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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §57 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des F in Graz, geboren am 25. Dezember 1979, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 12. Jänner 1999, Zl. FR 979/1998, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 Fremdengesetz 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der am 19. Februar 1997 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer, ein liberianischer Staatsangehöriger, gab am 28. Februar 1997 vor dem Bundesasylamt zu seinen Fluchtgründen befragt im Wesentlichen an: "Wir" hätten bis 1992 eine Farm gehabt. Im Jahr 1991 seien viele Jungen aufgefordert worden, Charles Taylor zu unterstützen. Der Beschwerdeführer sei in einem Trainingscamp des Taylor gewesen und habe von dort wieder flüchten können. Nach einem Autounfall habe er in einem ECOMOG-Camp gelebt. Es sei davon gesprochen worden, dass Truppen des Taylor die ECOMOG angreifen wollten. Der jüngere Bruder des Beschwerdeführers sei dann 1995 von der ECOMOG auf ein Schiff evakuiert worden. Der Beschwerdeführer sei von einem "Captain" nach Harper mitgenommen worden, wo er von 1995 bis 15. Dezember 1996 gelebt habe. Auf die Frage, weshalb er Harper und Liberia überhaupt verlassen habe:
"Ich hatte niemand mehr in Liberia, meine Eltern waren tot und mein Bruder war weg. Unser Haus war abgebrannt. Im Jahr 1991 war auch mein Name registriert worden." Auf die Frage, ob er in Harper in Gefahr gewesen oder verfolgt worden sei: nein. "Ich wollte einfach das Land verlassen, da ich niemanden hatte." Er könne nicht nach Liberia zurückkehren, weil Charles Taylor die Regierung übernehmen könnte.
Am 22. Juni 1998 stellte der Beschwerdeführer anlässlich einer Vernehmung vor der Bundespolizeidirektion Graz den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Liberia und führte zur Begründung aus: "Ich glaube nicht, dass es für mich gut wäre in meine Heimat zur Zeit zurückzukehren, zumal der frühere Rebellenführer Charles Taylor nunmehr auch Präsident ist. Sonst habe ich dazu nichts zu sagen." Die Rebellengruppe des Charles Taylor habe das Dorf Kakata angegriffen und sei für den Tod seines Vaters verantwortlich gewesen. Nach dem Tod seines Vaters 1991 habe er bis zu seiner Flucht im Jahr 1997 noch weiter in Liberia gelebt. Obwohl er im ECOMOG-Lager gewesen sei, sei ihm auf Grund der wiederkehrenden Angriffe bewusst gewesen, dass Krieg herrsche, und er habe daraufhin Monrovia in Richtung Harper verlassen.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom 12. Jänner 1999 stellte die belangte Behörde gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer in Liberia gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.
Zur Begründung verwies sie auf die - oben dargestellten - Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren und auf die rechtskräftige Abweisung seines Asylantrages. Weiters wies sie darauf hin, dass der Beschwerdeführer den behaupteten Angriff auf das Dorf Kakata vor der Asylbehörde mit keinem Wort erwähnt habe. Dem Beschwerdeführer sei mit seinen Angaben die Glaubhaftmachung von Gefahren im Sinn des § 57 FrG nicht gelungen. Am 19. Juli 1997 sei Charles Taylor zum neuen Staatspräsidenten gewählt worden. Dadurch sei der seinerzeitige Bürgerkrieg in Liberia zum Erliegen gekommen. Die Sicherheit des Beschwerdeführers wäre in Liberia durch die dort noch stationierten ECOMOG-Truppen garantiert, welche nach wie vor in den Bevölkerungszentren stationiert seien und weitestgehend die öffentlichen Einrichtungen kontrollierten und die Entwaffnung der seinerzeit bewaffneten Bürgerkriegsparteien erfolgreich vorantrieben. Die neue Regierung habe alles daran gesetzt, von legistischer Seite her einen Mindeststandard an Menschen- und Bürgerrechten wieder in Kraft zu setzen. Anhand der Jahresberichte von Amnesty International der Jahrgänge 1993 bis 1998 habe die belangte Behörde feststellen können, dass der Name des Beschwerdeführers nicht als Regimegegner aufscheine. Somit sei es für die belangte Behörde keinesfalls objektivierbar, dass seitens des liberianischen Staates ein besonders hohes politisches Interesse an einer allfälligen Verfolgung seiner Person bestehe.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:
Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)
Die belangte Behörde wies zwar auf einen Widerspruch in den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt einerseits und der Fremdenpolizeibehörde andererseits hin, sprach seinen Angaben aber nicht generell die Glaubwürdigkeit ab. Sie beurteilte diese Angaben aber als nicht ausreichend, um eine relevante Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG im Fall seiner Abschiebung nach Liberia glaubhaft machen zu können. Diese Ansicht kann nicht als rechtswidrig gesehen werden. Der Beschwerdeführer wies zwar darauf hin, dass er im Jahr 1991 aus einem Trainingscamp des Charles Taylor geflohen sei, verneinte aber eine spätere Verfolgung nach Verlassen des ECOMOG-Camps. Als Grund dafür, dass er Liberia verlassen habe, gab er ausdrücklich an, er habe einfach das Land verlassen wollen, "da ich niemanden hatte". Weiters gab er an, das ECOMOG-Lager verlassen zu haben, weil ihm bewusst gewesen sei, "dass Krieg herrschte" und dass es für ihn nicht gut wäre, in seine Heimat zurückzukehren. Mit diesem Vorbringen kann - wie die belangte Behörde zutreffend erkannte - eine aktuelle Gefahr einer Verfolgung im Fall seiner Rückkehr nach Liberia nicht glaubhaft gemacht werden, die allein daraus abgeleitet werden könnte, dass der Beschwerdeführer im Jahr 1991 aus einem Trainingslager des Charles Taylor geflohen sei. Aus der von ihm behaupteten "Registrierung" seines Namens im Jahr 1991 kann keine aktuelle Gefährdung abgeleitet werden, weil der Beschwerdeführer weder angegeben hat, von welcher Gruppe und aus welchem Grund die Registrierung erfolgt sei noch welche konkreten Konsequenzen nun aus dieser Registrierung zu ziehen seien.
Die Beschwerde wirft zwar der belangten Behörde zu Recht vor, dass diese den Beschwerdeführer zum Inhalt der beigeschafften Berichte von Amnesty International nicht gehört habe. Die Relevanz dieses Verfahrensmangels wird jedoch nicht dargelegt, weil der Beschwerdeführer gar nicht behauptet, dass aus diesen (oder anderen) Berichten konkret ihn betreffende Verfolgungsgründe abgeleitet werden könnten. Mit den Beschwerdehinweisen, dass der Chefredakteur einer unabhängigen Zeitung festgenommen und verhört worden sei, die politische Situation in Liberia keinesfalls stabil sei und es zu politisch motivierten Morden und schweren staatlichen Übergriffen gegen regierungsunabhängige bzw. regierungskritische Medien komme, kann eine konkrete Bedrohung des Beschwerdeführer nicht dargelegt werden, weil die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, nicht genügt, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. auch dazu das Erkenntnis Zl. 99/21/0001).
Der in der Beschwerde behaupteten Annahme, der Beschwerdeführer würde in seinem Heimatland - wegen der Flucht aus dem Trainingslager - als Deserteur angesehen, stehen die Angaben des Beschwerdeführers über sein Motiv, sein Heimatland verlassen zu haben, entgegen. Aus diesem Grund gehen die ausführlichen, im Übrigen aber andere Länder betreffenden Beschwerdehinweise über die asylrelevante Verfolgung von Wehrdienstverweigerern ins Leere.
Da dem angefochtenen Bescheid somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 26. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999210061.X00Im RIS seit
06.08.2002