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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §162;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der D Bau- und HandelsgesmbH in W, vertreten durch Baier Böhm Orator & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rotenturmstraße 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. November 1999, Zl. RV/263- 16/13/99, betreffend Haftung für Lohnsteuer, Festsetzung des Dienstgeberbeitrags zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag sowie Säumniszuschlag für den Zeitraum 1. Jänner 1992 bis 31. Dezember 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde festgestellt, dass der beschwerdeführenden GmbH, einem Bauunternehmen, mit Eingangsrechnung der M GmbH vom 7. Jänner 1994 Zimmerer- und Betonierarbeiten für den Zeitraum Oktober bis Dezember 1993 in Höhe von S 1,215.000,-- zuzüglich Umsatzsteuer in Rechnung gestellt worden waren. Die M GmbH sei lediglich als Vermittler aufgetreten und habe ihrerseits die Arbeiten an ein weiteres Subunternehmen vergeben, dessen Firmensitz nicht existent und dessen Geschäftsführer seit 1992 unbekannten Aufenthaltes sei. Weder die M GmbH noch deren Subunternehmen hätten (erklärtermaßen) Dienstnehmer für den fraglichen Auftrag beschäftigt. Mangels Bautagebüchern und Stundenaufzeichnungen könne nicht festgestellt werden, wer auf der Baustelle tatsächlich gearbeitet habe. Nach Ansicht des Prüfers handle es sich bei der angeführten Eingangsrechnung der M GmbH um eine Scheinrechnung iSd § 23 BAO. Gleiches gelte für zwei von der M GmbH im Jahr 1992 gelegte Eingangsrechnungen in Höhe von insgesamt S 124.740,--. Es sei daher davon auszugehen, dass die Arbeiten von "Schwarzarbeitern" durchgeführt worden seien; der dafür erforderliche Lohnaufwand werde mit 50 % der in Rechnung gestellten Beträge geschätzt.
Weiters fänden sich im Rechenwerk der Beschwerdeführerin Eingangsrechnungen der B GmbH aus dem Jahr 1992 in Höhe von insgesamt S 656.355,-- zuzüglich Umsatzsteuer. Auch die von der B GmbH verrechneten Leistungen hätten mangels entsprechender Arbeitskräfte von ihr nicht erbracht werden können, sodass ebenfalls davon auszugehen sei, dass "Schwarzarbeiter" beschäftigt worden seien. Der diesbezügliche Lohnaufwand könne mit üblichen Erfahrungswerten von S 100,-- pro Stunde (somit insgesamt S 312.550,--) angenommen werden.
Das Finanzamt folgte den Feststellungen des Prüfers u. a. dadurch, dass es die Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 7. Juli 1994 zur Haftung für Lohnsteuer heranzog. Zugleich wurden die auf die "Schwarzlöhne" entfallenden Dienstgeberbeiträge samt Zuschlag nachgefordert.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung im Wesentlichen mit der Begründung, sowohl die M GmbH als auch die B GmbH hätten die verrechneten Leistungen erbracht. Da die Beschwerdeführerin nicht über ausreichend eigene Arbeitskräfte verfügt habe, habe sie sich der beiden Gesellschaften als Subunternehmer bedient. Dass die M GmbH ihrerseits ein Subunternehmen beauftragt und die B GmbH "offiziell" keine Arbeitnehmer beschäftigt habe, könne nicht dazu führen, die Beschwerdeführerin als Arbeitgeberin anzusehen. Die von der B GmbH und der M GmbH in Rechnung gestellten Beträge seien - wie aus der ordnungsgemäßen Buchführung nachweislich hervorgehe -
an die beiden Gesellschaften gezahlt worden. Für den vom Finanzamt unterstellten Rückfluss der Gelder fehle der geringste Hinweis. Auch habe es sich bei beiden Gesellschaften um (jedenfalls im Zeitpunkt der Leistungserbringung) "existierende Unternehmen" gehandelt.
Dem Vorwurf des Prüfers, sie habe keine Bautagebücher und Aufzeichnungen über die Tätigkeit ihrer Subunternehmer vorlegen können, entgegnete die Beschwerdeführerin im Laufe des Verwaltungsverfahrens, es sei übliche Praxis, dass das Baubuch durch den jeweilige Generalunternehmer geführt werde. Dies sei auch gegenständlich der Fall gewesen. Da Art und Ausmaß der Leistungserbringung im Baubuch des Generalunternehmers verzeichnet worden seien, habe für die Beschwerdeführerin keine Verpflichtung bestanden, weitere Aufzeichnungen zu führen. Ergänzend legte die Beschwerdeführerin vom Generalunternehmer erstellte Unterlagen vor.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Es entspreche nicht den im Wirtschaftsleben gemeinhin herrschenden Usancen, dass ein Unternehmer keine Kenntnis von Vorgängen im Bereich der von ihm beauftragten Subunternehmer habe. Die Beschwerdeführerin habe selbst als Subunternehmerin der F GmbH fungiert und sich dieser Gesellschaft gegenüber verpflichtet, alle gesetzlichen Vorschriften, insbesondere auch jene über die Beschäftigung von Ausländern, "genauestens" einzuhalten. Sie müsse daher ein hohes Interesse daran gehabt haben, sich darüber kundig zu machen, welche Arbeiter seitens der von ihr beauftragten Subunternehmer eingesetzt würden. Die "jedweder Erfahrung des täglichen Geschäftslebens widersprechende behauptete Unkenntnis" der Beschwerdeführerin über den Einsatz von Arbeitnehmern durch von ihr beauftragte Subunternehmen bedinge "nicht nur eine erhöhte Mitwirkungspflicht sondern auch die Verpflichtung, entsprechende Nachweise vorzulegen". Dieser Nachweis- und erhöhten Mitwirkungspflicht habe die Beschwerdeführerin in keiner Weise entsprochen, weil sie nicht in der Lage gewesen sei, Aufzeichnungen über das behauptete Tätigwerden von Subfirmen vorzulegen. Bei dieser Sachlage könne dem Finanzamt nicht entgegengetreten werden, wenn es die strittigen Eingangsrechnungen als Scheinrechnungen betrachtet habe und davon ausgegangen sei, dass die diesbezüglichen Arbeitsleistungen durch Arbeitnehmer erfolgt seien, für welche weder die Meldepflichten nach dem ASVG eingehalten noch die in Frage kommenden lohnabhängigen Abgaben einbehalten und abgeführt worden seien. Zur gleichfalls bekämpften Höhe der Lohnzahlungen führte die belangte Behörde aus, die angesetzten Beträge würden den im Bereich der Schwarzarbeit herrschenden Verhältnissen entsprechen.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die Steuerpflicht der Subunternehmer sei in unzulässiger Weise auf sie überwälzt worden. Die belangte Behörde stütze sich zu diesem Zwecke auf die Konstruktion einer tatsächlich nicht bestehenden "erhöhten Mitwirkungspflicht". Die Vergabe von Subaufträgen auf Werkvertragsbasis sei in der Baubranche üblich. Eine Überwachungs- und Kontrollpflicht hinsichtlich der Subunternehmer für steuerliche Belange existiere nicht. Auch gebe es keine aktenkundigen Anhaltspunkte für die von der belangten Behörde ins Treffen geführten "ungewöhnlichen Verhältnisse" oder solche Verhältnisse, die mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stünden. Die mit den Subunternehmen getätigten Geschäfte hätten keinen Umfang gehabt, bei welchem üblicherweise eine schriftliche Dokumentation angefertigt würde. Die Beschwerdeführerin sei ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen und habe der Bestimmung des § 162 BAO entsprochen, indem sie der Behörde den Empfänger der Beträge genau bezeichnet habe. Bei den Empfängern habe es sich um zum fraglichen Zeitpunkt im Firmenbuch eingetragene Firmen mit bekannter Geschäftsanschrift und bekannten Geschäftsführern gehandelt. Die belangte Behörde habe auch gar nicht behauptet, dass ihre Subunternehmer steuerlich nicht erfasst gewesen wären. Der Umstand, dass die Subunternehmer allenfalls ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen seien, könne nicht der Beschwerdeführerin zum Nachteil gereichen. Die Beschwerdeführerin habe die schriftlichen Subaufträge vorgelegt. Welche Arbeiten in welchem Ausmaß zu welchem Preis verrichtet worden seien, könne an Hand der Bautagebücher und der Rechnungen nachvollzogen werden. Der Bauleiter der F GmbH habe die Bautagebücher geführt. Welche haftungsrechtlichen Gefahren sich die Beschwerdeführerin der F GmbH gegenüber dadurch ausgesetzt haben sollte, dass ihre Subunternehmen möglicherweise Arbeitnehmer ohne Beschäftigungsbewilligung auf der Baustelle eingesetzt hatten, sei nicht nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde stellten daher nicht einmal ein Indiz für die Erforderlichkeit weiterer Unterlagen dar. Dennoch baue die belangte Behörde die Würdigung des gesamten Sachverhaltes auf diese nicht indizierten Vermutungen auf und leite daraus eine Mitwirkungspflicht ab, die nicht bestehen könne.
Mit diesen Ausführungen bekämpft die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist.
Wie in der Beschwerde zu Recht ausgeführt wird, ist es im Baugewerbe nicht unüblich, Aufträge wegen fehlender eigener Ressourcen zum Teil oder zur Gänze an Subunternehmer weiterzugeben. Bekannt ist allerdings auch die Praxis, kurzfristigen Personalbedarf durch das Eingehen illegaler Beschäftigungsverhältnisse (insbesondere durch Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte) zu decken und die dafür nötigen Geldmittel unter einem anderen Titel als Betriebsausgaben abzusetzen. Die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen reichen für die Annahme, die Beschwerdeführerin habe sich letzterer Methode bedient, nicht hin:
Den behördlichen Überlegungen, es könne vorausgesetzt werden, dass ein Unternehmer Kenntnis über die Vorgänge im Betrieb der von ihm beauftragten Subunternehmer habe, kann insoweit gefolgt werden, als eine Beauftragung wohl nur dann erfolgen wird, wenn Grund zur Annahme besteht, der Auftragnehmer sei in der Lage, den übernommenen Auftrag fach- und zeitgerecht zu erfüllen. Diesbezüglich kann auch die Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen angesprochen und eine Glaubhaftmachung jener Umstände, die eine ordnungsgemäße Auftragserfüllung erwarten ließen, verlangt werden (vgl. in diesem Zusammenhang etwa das hg. Erkenntnis vom 29. November 2000, 95/13/0029, 0072, zur Beauftragung von GmbHs, von denen im Wesentlichen nicht mehr erweisbar war als deren rechtliche Existenz in Form einer Firmenbucheintragung). Ob im Beschwerdefall die Beauftragung der M GmbH und der B GmbH in dem aufgezeigten Sinne üblichen geschäftlichen Gepflogenheiten entsprochen hat, kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden. Im Bericht des Prüfers findet sich der Hinweis, der Handlungsbevollmächtigte der M GmbH habe den Erhalt des Auftrags bestätigt (und angegeben, den Auftrag seinerseits an eine weitere GmbH, für deren wirtschaftliche Existenz sich dann allerdings keine Anhaltspunkte mehr finden ließen, weitergegeben zu haben). Warum die Arbeitgebereigenschaft der Beschwerdeführerin wahrscheinlicher sei als jene der M GmbH, blieb unbegründet.
Eine Auseinandersetzung mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen und dem Einwand, die Führung von Bautagebüchern durch den Generalunternehmer entspreche der (auch bei reellen Geschäftsbeziehungen) üblichen Dokumentation, erfolgte nicht. Den Verwaltungsakten kann auch nicht entnommen werden, dass der namentlich bekannte Bauleiter (der die vorgelegten "Bau-Tagesberichte" unterfertigt hat) zum Geschehnisablauf, insbesondere zur Frage, wer ihm für die Bereitstellung der Bauarbeiter in der benötigten Anzahl und Qualifikation verantwortlich war, befragt worden wäre.
Unwidersprochen blieb auch das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Entgelte laut Eingangsrechnungen seien an die jeweiligen rechnungslegenden Gesellschaften "entrichtet" worden. Gerade der Erweisbarkeit des Zahlungsflusses kommt im gegebenen Zusammenhang aber entscheidendes Gewicht zu. Geht es doch darum, wer als letzter in der Kette der Subunternehmer über jene Gelder verfügt hat, welche für die Bezahlung nicht gemeldeter Arbeitskräfte Verwendung gefunden haben sollen.
Mit den bezeichneten Begründungsmängeln hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung des verzeichneten Stempelgebührenersatzes erfolgte nach § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 26. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000130013.X00Im RIS seit
07.10.2002