TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/26 99/21/0072

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Veröffentlicht am 26.06.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
FrG 1997 §31 Abs1;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs4;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 99/21/0204

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerden des F in Graz, geboren am 12. April 1966, vertreten durch Dr. Gert Ragossnig, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Friedrichgasse 6/IV/18 (im Verfahren Zl. 99/21/0072), und Dr. Franz Gölles, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kaiserfeldgasse 22 (im Verfahren Zl. 99/21/0204), gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 17. November 1998, Zl. FR 466/1998, betreffend Feststellung gemäß § 75 Fremdengesetz 1997 (hg. Zl. 99/21/0072) und der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. Jänner 1999, Zl. Fr-776/98, betreffend Ausweisung (hg. Zl. 99/21/0204), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- (zur Zl. 99/21/0072) und EUR 332,-- (zur Zl. 99/21/0204) binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid vom 17. November 1998 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, fest, es bestünden keine stichhaltigen Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, in seinem Heimatland gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Zur Beurteilung des Feststellungsverfahrens ziehe die belangte Behörde die gesamten Angaben des Beschwerdeführers vor der Asylbehörde sowie vor der Fremdenpolizeibehörde heran. Der Beschwerdeführer sei trotz seiner Behauptung, Prinz eines 15 Millionen zählenden Stammes zu sein, nicht in der Lage gewesen, auch nur grundlegende politische Verhältnisse oder Personen zu beschreiben und habe sich darüber hinaus in zeitliche Widersprüche verwickelt. Es sei nicht glaubwürdig, dass er weder den Namen "Foday Sankoh" (Führer der RUF) noch die Begriffe "Kamajor" (eine Kaste traditioneller Jäger, eine Art Bürgerwehr), "RUF" (Revolutionary United Front of Liberia), "Kamara" (Sprecher einer seit 23. Juni 1997 an die Öffentlichkeit getretenen neuen Rebellengruppe) kenne bzw. den Namen der Gruppe, deren Anführer der ihn verfolgende "Koroma" sei, bekannt geben könne. Er sei auch nicht in der Lage gewesen, den Namen des Stellvertreters dieses Koroma bekannt zu geben. Weiters wies die belangte Behörde auf unterschiedliche Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seiner Flucht hin. Für die belangte Behörde sei es nicht glaubwürdig, dass die Angehörigen der Gruppe des Koroma die Eltern des Beschwerdeführers getötet und den Beschwerdeführer gesucht hätten, um ihn zu töten, diesen aber auf dem Feld seines Vaters nicht gesucht hätten.

Sie sah weiters das Vorbringen des Beschwerdeführers, er wäre in seinem Heimatland von der dort herrschenden Bürgerkriegssituation betroffen, nicht als geeignet an, um aktuell stichhaltige Gründe aufzuzeigen, dass er Verfolgungs- bzw. Bedrohungshandlungen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG zu gewärtigen habe. Das Fremdenrecht habe nicht die Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg oder sonstigen Unruhen hervorgingen. Im Übrigen seien die Angaben des Beschwerdeführers durch keinerlei Dokumente belegt und es gehöre zu den Dienstleistungen von Schlepperorganisationen, entsprechende Dokumente und "Argumentationshilfen" nachzuliefern. Der Bundesminister für Inneres habe mit Bescheid vom 27. November 1997 rechtskräftig festgestellt, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht zukomme. Der Behörde sei es auf Grund des in § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit der Beweismittel nicht verwehrt, die Ergebnisse des Asylverfahrens zu berücksichtigen. Es lägen somit keine stichhaltigen Gründe vor, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Abschiebung nach Sierra Leone Gefahren im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Verfolgungen im Sinn des § 57 Abs. 2 FrG ausgesetzt wäre.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. Jänner 1999 wies die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland den Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 FrG aus dem Bundesgebiet aus.

Diese Maßnahme begründete sie im Wesentlichen folgendermaßen:

Der Beschwerdeführer sei am 4. Oktober 1997 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle eingereist und von Organen der Grenzüberwachung aufgegriffen worden. Sein Aufenthalt in Österreich sei somit unrechtmäßig. Das Asylverfahren sei mittlerweile rechtskräftig negativ abgeschlossen worden, sodass dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung aus dem Asylgesetz mehr zukommen könne. "Wie die Einsichtnahme in die CO-Ausdrucke des Asylwerber- und Fremdeninformationssystems ergab, halten Sie sich nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Aus diesem Grund war die gegenständliche Ausweisung auf § 33 Abs. 1 FrG zu stützen." Wegen des kurzen Aufenthaltes in Österreich und des Fehlens von Verwandten im Bundesgebiet sei mit der fremdenrechtlichen Maßnahme kein Eingriff in sein Privat- oder Familienleben verbunden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges verbundenen Rechtssachen nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangten Behörden und Erstattung einer Gegenschrift durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland erwogen:

1. Zum Ausspruch nach § 75 Abs. 1 FrG:

Im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 Abs. 1 FrG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch bei der Beurteilung des Vorliegens einer Gefahr gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG im Verfahren gemäß § 75 leg. cit. die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob allenfalls gehäufte Verstöße der in § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 7. April 2000, Zl. 99/21/0001.)

Die Beschwerde macht geltend, der Beschwerdeführer sei entgegen der Bestimmung des § 13a AVG nicht angeleitet worden, es sei kein qualifizierter Dolmetscher dem Ermittlungsverfahren beigezogen und das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft bzw. unvollständig durchgeführt worden. Dadurch, dass dem Beschwerdeführer kein volles Parteigehör eingeräumt worden sei, habe dieser keine Möglichkeit gehabt, seine Asylgründe hinreichend darzulegen.

Diesem Vorbringen ist zum einen zu entgegnen, dass es nicht Aufgabe der Behörde im Sinn des § 13a AVG ist, inhaltliche Mängel von Eingaben aus der Welt zu schaffen und dass eine Beratung von Verfahrensparteien oder anderen Beteiligten in materiellrechtlicher Hinsicht nicht zu den Pflichten der Behörde zählt; die Behörde ist nicht verhalten, Unterweisungen zu erteilen, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, damit dem Antrag allenfalls stattgegeben werden könnte (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 13a AVG/E 1 und 3, angeführte hg. Rechtsprechung). Zum anderen legt die Beschwerde nicht dar, welche Feststellungen die belangte Behörde bei Unterbleiben der behaupteten Verfahrensmängel hätte treffen können bzw. welches Vorbringen zu erstatten dem Beschwerdeführer verwehrt gewesen wäre; somit wurde die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel nicht aufgezeigt. Die Beschwerde enthält keine Argumente gegen die Richtigkeit der behördlichen Beweiswürdigung; der Gerichtshof vermag im Rahmen der ihm zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung betreffend die behauptete Verfolgung als "Prinz" nicht als unschlüssig zu erkennen.

Zum Beschwerdehinweis auf einen im Heimatstaat des Beschwerdeführers herrschenden Bürgerkrieg ist anzumerken, dass ein Bürgerkrieg an sich nicht geeignet ist, eine Bedrohung und/oder Gefährdung im Sinn des § 57 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0121).

Zusammenfassend kann somit die Absicht der belangten Behörde, es sei dem Beschwerdeführer nicht gelungen, stichhaltige Gründe für die Annahme glaubhaft zu machen, dass er im Fall seiner Abschiebung nach Sierra Leone im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG gefährdet oder bedroht wäre, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Zur Ausweisung:

Die Beschwerde verweist vorerst darauf, dass gegen den Beschwerdeführer vor verschiedenen Behörden fremdenrechtliche Verfahren (Ausweisung und Feststellung nach § 75 FrG) geführt worden seien. Allein daraus ist aber nicht zu erkennen, inwieweit die belangte Behörde gegen den Grundsatz "ne bis in idem" verstoßen habe und inwieweit ein Verfahren eine Vorfrage für das andere Verfahren bilden sollte. Es liegt weder die behauptete Identität der Sachbegehren noch eine der Rechtsgründe vor.

Gemäß § 31 Abs. 1 FrG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie unter Einhaltung der Bestimmungen des 2. Hauptstückes und ohne die Grenzkontrolle zu umgehen eingereist sind (Z. 1), oder wenn sie auf Grund eines Aufenthaltstitels oder einer Verordnung für Vertriebene (§ 29) zum Aufenthalt berechtigt sind (Z. 2), oder wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind (Z. 3), oder so lange ihnen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1997 zukommt (Z. 4). Die Beschwerde ist mit dem Vorwurf im Recht, dass aus der Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle allein noch nicht auf einen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich geschlossen werden dürfe. Die belangte Behörde wies aber auch auf den rechtskräftigen negativen Abschluss des Asylverfahrens hin und es wurde weder behauptet noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Besitz eines Aufenthaltstitels nach § 31 Abs. 1 Z. 2 oder Z. 3 FrG ist. Gegen die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt den Tatbestand des § 33 Abs. 1 FrG verwirklicht, hegt der Gerichtshof somit keine Bedenken.

Entgegen der Beschwerdeansicht vermag eine allenfalls unrichtige Übersetzung der Rechtsbelehrung im zweitinstanzlichen Asylbescheid an der Rechtskraft der Abweisung des Asylantrages nichts zu ändern.

Weiters meint der Beschwerdeführer, dass der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid nach § 75 FrG aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei und "insofern sein Aufenthalt bis zu dieser Entscheidung rechtmäßig erscheint". Abgesehen davon, dass der genannten Beschwerde erst mit Beschluss vom 22. März 1999 - also nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Ausweisungsbescheides - die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden ist, würde ein offener Feststellungsantrag nach § 75 Abs. 1 FrG gemäß Abs. 4 leg. cit. lediglich bewirken, dass bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag der Fremde in den Verfolgerstaat nicht abgeschoben werden darf. Eine Rechtmäßigkeit des Aufenthalts ist weder mit einem offenen Feststellungsverfahren noch mit einem Ausspruch der Unzulässigkeit der Abschiebung verbunden.

Als Verfahrensmangel macht die Beschwerde geltend, dem Vertreter des Beschwerdeführers sei innerhalb der Beschwerdefrist die Akteneinsicht nicht möglich gewesen und die belangte Behörde habe insofern gegen das Parteigehör verstoßen. Dem ist zu entgegnen, dass aus Handlungen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides denknotwendig seine Rechtswidrigkeit nicht abgeleitet werden kann.

Entgegen der Beschwerdebehauptung ist nicht ersichtlich, dass dem angefochtenen Bescheid ein Begründungsmangel anhaftet; die Beschwerde legt auch nicht dar, welche Feststellungen die belangte Behörde bei Unterlassen der behaupteten Verfahrensmängel hätte treffen können und welches Vorbringen zu erstatten dem Beschwerdeführer verwehrt gewesen sei.

Eine unrichtige Beurteilung nach § 37 Abs. 1 FrG wird in der Beschwerde nicht releviert und kann angesichts des unbestritten kurzen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und des Fehlens familiärer Bindungen im Inland nicht gesehen werden.

3. Da den angefochtenen Bescheiden somit die behauptete Rechtswidrigkeit nicht anhaftet, waren die Beschwerden gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 26. Juni 2002

Schlagworte

Parteiengehör Parteiengehör Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1999210072.X00

Im RIS seit

06.08.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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