.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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