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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AWG 1990 §18 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/07/0024 E 27. Juni 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen in W, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmanns von Wien vom 13. November 1998, Zl. MA 22 - 2971/97, betreffend Beseitigungsauftrag nach § 32 AWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit darin der gemäß § 32 AWG erteilte Beseitigungsauftrag bestätigt wird, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 2. September 1997 wurde die beschwerdeführende Partei als Alleineigentümerin der Liegenschaft in W, N-Gelände, unter Spruchpunkt I zur Entfernung und Entsorgung verschiedener Abfälle nach § 32 Abs. 1 und 2 i.V.m. den §§ 16 bis 18 AWG und mit Spruchpunkt II zur Entfernung und Entsorgung verschiedener Abfälle nach § 45 Abs. 2 und 3 i.V.m. den §§ 12 bis 15 des Wiener AWG verpflichtet.
Der im Beschwerdefall relevante Spruchpunkt I (Z. 1 bis 5) dieses Bescheides betrifft folgende Abfälle:
1) die Eiskästen in dem linken tiefgelegten Anbau der ca. 300 m2 großen Halle, die sich auf dem ca. 5.000 m2 großen Areal der ehemaligen Betriebsanlage der E im 6. K-Hof zwischen der abgebrannten T-Halle und dem Lagerplatz der Fa. K befindet und im Freien davor, und die ca. 30 Altbatterien aus dem ca. 8 m2 großen Anbau dieser Halle
2) die Behälter mit Altöl, die ölgetränkten Papiere und Putzlappen, die Altbatterien, Spraydosen und ölbehafteten Kraftfahrzeug-Teile aus der - von der 6. K-Hofstraße aus in Richtung N gesehen ca. 25 m rechts von der unter Punkt 1) genannten Halle - ca. 400 m2 großen ebenerdigen Halle
3) die 2 Autowracks im Freien vor der ca. 300 m2 großen Halle (die sich auf dem ca. 5.000 m2 großen Areal der ehemaligen Betriebsanlage der E im 6. K-Hof zwischen der abgebrannten T-Halle und dem Lagerplatz der Fa. K befindet) in Richtung Lagerplatz der Firma K,
4) die 25 Kraftfahrzeug-Wracks, teilweise mit Öl behafteten Kraftfahrzeug-Teile, Lackgebinde, Spraydosen, Eiskästen und mit Altöl gefüllten Ölbehälter im Freien vor der ca. 300 m2 großen Halle (die sich auf dem ca. 5.000 m2 großen Areal der ehemaligen Betriebsanlage der E im 6. K-Hof zwischen der abgebrannten T-Halle und dem Lagerplatz der Firma K befindet) und der davor ca. 25 m rechts - von der 6. K-Hofstraße aus in Richtung N gesehen - befindlichen ca. 400 m2 großen Halle,
5) die Mineralöl enthaltenden Einlaufschächte im Freien vor der ca. 300 m2 großen Halle (die sich auf dem ca. 5.000 m2 großen Areal der ehemaligen Betriebsanlage der E im 6. K-Hof zwischen der abgebrannten T-Halle und dem Lagerplatz der Firma K befindet) und der davor ca. 25 m rechts - von der 6. K-Hofstraße aus in Richtung
N gesehen - befindlichen ca. 400 m2 großen Halle.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, dass bei Erhebungen des technischen Sachverständigen am 4. Juli 1997 Folgendes festgestellt worden sei:
Im Bereich des ca. 5.000 m2 großen Areals der ehemaligen Betriebsanlage der E auf dem 6. K-Hof zwischen der abgebrannten T-Halle und dem Lagerplatz der Fa. K würden sich folgende Gebäude, von der 6. K-Hofstraße in Richtung N gesehen befinden:
a)
ca. 300 m2 große Halle mit Anbauten und 5 oberirdische Tanks,
b)
ca. 25 m rechts von der unter a) genannten Halle eine ca. 400 m2 große ebenerdige Halle, welche aus mehreren Räumen bestehe,
c) hinter b) eine ca. 300 m2 große Halle mit einem ca. 100 m2 großen Anbau.
Das Areal sei zu den angrenzenden Straßen derzeit durch kreuzförmige Stahlbarrieren abgeschlossen, jedoch an mehreren Stellen zwischen den Kreuzen für Personen leicht zugänglich. In der unter a) beschriebenen Halle befänden sich in einer Höhe von ca. 1 bis 4 m eine "vollständige Verlagerung" mit Reifen; im linken tiefgelegenen Anbau, teilweise im Freien, Kartons Kunststoffe, diverse Folien und Eiskästen; im rechten, ca. 8 m2 großen Anbau Reifen und ca. 30 Altbatterien.
In der unter b) beschriebenen Halle befänden sich Reifen, Holz und diverse brennbare Platten, Kunststofffolien und - behälter, Behälter mit Altöl, Papier und Putzlappen (teilweise ölgetränkt), Altbatterien, Spraydosen, Kraftfahrzeug-Teile (teilweise ölbehaftet), Polstersitze und ein gemauerter Ofen.
In der unter c) beschriebenen Halle befänden sich Holzteile, Gerümpel, Möbel, Reifen, Autokarosserieteile, Autositze, Matratzen, Kunststoffbehälter und -folien sowie Kartons.
Im Freien vor der unter a) beschriebenen Halle in Richtung Lagerplatz der Fa. K befänden sich auf ca. 140 m2 Fläche und ca. 2m hoch gelagert, Reifen weiters 2 Autowracks, Kunststofffolien und Matratzen.
Zwischen den Ölbehältern und der 6. K-Straße seien auf einer Fläche von ca. 70 m2 und bis zu einer Höhe von 1,5 m Gerümpel, Holz, Matratzen, Reifen und Kunststoffe gelagert.
Auf dem Platz zwischen der unter a) und der unter b) beschriebenen Halle befänden sich ca. 25 Kraftfahrzeug-Wracks, teilweise ölbehaftete Kraftfahrzeug-Teile, Reifen, Gummischläuche, Matratzen, Textilien, Holz, Kartons, Kunststoffe, Lackgebinde, Spraydosen, eine Baumaschine, Eiskästen, Ölbehälter mit Altöl gefüllt, teilweise offen und teilweise ölbehaftet. An dem Ort befänden sich weiters mehrere Ölflecken sowie Einlaufschächte, möglicherweise eines Kanals, in denen, soweit augenscheinlich feststellbar, auch Mineralöle enthalten gewesen seien.
Im Anschluss an den unter c) beschriebenen Anbau seien auf einer Fläche von ca. 30 m2 Reifen bis zu einer Höhe von ca. 1 bis 2 m gelagert. Gegenüber der unter c) beschriebenen, ca. 300 m2 großen Halle befinde sich auf einer Fläche von ca. 10 m2 ein Haufen bestehend aus Holzbrettern, Textilien und Reifen.
Es sei im Übrigen aufgrund des Vorhandenseins von leicht brennbaren Lagerungen, wie Papier, Kartons, ölbehafteten Putzlappen, Textilien, Matratzen und dgl. in Anbetracht der leichten Zugänglichkeit des Areals jederzeit die Möglichkeit einer Brandentstehung gegeben (z.B. durch weggeworfene Zigaretten) und es könnten durch einen solchen Brand aufgrund der hohen Brandbelastung die Nachbargebäude, wie der anschließende Bereich der Firma K, in Mitleidenschaft gezogen werden. Weiters seien Grundwassergefährdungen durch die nicht ordnungsgemäße Lagerung von ölbehafteten Teilen, ölenthaltenden Fässern und Batterien möglich.
Aus dem festgestellten Zustand und dem äußeren Erscheinungsbild der abgelagerten Gegenstände gehe eindeutig hervor, dass der bzw. die Besitzer diese loswerden hätten wollen und zu diesem Zweck auf den beschriebenen Standorten abgelagert hätten. Es handle sich daher um Abfälle nach dem AWG. Das Lagern der genannten Gegenstände auf dem N-Gelände sei keinesfalls eine den Vorschriften des AWG entsprechende Abfallbehandlung. Im Hinblick auf die an den Abfallablagerungsort unmittelbar angrenzende Wohnhausanlage und die sehr gute Einsicht in das Gelände des N-Hofes in diesem Abschnitt werde das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild durch die im Spruch genannten Abfälle erheblich beeinträchtigt.
Die Identität des Abfallbesitzers sei nicht bekannt und - mangels geeigneter Hinweise am Abfall - auch nicht durch Ermittlungen der Behörde ausforschbar. Der Abfallbesitzer habe daher nicht zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes verhalten werden können.
Da derjenige, der die Abfälle widerrechtlich abgelagert habe, nicht feststellbar sei, sei der beschwerdeführenden Partei als Liegenschaftseigentümerin gemäß § 32 Abs. 2 AWG der Behandlungsauftrag zu erteilen. Die beschwerdeführende Partei habe gemäß § 18 Abs. 2 AWG die ihr zumutbaren Abwehrmaßnahmen unterlassen, nämlich insbesondere die vollständige lückenlose Umschließung des Geländes, um den Zutritt nur Befugten zu gestatten, sowie die effektive Kontrolle der Eingänge des N-Geländes.
Die beschwerdeführende Partei erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. November 1998 wurde aufgrund der zu Spruchpunkt I, Z. 1 bis 5 des erstinstanzlichen Bescheides eingebrachten Berufung der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG hinsichtlich der im Spruch unter Punkt I, Z. 3 genannten 2 Autowracks und unter Punkt I, Z. 4 genannten 25 Kraftfahrzeug-Wracks sowie hinsichtlich des Punktes I, Z. 5 behoben und hinsichtlich der übrigen Punkte mit der Maßgabe bestätigt, dass die genannten gefährlichen Abfälle auf Kosten der beschwerdeführenden Partei durch Übergabe an einen gemäß § 15 AWG befugten Abfallsammler ordnungsgemäß zu entsorgen sind.
In der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides wird u. a. ausgeführt, es sei seitens der beschwerdeführenden Partei das Tatbestandsmerkmal unbestritten geblieben, dass Ablagerungen entgegen den Bestimmungen des AWG durchgeführt worden seien. Aufgrund der Stellungnahme des Amtssachverständigen für Abfallwirtschaft vom 2. Jänner 1998 stehe fest, dass sämtliche im Spruch unter Punkt I genannten Abfälle gemäß der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle als gefährliche Abfälle bzw. Altöl einzustufen seien. Die im Spruch unter Punkt I genannten Abfälle würden auch aufgrund der nunmehr geltenden Festsetzungsverordnung 1997 gefährliche Abfälle darstellen.
Bezüglich der im Spruch unter Punkt I, Z. 3 und 4 genannten Kraftfahrzeug-Wracks - so die Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - hätte die Behörde ermitteln müssen, ob über die Prüfplakette oder die eingestanzte Motor oder Fahrgestellnummer die ehemaligen Zulassungsbesitzer ausforschbar seien und dadurch die gemäß § 32 Abs. 1 AWG Verpflichteten feststellbar seien oder nicht. Im Zuge der von der belangten Behörde durchgeführten ergänzenden Ermittlungen sei durch Erhebungen am 8. Mai 1998 festgestellt worden, dass alle im Bescheid unter Punkt I, Z. 3 und 4 genannten Wracks, außer einem roten LKW mit der Kennzeichennummer M..... und der Fahrgestellnummer ....., bereits entfernt worden seien, Bezüglich der bereits entfernten Kraftfahrzeug-Wracks könne daher nicht mehr eruiert werden, ob bei diesen durch eine Kennzeichentafel oder eine eingestanzte Motor- oder Fahrgestellnummer der ehemalige bzw. aktuelle Zulassungsbesitzer und dadurch der als zurücklassender Abfallbesitzer Verpflichtete im Sinne des § 32 Abs. 1 AWG von der Behörde erster Instanz festgestellt werden hätte können. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher bezüglich dieser Kraftfahrzeug-Wracks zu beheben gewesen.
Bezüglich des noch vorhandenen Kraftfahrzeug-Wracks stehe aufgrund der Ermittlungen der belangten Behörde fest, dass dieses über eine Kennzeichentafel und eine Fahrgestellnummer verfüge und der Zulassungsbesitzer daher festgestellt werden könne. Die Behörde erster Instanz hätte daher primär diesem die ordnungsgemäße Entsorgung auftragen müssen. Der erstinstanzliche Bescheid sei daher auch bezüglich des noch vorhandenen Kraftfahrzeug-Wracks zu beheben gewesen.
Zu Spruchpunkt I Z. 5 des erstinstanzlichen Bescheides sei zu bemerken, dass die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 24. Februar 1998 der E Flugbetankung und Handel mit Mineralprodukten Ges.m.b.H. gemäß § 83 GewO unter Punkt 6 des Spruches aufgetragen habe, sämtliche mineralölverseuchte Einlaufschächte einer Reinigung zu unterziehen und die Ölverunreinigungen nachweislich einer Entsorgung zuzuführen. Dieser Bescheid werde laut Begründung des Bescheides der Behörde erster Instanz vom 5. November 1997 vom Bundesministerium für Inneres vollstreckt. In dieser Begründung werde auch ausgeführt, dass sich die Abfälle auf dem Gelände befänden, auf dem sich die Betriebsanlage der vorgenannten Ges.m.b.H. befinde. Da somit bezüglich der mineralölverseuchten Einlaufschächte der Verursacher von der Behörde erster Instanz festgestellt worden sei, sei eine Auftragserteilung gemäß § 32 AWG diesbezüglich gegenüber dem Eigentümer der Liegenschaft unzulässig.
Die übrigen im Spruch (Spruchpunkt I) genannten Abfälle würden jedoch keinerlei Hinweise auf ihre sie zurücklassenden Besitzer enthalten. Die Behörde habe sich bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes auch vom Grundsatz der Verfahrensökonomie leiten zu lassen. Mangels geeigneter Anhaltspunkte habe daher die Behörde erster Instanz zu Recht von weiteren diesbezüglichen Ermittlungen Abstand genommen und sei davon ausgegangen, dass die zurücklassenden Abfallbesitzer nicht feststellbar seien. Es sei daher zu prüfen, ob die beschwerdeführende Partei als Grundeigentümerin die Ablagerungen im Sinne des § 18 Abs. 2 AWG freiwillig geduldet und ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe.
Das Tatbestandsmerkmal der "freiwilligen Duldung" sei nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112, als konkludente Zustimmung zur Ablagerung im Sinne einer konkludenten Willenserklärung zu verstehen. Wie auch aus dem Verfahren vor der belangten Behörde feststehe, komme es auf der Liegenschaft der beschwerdeführenden Partei, dem N-Gelände, immer wieder zu unrechtmäßigen Ablagerungen durch Dritte. Die beschwerdeführende Partei habe von dieser Tatsache nicht nur während der gesamten Zeit der Ablagerung gewusst, sie habe auch keinerlei zusätzliche Maßnahmen getroffen, diese Ablagerungen für die Zukunft zu vermeiden. Vielmehr habe sie die unrechtmäßigen Ablagerungen durch Dritte schweigend zur Kenntnis genommen. Das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei, dass von Bediensteten des Bahnhofs "immer wieder Anzeigen an die zuständigen Behörden" bzw. "immer wieder Anzeigen an die Polizei" erstattet worden seien, sei nicht hinreichend, weil die Polizei nicht die für Behandlungsaufträge zuständige Behörde sei, und es sei auch nicht näher ausgeführt worden, welche konkreten Anzeigen an welche Dienststellen der Polizei erstattet worden seien. Aufgrund einer Anfrage an die für Behandlungsaufträge zuständige Behörde erster Instanz stehe fest, dass die beschwerdeführende Partei bezüglich der im erstinstanzlichen Bescheid genannten Abfälle keine Anzeige an die Behörde erster Instanz erstattet habe. Diesem Verhalten könne im Hinblick auf § 863 ABGB kein anderer Erklärungswert, als der der "freiwilligen Duldung" beigemessen werden.
Aufgrund der immer wiederkehrenden Ablagerungen von Abfällen stehe fest, dass die von der beschwerdeführenden Partei getroffenen Maßnahmen zur Abwehr offensichtlich nicht ausreichend und nicht effizient seien. Die beschwerdeführende Partei habe in der Berufung vorgebracht, dass ein Torposten zur Bewachung des Geländes eingesetzt werde. Eine intensivere Bewachung des Geländes und der Einfahrt sei aus Gründen mangelnder Personalkapazität und der enormen Kosten nicht vertretbar. Dazu sei auszuführen, dass schon in dem an die beschwerdeführende Partei gerichteten, rechtskräftigen Bescheid vom 7. Dezember 1995 festgestellt worden sei, dass eine Kontrolle sämtlicher die Einfahrt passierender Personen und der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge nach ihrer Berechtigung zum Betreten und Befahren des Geländes sowie der mitgeführten Abfälle zumutbar sei. Die Tatsache, dass die bisher durchgeführte Kontrolle nicht ausreichend sei, sei somit der beschwerdeführenden Partei schon seit Jahren bekannt. Trotzdem seien keine zielführenden Maßnahmen, wie verstärkte Kontrollen, getroffen worden, die eine Ablagerung von Abfällen in einer derart großen Menge verhindert hätten. Da die beschwerdeführende Partei somit die gegenständlichen Ablagerungen freiwillig geduldet und ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrte die beschwerdeführende Partei die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides. Sie macht insbesondere geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten dadurch verletzt worden zu sein, dass ihr ohne Vorliegen der hiezu erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 1 und 2 AWG aufgetragen worden sei, auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft befindliche Abfälle zu entfernen und zu entsorgen. Die beschwerdeführende Partei sei sohin in ihrem Recht, nicht zur Entsorgung von Abfällen gemäß den §§ 18 Abs. 2 und 32 Abs. 2 AWG verhalten zu werden, verletzt worden.
Die belangte Behörde beantragte in der erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, dass die im Beschwerdefall zu behandelnden Abfälle solche sind, die dem AWG (des Bundes) unterliegen.
§ 18 Abs. 2 AWG, BGBl. Nr. 325/1990, lautet:
"Nach Maßgabe des § 32 hat der Liegenschaftseigentümer, auf dessen Grundstück gefährliche Abfälle und Altöle widerrechtlich zurückgelassen wurden, diese, wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet hat und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat, auf seine Kosten gemäß § 17 zu entsorgen. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten."
§ 32 Abs. 1 und 2 AWG (hinsichtlich des Abs. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 151/1998) lauten:
"(1) Werden Problemstoffe nicht gemäß § 12 gelagert oder entsorgt, werden andere Abfälle - soweit für diese Abfälle Bestimmungen hinsichtlich Sammlung, Lagerung, Behandlung und Transport in diesem Bundesgesetz vorgesehen sind - oder Altöle nicht gemäß den §§ 16 bis 18 entsorgt oder werden sie entgegen den §§ 19, 20 und §§ 28 bis 30 befördert, gelagert oder behandelt oder ist die schadlose Behandlung der Abfälle oder Altöle und des durch sie verunreinigten Bodens zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 geboten, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Dies gilt sinngemäß in den Fällen des § 37 Abs. 3 für die unverzügliche Wegbringung vom Arbeitsplatz des Zollamtes.
(2) Ist der gemäß Abs. 1 Verpflichtete nicht feststellbar, zur Entsorgung rechtlich nicht imstande oder kann er aus sonstigen Gründen dazu nicht verhalten werden, so ist der Auftrag unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 und 4 dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die im Abs. 1 genannten Abfälle befinden, zu erteilen; dessen Ersatzansprüche gegen den gemäß Abs. 1 Verpflichteten bleiben unberührt."
Die beschwerdeführende Partei wendet ein, es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die beschwerdeführende Partei der Ablagerung von Abfällen im Sinne des § 18 Abs. 2 AWG ausdrücklich zugestimmt hätte. Auch die belangte Behörde nehme eine solche Zustimmung nicht an. Die freiwillige Duldung der Ablagerungen erblicke die belangte Behörde lediglich darin, dass die beschwerdeführende Partei in Kenntnis der allgemeinen Tatsache, dass es immer wieder zu unrechtmäßigen Ablagerungen durch unbekannte Dritte gekommen sei, keine zusätzlichen Abwehrmaßnahmen getroffen habe, und werte dies als stillschweigende Kenntnisnahme bzw. konkludente Zustimmung im Sinne des § 863 ABGB.
Dem sei - so die beschwerdeführende Partei weiter - entgegenzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung im Sinne des § 863 ABGB gelte, sondern es dürfe nach Überlegung aller Umstände kein vernünftiger Grund verbleiben, am Vorliegen und am Inhalt einer Willenserklärung zu zweifeln. Dies sei aber gerade im Beschwerdefall nicht gegeben:
Eine freiwillige Duldung von Ablagerungen im Sinne einer konkludenten Zustimmung sei überhaupt nur denkbar, wenn der Liegenschaftseigentümer (spätestens im Zeitpunkt der Ablagerung) wisse, wann, wo, durch wen und welche Abfälle konkret gelagert würden. Im vorliegenden Fall habe die beschwerdeführende Partei aber immer erst nachträglich erfahren, dass Ablagerungen vorgenommen worden seien, wo diese vorgenommen und welche Abfälle konkret abgelagert worden seien. Wann genau und durch wen dies geschehen sei, entziehe sich bislang der Kenntnis der beschwerdeführenden Partei. Die von der belangten Behörde angenommene bloß allgemeine Kenntnis, dass Ablagerungen durch Personen vorgenommen worden seien, reiche daher schon grundsätzlich nicht aus, der beschwerdeführenden Partei eine freiwillige Duldung zu unterstellen.
Aber auch eine konkrete Kenntnis - so die beschwerdeführende Partei weiter - von allen zuvor genannten Umständen, insbesondere von der Person des Ablagerers, wäre nicht ausreichend, weil die Voraussetzungen für einen Behandlungsauftrag nicht erfüllt seien, wenn dem Grundeigentümer die Ablagerungen bloß bekannt gewesen seien, weil dies noch nicht die Schlussfolgerung zulasse, dass er diesen Vorgang im Sinne einer konkludenten Zustimmung freiwillig geduldet habe. Eine solche Schlussfolgerung würde zusätzliche Anhaltspunkte erfordern, welche aber nicht vorlägen.
Im Hinblick auf die von der beschwerdeführenden Partei getroffenen, auch für die Ablagerer erkennbaren Abwehrmaßnahmen (insbesondere Einfriedung des Geländes, Abgrenzung zu den angrenzenden Straßen durch Panzersperren, Sperre der Tore und Zufahrten außerhalb der Zulieferzeiten, Bewachung des Geländes, Aufschüttung von Erdwällen) entbehre eine solche Annahme sogar jeder Grundlage und sei gerade evident, dass die beschwerdeführende Partei keinesfalls mit Ablagerungen durch dritte Personen einverstanden sei. In diesem Zusammenhang sei es auch unerheblich, dass die "Polizei" nicht die zur Erteilung von Behandlungsaufträgen zuständige Behörde sei, weil die von der beschwerdeführenden Partei erstatteten Anzeigen nicht den Zweck gehabt hätten, einen Behandlungsauftrag zu erwirken, sondern die Täter einer Strafverfolgung zuzuführen, und es sei die "Polizei" zur Weiterleitung von Anzeigen an die zuständige Strafverfolgungsbehörde verpflichtet. Auch daraus, dass die beschwerdeführende Partei bestrebt sei, die Bestrafung der Täter zu erwirken, folge unzweifelhaft, dass sie die Ablagerungen nicht freiwillig dulde.
Bereits mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei das Vorliegen einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:
§ 18 Abs. 2 AWG normiert u.a. als Voraussetzung für die subsidiäre Haftung des Liegenschaftseigentümers die "freiwillige Duldung" der Ablagerung und die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen als unabhängig nebeneinander bestehende Tatbestandselemente, die kumulativ vorliegen müssen, soll der Liegenschaftseigentümer zur Haftung herangezogen werden können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0055). Damit verbietet sich aber eine Deutung des § 18 Abs. 2 AWG in dem Sinne, dass eine freiwillige Duldung immer dann vorliegt, wenn vom Liegenschaftseigentümer keine wirksamen Abwehrmaßnahmen gegen eine Lagerung ergriffen werden, da ansonsten das als selbständiges Tatbestandselement formulierte Kriterium der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen überflüssig wäre (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112).
Gegen die Möglichkeit der Deutung der "freiwilligen Duldung" als bloße - nicht den Grad einer konkludenten Willenserklärung (Zustimmung) erreichende - Hinnahme der Ablagerung von Abfällen, sprechen ebenfalls mehrere Gründe. Eine solche Interpretation würde bedeuten, dass die bloße - unbeeinspruchte - Kenntnis des Liegenschaftseigentümers von der Ablagerung eine freiwillige Duldung darstellen würde. Dass eine bloße Kenntnis des Liegenschaftseigentümers von einer Ablagerung aber nicht das Tatbestandselement der freiwilligen Duldung erfüllt, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 30. August 1994, Zl. 94/05/0055, ausgesprochen. Überdies wäre bei einer solchen Interpretation unverständlich, welche Bedeutung die ausdrückliche Anführung der Zustimmung in § 18 Abs. 2 AWG haben sollte, da die Fälle der Zustimmung ohnedies unter einen derart weit verstandenen Begriff der freiwilligen Duldung fielen. Der Begriff der "freiwilligen Duldung" ist daher als konkludente Zustimmung zur Ablagerung zu verstehen (vgl. zu dem Ganzen das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112).
Ferner muss sich nach § 18 Abs. 2 AWG die Zustimmung oder die "freiwillige Duldung" auf eine Ablagerung beziehen.
Es liegen - wie die beschwerdeführende Partei zutreffend ausführt - keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die beschwerdeführende Partei den gegenständlichen Ablagerungen zugestimmt hätte. Auch die belangte Behörde geht nicht davon aus, dass etwa eine solche Zustimmung vorgelegen wäre.
Es ist daher zu prüfen, ob eine "freiwillige Duldung" im Sinne einer konkludenten Zustimmung der beschwerdeführenden Partei zu den erfolgten Ablagerungen im Lichte der vorzitierten hg. Judikatur vorgelegen ist.
Bereits durch die von der beschwerdeführenden Partei dargelegten Maßnahmen zum Schutz ihrer Liegenschaft (Einfriedung des Geländes, Panzersperren, Sperre der Tore und Zufahrten zu bestimmten Zeiten, Bewachung des Geländes, Aufschüttung von Erdwällen), welche von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt, jedoch als zu geringe Abwehrmaßnahmen hinsichtlich der illegal erfolgten Ablagerungen von Abfällen qualifiziert werden, wird hinreichend nach außen - für jedermann erkennbar - deutlich gemacht, dass die beschwerdeführende Partei der Ablagerung von Abfällen auf dem gegenständlichen Grundstück nicht konkludent zugestimmt hat.
Fehlt es aber bereits am (kumulativ erforderlichen) Tatbestandselement einer "freiwilligen Duldung", so fehlt es im Beschwerdefall auch an einer rechtlichen Deckung für den an die beschwerdeführende Partei als Liegenschaftseigentümerin erteilten Auftrag nach § 32 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 AWG. Aufgrund dieses Ergebnisses erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid im dargelegten Umfang wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Juni 2002
Schlagworte
Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999070023.X00Im RIS seit
18.09.2002