TE Vfgh Erkenntnis 1999/6/24 B1253/98

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Veröffentlicht am 24.06.1999
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/02 Staatsbürgerschaft, Paß- und Melderecht, Fremdenrecht

Norm

StGG Art5
MeldeG 1991 §1 Abs5
MeldeG 1991 §3 Abs2
MeldeG 1991 §9 Abs1
MeldeG 1991 §22 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Eigentumsrecht durch Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Weigerung der Angabe des Religionsbekenntnisses auf einem Meldezettel aufgrund denkunmöglicher Annahme der Verwaltungsübertretung der Nichterfüllung der Meldepflicht

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden der Beschwerdevertreter die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Der Verfassungsgerichtshof hält es für zweckmäßig, vor der Schilderung der vorliegenden Beschwerdesache auszugsweise den Wortlaut folgender Bestimmungen des (zuletzt durch die Novelle BGBl. 352/1995 geänderten) Meldegesetzes 1991, BGBl. 9/1992, wiederzugeben:

"Begriffsbestimmungen

§1. (1) ...

(5) Meldedaten sind mit Ausnahme der Unterschriften alle personenbezogenen Daten, die auf dem Meldezettel (§9) oder dem Gästeblatt (§10) festgehalten sind. Die Identitätsdaten bestehen aus den Namen, dem Geburtsdatum, dem Geburtsort und der Staatsangehörigkeit, bei Fremden überdies aus Art, Nummer, Ausstellungsbehörde und Ausstellungsdatum ihres Reisedokumentes.

...

Unterkunft in Wohnungen; Anmeldung

§3. (1) Wer in einer Wohnung Unterkunft nimmt, ist innerhalb von drei Tagen danach bei der Meldebehörde anzumelden.

(2) Für jeden anzumeldenden Menschen ist die jeweils vorgeschriebene Anzahl von Meldezetteln (§9 Abs2) vollständig auszufüllen.

(3) Für die Anmeldung sind die ausgefüllten Meldezettel (Abs2) und öffentliche Urkunden erforderlich, aus denen die Identitätsdaten (§1 Abs5) des Unterkunftnehmers hervorgehen; dieser ist verpflichtet, an der Feststellung seiner Identität mitzuwirken. War der zu Meldende bereits bisher bei einer Meldebehörde im Bundesgebiet angemeldet, so ist

1.

gleichzeitig die Abmeldung vorzunehmen oder

2.

die erfolgte Abmeldung oder

3.

die weiterhin aufrechte Anmeldung samt der allenfalls erforderlichen Ummeldung nachzuweisen.

(4) Die Meldebehörde hat die erfolgte Anmeldung durch Anbringung des Anmeldevermerkes auf sämtlichen Meldezetteln zu bestätigen. Zwei dieser Meldezettel sind für den Meldepflichtigen als Nachweis der Anmeldung bestimmt.

(5) Die Meldebehörde kann, sofern dies aus verwaltungstechnischen Gründen im Rahmen automationsunterstützter Verarbeitung der Meldedaten tunlich ist, durch Verordnung bestimmen, daß für die Anmeldung nur ein Meldezettel erforderlich ist. Diesfalls sind die für den Meldepflichtigen bestimmten beiden Meldezettel von der Meldebehörde auszufertigen; sie haben die Meldedaten zu enthalten und den Anmeldevermerk aufzuweisen.

...

Meldezettel

§9. (1) Der Meldezettel hat hinsichtlich Inhalt und Form dem Muster der Anlage A zu entsprechen; die Rubrik für die Eintragung des Religionsbekenntnisses darf jedoch nur jener Meldezettel aufweisen, der dazu bestimmt ist, bei der Meldebehörde zu verbleiben. In einer Verordnung gemäß §3 Abs5 kann die Behörde für die von ihr ausgefertigten Meldezettel Abweichungen hinsichtlich der Form festlegen.

(2) Sofern nicht durch Verordnung bestimmt ist, daß die Anmeldung durch Übergabe nur eines Meldezettels zu erfolgen hat (§3 Abs5), sind für jeden anzumeldenden Menschen drei, für Menschen, die der besonderen Meldepflicht unterliegen (§6), jedoch vier Meldezettel vorzulegen. Die Meldebehörde kann nach Maßgabe verwaltungstechnischer Erfordernisse durch Verordnung die Vorlage weiterer Meldezettel bis zum Höchstausmaß von insgesamt sechs Stück vorschreiben.

...

Strafbestimmungen

§22. (1) Wer

1. die ihn treffende Meldepflicht nach den §§3, 4, 5 oder 6 nicht erfüllt oder

2. eine Anmeldung vornimmt, obwohl keine Unterkunftnahme erfolgt ist oder

3. eine Abmeldung vornimmt, obwohl die Unterkunft nicht aufgegeben werden soll oder

4. bei einer An-, Ab- oder Ummeldung unrichtige Identitätsdaten (§1 Abs5) angibt oder

              5.              als Inhaber eines Beherbergungsbetriebes oder als dessen Beauftragter Gästeblätter unvollständig aus- füllt (§7 Abs5), gegen die Vorschriften des §10 Abs1 oder 6 über die Führung der Gästeblattsammlung verstößt oder der Meldebehörde oder einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes trotz Verlangens nicht Einsicht in die Gästeblattsammlung gewährt oder

              6.              als Meldepflichtiger gegen seine Verpflichtung nach §12 Abs1 verstößt oder

              7.              als Unterkunftgeber gegen seine Verpflichtung nach §12 Abs2 verstößt,

begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 10 000 S, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe bis zu 30 000 S, zu bestrafen.

..."

II. 1. Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, befand den Beschwerdeführer - nachdem eine an ihn erlassene Strafverfügung infolge Einspruchs außer Kraft getreten war, sowie nach seiner Vernehmung als Beschuldigter - mit Straferkenntnis vom 3. Feber 1997 einer dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach §3 Abs2 iVm §22 Abs1 Z1 MeldeG 1991 schuldig, daß er "es unterlassen (habe), trotz Aufforderung vom 22.5.1996 zur Mängelbehebung einen vollständig ausgefüllten Meldezettel bei der Behörde abzugeben, da das Religionsbekenntnis nicht angegeben wurde". Über den Beschwerdeführer wurde eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (im folgenden auch bloß: UVS) mit Bescheid vom 7. Mai 1998 nur im Ausspruch über die Strafe Folge und setzte die Geldstrafe sowie die Ersatzfreiheitsstrafe herab; im übrigen bestätigte er das Straferkenntnis unter folgender Neufassung der Tatumschreibung:

"Sie haben den Meldezettel, mit dem Sie sich am 22.5.1996 an der Adresse Wien 2, ..., angemeldet haben, nicht vollständig ausgefüllt, weil auf diesem Angaben zu Ihrem Religionsbekenntnis fehlen und haben die fehlenden Meldedaten ungeachtet einer an Sie ergangenen Aufforderung der Meldebehörde nicht bekanntgegeben."

Die Berufungsbehörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 21. Mai 1996 der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Leopoldstadt, einen Meldezettel übermittelt habe, der unter der Rubrik "Religionsbekenntnis" keine Eintragung enthalten habe. In der Folge sei er durch die Meldebehörde aufgefordert worden, die fehlende Angabe nachzutragen. Mit Schreiben vom 29. Mai 1996 habe der Beschwerdeführer jedoch (ua.) in der Rubrik "Religionsbekenntnis" des an ihn rückgemittelten Meldezettels "keine Angabe" eingetragen. Nach einer inhaltlichen Wiedergabe der §§3 Abs2, 9 Abs1 und 22 Abs1 Z1 MeldeG 1991 führte der UVS ferner aus, es stehe angesichts der getroffenen Sachverhaltsfeststellungen fest, daß der Beschwerdeführer es vorsätzlich unterlassen habe, der Meldebehörde sein Religionsbekenntnis bekanntzugeben; hiedurch habe er die ihm angelastete Übertretung des §3 Abs2 iVm §22 Abs1 Z1 MeldeG 1991 sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht erfüllt.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung bestimmter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte geltend gemacht und die Bescheidaufhebung begehrt wird.

Der belangte UVS legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

III. Die Beschwerde ist im Ergebnis gerechtfertigt.

1. Die Bestimmungen des Meldegesetzes 1991 über die Eintragung des Religionsbekenntnisses in eine Ausfertigung des Meldezettels und die damit im Zusammenhang stehenden Vorschriften wurden durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. 505/1994, eingeführt, dessen ArtI das Meldegesetz 1991 änderte.

Eine dieser (bereits in der Regierungsvorlage über das Hauptwohnsitzgesetz (1334 BlgNR 18. GP) enthaltenen) Änderungen bestand darin, daß das Wort "Meldedaten" in der Strafbestimmung des §22 Abs1 Z4 MeldeG 1991 durch das Wort "Identitätsdaten" ersetzt wurde (Z19 des ArtI HauptwohnsitzG).

Weiters war in der eben erwähnten Regierungsvorlage vorgesehen, das Religionsbekenntnis aus den Meldedaten auszunehmen (vgl. den Beginn des ersten Satzes im §1 Abs5 MeldeG 1991 idF der Regierungsvorlage: "Meldedaten sind mit Ausnahme des Religionsbekenntnisses und der Unterschriften ..."). Da es sich - so die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (S 16) - "gemäß §1 Abs5 weder um ein Meldedatum, noch um ein Identitätsdatum handelt", werde "das Religionsbekenntnis nicht in das Zentrale Melderegister aufgenommen und besteht für den Bürger bei der Anmeldung keine Verpflichtung, das Religionsbekenntnis durch entsprechende Urkunden zu belegen". Im Ausschuß für innere Angelegenheiten (s. dessen Bericht 1608 BlgNR 18. GP) wurde aufgrund eines Abänderungantrages zweier Abgeordneter unter anderem die oben erwähnte Wortfolge über die Nichteinbeziehung des Religionsbekenntnisses in die Meldedaten aus dem Gesetzentwurf beseitigt. In der im Ausschußbericht wiedergegebenen Begründung des Abänderungsantrages ist dazu folgendes festgehalten (S 1, "Zu Z1 und 8: (§§1 Abs5 und 16 Abs1 MeldeG)"):

"Da es sich bei den Angaben zum Religionsbekenntnis zweifellos um personenbezogene Daten im Sinne des §3 Z1 des Datenschutzgesetzes handelt, wäre es inkonsequent, sie aus der Kategorie der Meldedaten auszuklammern. Der mit der Ausnahme angestrebte Zweck im Bereich der §§16 (Zentrales Melderegister) und 22 (Strafbestimmungen) soll an diesen Stellen erreicht werden."

Auch aus diesen Darlegungen ergibt sich deutlich der Zweck, welcher mit der Ersetzung des Wortes "Meldedaten" durch das Wort "Identitätsdaten" in §22 Abs1 Z4 MeldeG 1991 verfolgt wurde, nämlich bloß die unrichtige Angabe solcher Meldedaten (anläßlich einer An-, Ab- oder Ummeldung) mit Verwaltungsstrafe zu bedrohen, die Identitätsdaten im Sinne des §1 Abs5 (zweiter Satz) MeldeG 1991 darstellen. Diese bestehen (ausschließlich) aus den Namen, dem Geburtsdatum, dem Geburtsort und der Staatsangehörigkeit sowie bei Fremden überdies aus bestimmten Daten ihres Reisedokuments; sie umfassen somit insbesondere nicht das gemäß §9 Abs1 MeldeG 1991 in einen der mehreren Meldezettel einzutragende Religionsbekenntnis.

2. Es kann nun auf sich beruhen, ob das unvollständige Ausfüllen von Meldezetteln entgegen dem Gebot des (übrigens nur auf §9 Abs2 verweisenden) §3 Abs2 MeldeG 1991 dem Tatbestand der Verwaltungsübertretung nach §22 Abs1 Z1 leg.cit. zu unterstellen ist, welcher denjenigen mit Strafe bedroht, der die ihn unter anderem nach §3 treffende Meldepflicht nicht erfüllt. Denn selbst wenn man dies grundsätzlich bejahen wollte, geriete die Annahme, daß ein (bloß) unvollständiges Ausfüllen des Meldezettels in Ansehung des Religionsbekenntnisses verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden sei, obwohl sogar eine vorsätzlich unrichtige Eintragung eines Religionsbekenntnisses in den Meldezettel nach dem zuvor Gesagten nicht mit einer Verwaltungsstrafe bedroht ist, in einen dem Sachlichkeitsgebot (welches dem Gleichheitsgebot immanent ist; s. zB VfSlg. 14039/1995) widerstreitenden offenkundigen Wertungswiderspruch. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde erscheint es daher als denkunmöglich, §3 Abs2 iZm §22 Abs1 Z1 MeldeG 1991 dahin auszulegen, daß die Weigerung des Meldepflichtigen, ein Religionsbekenntnis in den Meldezettel einzutragen, als Nichterfüllung der Meldepflicht den durch diese Gesetzesstellen umschriebenen Tatbestand einer Verwaltungsübertretung begründet.

3. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen, infolge der Verhängung einer Geldstrafe in sein Eigentumsrecht eingreifenden Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt, was zur Bescheidaufhebung führt.

Bei diesem Ergebnis war es entbehrlich, auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen einzugehen.

IV. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG; im zugesprochenen Kostenbetrag ist Umsatzsteuer von 4.500 S sowie Pauschalgebühr von 2.500 S enthalten.

V. Dieses Erkenntnis wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.

Schlagworte

Meldewesen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B1253.1998

Dokumentnummer

JFT_10009376_98B01253_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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