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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Feststellung der Gesetzwidrigkeit einer Wortfolge in der Krnt WasserschongebietsV infolge einer rechtsstaatlichen Vorstellungen zuwiderlaufenden Ungenauigkeit der planlichen DarstellungSpruch
1. Die Wortfolge "6. Sattnitzberge (SA)" in §2 litB der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 9. Dezember 1992, Zahl: 8W-Allg.-1/I/71/92, mit welcher zum Schutz von Wasservorkommen in Kärnten Schongebiete festgelegt werden (Kärntner Wasserschongebietsverordnung), LGBl. für Kärnten Nr. 148/1992, in der Fassung der Z9. der Kundmachung der Landesregierung vom 12. Jänner 1993, Zl. Verf-21/11/1992, betreffend Berichtigung von Druckfehlern im Landesgesetzblatt für Kärnten, LGBl. für Kärnten Nr. 9/1993, war gesetzwidrig.
2. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebung im Bundesgesetzblatt
II verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Aus Anlaß eines Verfahrens betreffend die Zuerkennung einer wasserrechtlichen Entschädigung hat das Bezirksgericht Klagenfurt am 3. März 1998 beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, die Wortfolge "6. Sattnitzberge (SA)" in §2 litB der Verordnung des Landeshauptmannes von Kärnten vom 9. Dezember 1992, mit welcher zum Schutz von Wasservorkommen in Kärnten Schongebiete festgelegt werden (Kärntner Wasserschongebietsverordnung), LGBl. für Kärnten 148/1992, idF der Z9. der Kundmachung der Landesregierung vom 12. Jänner 1993, betreffend Berichtigung von Druckfehlern im Landesgesetzblatt für Kärnten, LGBl. für Kärnten 9/1993, "wegen Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit gemäß Art89 Abs2, Art139 und Art140 B-VG" aufzuheben.
2. Zum Anlaßverfahren führt das Bezirksgericht Klagenfurt aus, die Antragsteller seien je zu einem Viertelanteil Miteigentümer einer näher bezeichneten Liegenschaft im Grundbuch Neudorf, Bezirksgericht Klagenfurt. Die bezughabenden Grundstücke lägen zum wesentlichen Teil in der Kernzone des Wasserschutzgebietes Sattnitz (gemeint: des Wasserschongebietes Sattnitzberge). Der Landeshauptmann von Kärnten als zuständige Wasserrechtsbehörde habe mit Bescheid vom 22. April 1997 gemäß §34 Abs4, §99 Abs1 litk und §117 Abs4 Wasserrechtsgesetz 1959 und §6 Abs1 der Kärntner Wasserschongebietsverordnung Entschädigungssummen in näher bezeichneter Höhe festgesetzt. Fristgerecht hätten die Antragsteller beim Bezirksgericht Klagenfurt Anträge auf Festsetzung eines höheren Betrages gestellt und damit den Bescheid des Landeshauptmannes außer Kraft gesetzt.
3. Unter Hinweis auf das Erkenntnis VfSlg. 14851/1997 bringt das antragstellende Gericht vor, daß die Wasserschongebietsverordnung aufgrund der durch sie bewirkten erheblichen Nutzungsbeschränkungen für Liegenschaftseigentümer und andere Nutzungsberechtigte hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen mit gemeindlichen Flächenwidmungsplänen vergleichbar sei. Der Rechtsunterworfene müsse die Rechtslage aus der planlichen Darstellung mit hinlänglicher Genauigkeit eindeutig und unmittelbar feststellen können, da ansonsten der Plan rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genüge. Weder die Detailkarte, geschweige denn die Übersichtskarte, könnten angesichts des für diese planlichen Darstellungen gewählten Maßstabes mit hinreichender Deutlichkeit die Grenzen der Wasserschongebiete nach der Kärntner Wasserschongebietsverordnung bezeichnen.
Die Kundmachung der Kärntner Wasserschongebietsverordnung entspreche nicht den vom Verfassungsgerichtshof vorgegebenen Kundmachungserfordernissen.
Die Lösung der mit den geäußerten Bedenken aufgeworfenen Rechtsfragen sei für die noch ausstehende Entscheidung über die Festsetzung einer wasserrechtlichen Entschädigung elementar.
4. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft und der Landeshauptmann von Kärnten haben keine Äußerungen erstattet. Der Landeshauptmann von Kärnten hat in einem anderen, dieselbe Verordnung betreffenden Verfahren die Verordnungsakten vorgelegt.
5. Am 31. Dezember 1998 wurde das 56. Stück des Landesgesetzblattes für Kärnten (Jahrgang 1998) herausgegeben. Unter Nr. 103 wird die Kärntner Wasserschongebietsverordnung 1998 - Kernzonen kundgemacht. Diese Verordnung enthält keine Vorschrift über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens; ihre verbindende Kraft begann daher gemäß §5 des Kärntner Kundmachungsgesetzes, LGBl. 25/1986, mit Ablauf des 31. Dezember 1998. Gemäß §4 dieser Verordnung trat die Kärntner Wasserschongebietsverordnung, LGBl. 148/1992, (gleichzeitig) außer Kraft.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iS des Art140 B-VG bzw. des Art139 B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, daß die angefochtene generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlaßfall bildet (zB VfSlg. 9811/1983, 10296/1984, 11565/1987, 12189/1989).
Das antragstellende Gericht hat Entschädigungen betreffend im Wasserschongebiet Sattnitzberge gelegene Grundstücke festzusetzen. Es kann ihm nicht entgegengetreten werden, wenn es meint, es habe die angefochtene Wortfolge anzuwenden.
Da auch die sonstigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.
2. Der Verfassungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis VfSlg. 14851/1997 zur Kärntner Wasserschongebietsverordnung ua. dargetan,
"daß Wasserschongebietsverordnungen aufgrund der dadurch bewirkten erheblichen Nutzungsbeschränkungen für Liegenschaftseigentümer und andere Nutzungsberechtigte hinsichtlich ihrer Rechtswirkungen mit gemeindlichen Flächenwidmungsplänen vergleichbar sind. Für Flächenwidmungspläne hat der Verfassungsgerichtshof aber wegen dieser ihrer Rechtswirkungen in ständiger Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 11807/1988, 13716/1994, 13887/1994 und VfGH 30.9.1995, V41/94 (= VfSlg. 14270/1995)) ausgesprochen, daß der Rechtsunterworfene die Rechtslage aus der planlichen Darstellung mit hinlänglicher Genauigkeit eindeutig und unmittelbar feststellen können muß; ansonsten genügt der Plan rechtsstaatlichen Anforderungen nicht. Weder die Detailkarte, geschweige denn die Übersichtskarte können angesichts des für diese planlichen Darstellungen gewählten Maßstabs mit hinreichender Deutlichkeit die Grenzen der Wasserschongebiete nach der Kärntner Wasserschongebietsverordnung bezeichnen.
Entgegen der Stellungnahme des Bundesministers für Landund Forstwirtschaft bleibt der Verfassungsgerichtshof bei seiner Rechtsmeinung, daß sich schon aus rechtsstaatlichen Gründen die notwendige Grenzziehung eines Wasserschongebietes nicht allein nach deren hydrogeologischem Aussagewert bemessen läßt, sondern daß dafür vorrangig das Bedürfnis des rechtsunterworfenen Nutzungsberechtigten nach gehöriger Normkenntnis maßgeblich ist. Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mißversteht allerdings das angesichts ihrer normativen Wirkungen für die notwendige Genauigkeit von Plandarstellungen vom Verfassungsgerichtshof gewählte Kriterium der Parzellenschärfe, wenn er daraus die Notwendigkeit der Deckungsgleichheit planerischer Abgrenzungen mit den Parzellengrenzen ableitet. Vielmehr ist unter parzellenscharfer Planung eine Darstellung der mit normativer Wirkung in Gestalt von Nutzungsbeschränkungen ausgestatteten Grenzen zu verstehen, die mit gleicher Genauigkeit wie Parzellengrenzen erfolgt. Daß dazu die Verwendung eines Kartenmaßstabes von 1:50000 üblicherweise nicht ausreicht, ergibt sich schon aus der vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft in seiner Stellungnahme bei einem derartigen Maßstab zugestandenen, 'verbleibende(n) Unschärfe der Grenzziehungen im Ausmaß von 8-12 m'. Bleibt es aber - kraft planerischer Unschärfe - im Bereich eines 12 m breiten Geländestreifens offen, ob die in einer Wasserschongebietsverordnung vorgesehenen Nutzungsverbote gelten, so ist die entsprechende Norm, hier der Plan, mit einer rechtsstaatlichen Vorstellungen zuwiderlaufenden Ungenauigkeit behaftet."
Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner Rechtsansicht.
Das Bedenken des antragstellenden Gerichts trifft zu. Die Wasserschongebietsverordnung war mit einer rechtsstaatlichen Vorstellungen zuwiderlaufenden Ungenauigkeit behaftet.
3. Da diese Verordnung nicht mehr in Kraft steht, war gemäß Art139 Abs4 B-VG auszusprechen, daß die angefochtene Wortfolge der Kärntner Wasserschongebietsverordnung gesetzwidrig war.
4. Die Verpflichtung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur Kundmachung dieser Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Wasserrecht, Reinhaltung der Gewässer, RechtsstaatsprinzipEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:V32.1998Dokumentnummer
JFT_10009376_98V00032_00