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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §236 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Mag. Heinzl, Dr. Fuchs und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. Andreas Ladstätter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Riemergasse 6/8, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Juli 1997, Zl. RV/141-07/07/97, betreffend Abgabennachsicht, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 10. Dezember 1996 beantragte der Beschwerdeführer die Nachsicht des auf seinem Abgabenkonto aufscheinenden Abgabenrückstandes von rund 492 Millionen S.
In einer Berufung gegen die Abweisung dieses Antrages durch das Finanzamt führte der Beschwerdeführer aus, die im Bescheid getroffene Feststellung, die Abgabeneinhebung habe keinerlei Auswirkung auf die Einkommens- und Vermögenssituation, sei sicher nicht richtig. Wie bereits im Nachsichtsansuchen dargelegt, habe der Beschwerdeführer auch für einen schwerst behinderten Sohn zu sorgen. Die Familie könne von dem geringen Einkommen seiner Ehefrau allein nicht leben. Spätestens nach der Entlassung aus der (im Februar 1997 für achteinhalb Jahre anzutretenden) Haft habe die Abgabeneinhebung schwerste Auswirkungen auf die Einkommenslage des Beschwerdeführers. Sein Vermögen beschränke sich auf einen Hälfteanteil an einem Haus, eine verpfändete Lebensversicherung und eine wertlose Verlustbeteiligung. Der Beschwerdeführer werde versuchen, seinen Hausanteil zu verkaufen. Wie dem Finanzamt sicherlich bekannt sei, sei dieser Hausanteil mit exekutiven Pfandrechten des Gerichtes "schwerst" belastet. Ein eventuell zu erzielender Verkaufserlös gehe somit zu 100% an das Gericht. Weiteres Vermögen habe der Beschwerdeführer nicht. Ein Nachlass der "Finanzamtsschulden" könne daher zu keiner Begünstigung anderer Gläubiger führen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen. Aus dem Berufungsvorbringen ergebe sich, dass die Abgabenschuldigkeiten mangels verfügbaren Vermögens derzeit uneinbringlich seien, zumal sich der Beschwerdeführer in Haft befinde und somit über kein pfändbares Einkommen verfüge. Damit könne es aber zu keinerlei Auswirkungen der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers kommen. "Ergänzend" werde festgestellt, dass bei der Entscheidung über ein Nachsichtsansuchen stets die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bzw. der Rechtsmittelentscheidung zu berücksichtigen sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Nach § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit als nicht gegeben beurteilt, weil nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers die Einbringlichkeit des Abgabenrückstandes zurzeit nicht gegeben sei, weshalb es zu keiner Auswirkung der Abgabeneinhebung auf die Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers kommen könne.
Vor dem Hintergrund einer behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes wird in der Beschwerde zunächst ausgeführt, aus dem Umstand, dass eine Abgabenschuldigkeit aus dem Vermögen des Abgabepflichtigen nicht getilgt werden könne bzw. uneinbringlich sei, sei keinerlei Rückschluss auf die fehlende "Unbilligkeit der Nachsicht" (gemeint wohl Unbilligkeit der Abgabeneinhebung) selbst zu ziehen. Eine persönliche Unbilligkeit der Abgabeneinhebung ergebe sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers und sei immer dann gegeben, wenn ein wirtschaftliches Missverhältnis zwischen der Einhebung der Abgabe und den im Bereich des Abgabepflichtigen entstehenden Nachteilen bestehe. Eine Unbilligkeit sei auch dann gegeben, wenn die Einhebung die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährde.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil er damit nicht darzustellen vermag, inwiefern im Beschwerdefall mangels jeglicher (erfolgversprechender) Einhebungsmöglichkeit in Folge unbestrittener Uneinbringlichkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein wirtschaftliches Missverhältnis in der oben dargestellten Art, eben solche Nachteile oder eine Existenzgefährdung des Beschwerdeführers oder seiner Familie entstehen könnten. Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgeführt hat, liegt persönliche Unbilligkeit dann vor, wenn gerade die Einhebung der Abgaben die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährdet oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liegt in der Existenzgefährdung. Auch diese müsste gerade durch die Einhebung der Abgabe verursacht oder entscheidend ("auch") mitverursacht sein (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 2000, 95/15/0090). Soweit der Beschwerdeführer - wohl in Kenntnis des Umstandes, dass er solche Unbilligkeitsgründe aktuell nicht anzugeben vermochte - in der Beschwerde meint, es seien in diesem Zusammenhang nicht nur die "derzeitigen", sondern auch die künftigen Existenzumstände (nach seiner Entlassung aus der Haft) zu berücksichtigen, ist er auf die schon im angefochtenen Bescheid zu Recht angeführte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach bei der Entscheidung über Nachsichtsansuchen stets die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu berücksichtigen ist (vgl. neben den im angefochtenen Bescheid zitierten hg. Erkenntnissen etwa das hg. Erkenntnis von 22. September 1992, 92/14/0083).
Da somit die vom Beschwerdeführer der belangten Behörde vorgeworfene Verkennung der Rechtslage nicht vorliegt, ist auch der Vorwurf sekundärer Verfahrensmängel verfehlt. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998130035.X00Im RIS seit
07.10.2002