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L37139 Abfallabgabe Müllabgabe Sonderabfallabgabe SondermüllabgabeNorm
AWG 1990 §18 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):2001/07/0177 E 27. Juni 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. August 2001, Zl. MA 22 - 2736/01, betreffend einen Beseitigungsauftrag nach dem Wiener AWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 28. Februar 2001 wurde die beschwerdeführende Partei als Alleineigentümerin der Liegenschaft in Wien 2, Nordbahnhofgelände, unter Spruchpunkt 3) verpflichtet, gemäß § 45 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit den §§ 8 und 11 des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes (Wiener AWG), LGBl. Nr. 13/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 53/1996, binnen einem Monat ab Rechtskraft dieses Bescheides die unter Pkt 3a) bis 3f) näher umschriebenen Abfälle zu entfernen und durch Übergabe an einen gemäß § 6 Wiener AWG befugten Abfallsammler und -behandler zu entsorgen.
Die Beschwerdeführerin berief und wies darauf hin, dass es sich bei den in Rede stehenden Grundstücken um Eisenbahnanlagen handle und daher allein Bundeskompetenz gegeben sei. Auch die Beseitigung von Verunreinigungen falle in die alleinige Zuständigkeit der Eisenbahnbehörde. Eine Anwendung von Landesgesetzen auf Grundstücke, die - wie das vom vorliegenden Auftrag betroffene Grundstück - Eisenbahnanlagen nach § 10 des Eisenbahngesetzes 1957 seien, komme nicht in Betracht.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 24. August 2001 wies die belangte Behörde unter Abänderung des unter Spruchpunkt 3f erteilten Auftrages die gegen Spruchpunkt 3 des Bescheides erster Instanz erhobene Berufung der beschwerdeführenden Partei gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Dies wurde nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesbestimmungen damit begründet, dass dem Berufungsvorbringen hinsichtlich der alleinigen Bundeskompetenz für Eisenbahnanlagen entgegen zu halten sei, dass eine Eisenbahnanlage nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vorliege, wenn sie mit dem Eisenbahnbetrieb oder dem Eisenbahnverkehr in einem solchen Zusammenhang stehe, dass ohne diese ein geordneter Eisenbahnbetrieb oder Eisenbahnverkehr nicht möglich sei. Die Beschwerdeführerin behaupte lediglich, das Gelände des Nordbahnhofes sei eine Eisenbahnanlage gemäß § 10 des Bundesgesetzes vom 13. Februar 1957 über das Eisenbahnwesen (Eisenbahngesetz 1957), BGBl. Nr. 60 in der geltenden Fassung. Es werde aber nicht dargelegt, welchen Zweck die Grundstücksflächen, auf denen derzeit die gegenständlichen Abfälle abgelagert seien, eigentlich für die Abwicklung oder Sicherung des Eisenbahnbetriebes oder Eisenbahnverkehrs erfüllen sollten. Auch sei der erkennenden Behörde sonst nicht ersichtlich, dass diese Flächen, die mit großen Mengen nicht gefährlicher Abfälle quasi zugeschüttet und daher in diesem Zustand jeder anderen Nutzung unzugänglich seien, Grundstücksteile sein sollten, "ohne die ein geordneter Bahnbetrieb nicht möglich sei".
Aber selbst wenn diese Grundstücksteile als Eisenbahnanlage zu qualifizieren wären, gehe das Argument der Nichtanwendbarkeit des Wiener AWG deshalb ins Leere, weil nach Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG der Bund in Gesetzgebung und Vollziehung u.a. für "das Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen ..." und gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG für die Abfallwirtschaft hinsichtlich gefährlicher Abfälle, hinsichtlich anderer Abfälle nur soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden sei, zuständig sei. Nach Art. 15 B-VG verbleibe eine Angelegenheit, soweit sie nicht ausdrücklich durch die Bundesverfassung der Gesetzgebung oder auch der Vollziehung des Bundes übertragen sei, im selbstständigen Wirkungsbereich der Länder. Soweit der Bund hinsichtlich der nicht gefährlichen Abfälle seine Bedarfskompetenz nicht in Anspruch genommen habe, seien auf Grund der zuletzt genannten Kompetenzbestimmung die Länder zur Regelung der Abfallwirtschaft hinsichtlich dieser Abfälle zuständig. Unbestritten sei der Wiener Landesgesetzgeber zur Erlassung der Bestimmung des § 45 Wiener AWG zuständig gewesen. Die Beschwerdeführerin bestreite jedoch die Anwendbarkeit dieser Bestimmungen auf Eisenbahnanlagen. Dem sei entgegen zu halten, dass eine derartige Verdrängung der Länderkompetenz nur dann in Betracht komme, wenn in Anwendung der so genannten "Versteinerungstheorie" nachgewiesen werden könne, dass das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Kompetenzbestimmungen des B-VG (1. Oktober 1925) geltende unterverfassungsrechtliche Eisenbahnrecht auch Regelungen über die Ablagerung und Beseitigung von Abfällen auf Eisenbahnanlagen getroffen habe.
Betrachte man die im Versteinerungszeitpunkt geltenden Verordnungen betreffend Eisenbahnen näher, so ergebe sich, dass diese nur eisenbahntechnische und feuerpolizeiliche Vorschriften sowie Regelungen für den sicheren Betrieb von Eisenbahnen, nicht jedoch Regelungen über die Ablagerung und Beseitigung von Abfällen auf Eisenbahnanlagen enthalten hätten. Eisenbahnanlagen könnten daher nach der "Gesichtspunktetheorie" im Hinblick auf die Abfallwirtschaft landesgesetzlichen Regelungen unterworfen werden und sei § 45 Wiener AWG im gegenständlichen Fall sehr wohl anzuwenden.
Das Tatbestandsmerkmal der unbefugten Ablagerung durch unbekannte Dritte sei unbestritten. Zur Tatsache, dass nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ein Teil der von ihm erfassten Abfälle beseitigt worden sei, sei festzuhalten, dass in der mittlerweile erfolgten Entfernung eines Teiles von Abfällen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine von der Berufungsbehörde zu beachtende Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes zu erblicken sei. Es sei daher weiters zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der Liegenschaft dem rechtswidrigen Verhalten im Sinn des § 45 Abs. 3 erster Satz Wiener AWG zugestimmt oder es geduldet oder ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe, da nur bei Vorliegen einer dieser Voraussetzungen der Auftrag an die Beschwerdeführerin adressiert werden dürfte.
Der Begriff der "Duldung" des § 45 Abs. 3 erster Satz Wiener AWG sei nach Auffassung der belangten Behörde als "Hinnehmen eines Zustandes" zu interpretieren. Das Vorliegen illegaler Ablagerungen von Abfällen auf dem Nordbahnhofgelände sei auf Grund zahlreicher Überprüfungen des Nordbahnhofgeländes durch den Magistrat der Stadt Wien und das damalige Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie seit dem Jahr 1993 amtsbekannt. Weiters sei aktenkundig und amtsbekannt, dass bei den zahlreichen behördlichen Kontrollen des Nordbahnhofgeländes während der Tageszeit die Tore bei den Zufahrtsstraßen immer offen vorgefunden worden und das Ein- und Ausfahren ohne jegliche Kontrolle möglich gewesen sei. Ebenso wenig seien bei den Kontrollen jemals Wachposten vorgefunden worden. Auch die Überprüfung des Nordbahnhofgeländes im Zuge des gegenständlichen Verfahrens habe kein anderes Ergebnis gebracht. Der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft halte in seinen Berichten vom 31. Jänner 2001 und 30. Juli 2001 über seine Erhebungen am Nordbahnhofgelände fest, dass das Befahren dieses Areals nach wie vor ungehindert möglich sei. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Dass die Beschwerdeführerin die Ablagerung von Abfällen auf ihrer Liegenschaft hinnehme, könne wohl nicht bestritten werden; die Beschwerdeführerin habe bereits in früheren Verfahren vorgebracht, sie habe gegen die unbekannten Verursacher der Ablagerungen Anzeige erstattet. Trotz dieser behaupteten Anzeigen habe sich am bestehenden Zustand auf dem Nordbahnhofgelände nichts geändert. Die Beschwerdeführerin habe nicht davon ausgehen können, dass sich potenzielle Ablagerer durch diese Anzeigen abschrecken lassen würden. Die Beschwerdeführerin habe die rechtswidrigen Ablagerungen somit geduldet und es habe die Behörde erster Instanz zu Recht den Behandlungsauftrag an die Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin erteilt. Angemerkt sei, dass anders als § 18 Abs. 2 AWG der § 45 Abs. 3 Wiener AWG die Voraussetzung der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen als alternative Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Auftrages an den Liegenschaftseigentümer aufzähle und daher bei Vorliegen der Duldung die Frage der Unterlassung solcher Maßnahmen nicht weiter geprüft werden müsse.
Dennoch werde festgehalten, dass auch dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt sei, weil eine im gegenständlichen Fall mögliche und notwendige Maßnahme, nämlich die Kontrolle einfahrender Fahrzeuge und der die Liegenschaft über die Einfahrtstore betretenden Personen, von der Beschwerdeführerin nicht ergriffen worden sei. Bei zahlreichen vergleichbar großen Liegenschaften, wie z.B. dem Zollwarengelände der Wiener Hafen GesmbH. im 2. Wiener Gemeindebezirk funktioniere die Kontrolle der die Einfahrten passierenden Personen und der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge nach ihrer Berechtigung zum Betreten und Befahren des Geländes einwandfrei, obwohl dort ebenfalls zahlreiche Unternehmen angesiedelt seien. Mit Rücksicht darauf, dass die Beschwerdeführerin durch die bestehenden zahlreichen Bestandverträge aus dem Liegenschaftseigentum auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehe, weiters darauf, dass sie schon auf Grund des Eisenbahngesetzes als Eisenbahnunternehmer zur Absicherung von Eisenbahnanlagen verpflichtet sei und daher davon auszugehen sei, dass ein Kontrollapparat bereits eingerichtet sei und die Einfahrtskontrolle am Nordbahnhofgelände in Bezug auf das gesamte Schienennetz wohl nicht wesentlich ins Gewicht falle und im Hinblick auf das Ausmaß der illegalen Ablagerung von Abfällen, sei einem großen Unternehmen wie den Österreichischen Bundesbahnen diese Kontrolle einfahrender Fahrzeuge und die Einfahrten passierender Personen während der Öffnungszeiten durchaus zumutbar. Die Beschwerdeführerin habe es somit unterlassen, alle zumutbaren Abwehrmaßnahmen zu setzen.
Der Spruchpunkt 3f des angefochtenen Bescheides sei abzuändern gewesen, weil die erstinstanzliche Behörde offenbar irrtümlich den laut Stellungnahme des Sachverständigen für Abfallwirtschaft vom 31. Jänner 2001 als Punkt 6 des Lageplanes ausgewiesenen Ablagerungsort des Sperrmülls (5 m3) im Bescheid als Punkt 27 des Lageplanes bezeichnet habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Partei die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides. Sie macht insbesondere geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten dadurch verletzt worden zu sein, dass ihr ohne Vorliegen der hiezu erforderlichen Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 3 des Wiener AWG aufgetragen worden sei, auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft befindliche Abfälle zu entfernen und zu entsorgen. Sie sei in ihrem Recht, nicht zur Entsorgung von Abfällen gemäß § 45 Abs. 3 Wiener AWG verhalten zu werden, verletzt worden.
Die belangte Behörde beantragte in der erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
In der Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin geltend, es verliefen über das gegenständliche Grundstück des Nordbahnhofgeländes zahlreiche Gleisanlagen und es finde daher unmittelbar auf diesem Grundstück der Eisenbahnbetrieb und der Eisenbahnverkehr statt, sodass kein Zweifel daran bestehen könne, dass das Grundstück "zumindest teilweise" der Abwicklung des Eisenbahnbetriebes und des Eisenbahnverkehrs diene und damit eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 Eisenbahngesetz 1957 darstelle. Dass die Grundfläche mit Abfällen quasi zugeschüttet und daher in diesem Zustand jeder anderen Nutzung unzugänglich sei, sei nicht hervor gekommen und es sei auch aus dem oben genannten Lageplan ersichtlich, dass die Abfälle nur an bestimmten (im Plan gekennzeichneten) Stellen lägen, welche sich durchaus auch neben den Gleisanlagen befänden. Da sich auf dem betreffenden Grundstück Gleisanlagen befänden, liege es entgegen der Auffassung der belangten Behörde auch auf der Hand, dass ohne dieses Grundstück ein geordneter Bahnbetrieb nicht möglich sei. Unabhängig davon würden Bahnhöfe jedenfalls als Eisenbahnanlagen angesehen. Sei aber das gegenständliche Grundstück als Eisenbahnanlage zu qualifizieren, bestehe diesbezüglich entgegen den Ausführungen der belangten Behörde eine ausschließliche Zuständigkeit des Bundes auch in Angelegenheiten des Umweltschutzes. Dem stehe auch nicht entgegen, dass am 1. Oktober 1925 das unterverfassungsgesetzliche Eisenbahnrecht keine Regelungen über die Ablagerung und Beseitigung von Abfällen auf Eisenbahnanlagen enthalten habe. Da Abfälle auf Eisenbahnanlagen auch und vor allem den Eisenbahnbetrieb und - verkehr beeinträchtigen und gefährden könnten, lägen Regelungen über die Ablagerung und Beseitigung von Abfällen auf Eisenbahnanlagen gerade im Interesse des Eisenbahnbetriebes und - verkehrs und stellten demnach eine Angelegenheit des Verkehrswesens bezüglich der Eisenbahnen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG dar. Für die gegenständliche Angelegenheit sei daher die Eisenbahnbehörde zuständig gewesen, welche aber gemäß § 12 Abs. 3 Eisenbahngesetz 1957 der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie bzw. - im Falle einer Ermächtigung gemäß § 12 Abs. 4 Eisenbahngesetz 1957 - der Landeshauptmann in erster und letzter Instanz sei. Im vorliegenden Fall sei daher eine unzuständige Behörde - überdies im kompetenzrechtlich falschen Vollzugsbereich - eingeschritten.
Es kann im vorliegenden Fall aber dahin stehen, ob das gegenständliche Grundstück eine Eisenbahnanlage im Sinne des § 10 Eisenbahngesetzes 1957 ist oder nicht. Wie die belangte Behörde nämlich im Ergebnis richtig erkannt hat, stünde selbst eine solche Qualifizierung der Geltung abfallrechtlicher Vorschriften, hier:
des Wiener Abfallwirtschaftsgesetzes, auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin nicht entgegen.
Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung war das Abfallrecht - wie auch sonst das Umweltrecht - ursprünglich nach dem Annexprinzip auf eine Reihe von verschiedenen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder aufgeteilt. Es gab keine speziellen, "Abfall" namentlich benennenden Kompetenztatbestände; Abfall war als Querschnittmaterie Anhängsel von einzelnen, im Kompetenzkatalog des B-VG aufgezählten Bundeszuständigkeiten, der Rest blieb den Ländern überlassen. Die B-VG-Novelle 1988, BGBl. Nr. 685, brachte eine neue kompetenzrechtliche Situation. Der Bund erhielt eine umfassende Zuständigkeit zur Regelung der Abfallwirtschaft hinsichtlich der gefährlichen Abfälle und eine Bedarfskompetenz bei den nicht gefährlichen Abfällen. Für die letztgenannten Abfälle blieben die Länder zuständig, der Bund kann nach Art. 10. Abs. 1 Z. 12 B-VG jedoch Regelungen auch für nicht gefährliche Abfälle erlassen, soweit ein Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften vorhanden ist.
Mit dieser Kompetenzänderung wurde die Grundlage für ein neues Abfallwirtschaftsrecht des Bundes geschaffen, welches frei von Bindungen an einzelne Hauptmaterien ist und nunmehr einen selbstständigen Kompetenztatbestand bildet; auf diesem Kompetenztatbestand beruht das Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. Nr. 325/1990.
Wenn nun die Beschwerdeführerin vorbringt, Abfälle würden auch und vor allem den Eisenbahnbetrieb und -verkehr gefährden, weshalb Regelungen über die Ablagerung und Beseitigung von Abfällen auf Eisenbahnanlagen gerade im Interesse des Eisenbahnbetriebs und -verkehrs lägen und demnach eine Angelegenheit des Verkehrswesen bezüglich der Eisenbahnen im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG darstellten, so geht sie unverändert vom Konzept eines Annexes abfallrechtlicher Regelungen zum letztgenannten Kompetenztatbestand aus. Wie dargestellt, besteht dieses Konzept im Bereich der Abfallwirtschaft aber seit der B-VG-Novelle 1988 nicht mehr.
Dieses Ziel, nämlich das Abgehen vom Annexcharakter des Abfallrechtes, ist schon dem Motivenbericht zu dieser Novelle zu entnehmen (vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, 817 BlgNR XXVII GP, S.2). Diese Ansicht hat schließlich auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 6. März 1992, G 231/91, VfSlg 13019, ausdrücklich vertreten und ausgesprochen, dass der Verfassungsgesetzgeber "insbesondere den Annexcharakter des Abfallbeseitigungsrechtes aufgegeben hat." Auf Art. 10 Abs. 1 Z. 9 B-VG kann eine Kompetenz zur annexweisen Regelung der abfallrechtlicher Vorschriften daher nicht (mehr) gestützt werden. Dies gilt auch für die im Bereich der Landeskompetenz verbliebenen Regelungen über nicht gefährliche Abfälle; auch hier gilt das Annexprinzip nicht mehr (vgl. dazu nochmals das zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 6. März 1992). Dem Landesgesetzgeber steht daher nach Art. 15 B-VG die Schaffung von Vorschriften hinsichtlich nicht gefährlicher Abfälle, mit Ausnahme der Angelegenheiten, in denen der Bund von seiner Bedarfsgesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht hat, zu. Regelungen dieser Art gehen als leges speciales bzw. leges posteriores allfällig bestanden habenden Regelungen über die Abfallwirtschaft nicht gefährlicher Abfälle in anderen Landes- oder Bundesgesetzen vor (vgl. dazu auch das zum oberösterreichischen AWG und zum Eisenbahnrecht ergangene hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1993, Zl. 92/05/0297). Das Wiener AWG, das nach Maßgabe der erwähnten Kompetenzbestimmung des B-VG erlassen wurde, ist daher im Rahmen seines Geltungsbereiches auch im Bereich von Eisenbahnanlagen anzuwenden.
Mit der von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtswidrigkeit "wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde" - gemeint war eine inhaltliche Rechtswidrigkeit, die in der von der belangten Behörde nicht erkannten Unzuständigkeit der Behörde erster Instanz gelegen wäre -, ist der angefochtene Bescheid daher nicht belastet.
Im Beschwerdefall wird nicht bestritten, dass die vom gegenständlichen Beseitigungsauftrag erfassten Ablagerungen solche sind, die dem Wiener AWG unterliegen. In der Sache selbst bestreitet die Beschwerdeführerin aber sowohl die Duldung dieser Ablagerungen als auch die Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen.
Gemäß § 45 Abs. 2 des Wiener AWG, LGBl. Nr. 13/1994, hat der Magistrat demjenigen, der Abfälle entgegen den Bestimmungen dieses Gesetzes verwertet, sammelt, abführt, lagert oder ablagert, die zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes erforderlichen Maßnahmen aufzutragen.
Kann der Verpflichtete gemäß Abs. 2 nicht zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes verhalten werden, so ist der Auftrag dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der Abfälle verwertet, gesammelt, gelagert oder abgelagert werden, nach § 45 Abs. 3 des Wiener AWG zu erteilen, wenn der Liegenschaftseigentümer diesem rechtswidrigen Verhalten zugestimmt oder es geduldet oder ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat; dessen Ersatzansprüche gegen den Verpflichteten (Abs. 2) bleiben unberührt. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten.
Nach § 1 Abs. 2 des Wiener AWG sind Abfälle im öffentlichen Interesse so zu entsorgen, dass
1. das Leben, die Gesundheit und Sicherheit von Menschen nicht gefährdet und deren Wohlbefinden insbesondere durch Lärm, Geruch oder Erschütterungen nicht beeinträchtigt werden,
2. schädliche oder nachteilige Einwirkungen auf Tiere und Pflanzen, deren Lebensgrundlagen und deren natürliche Umwelt unter Berücksichtigung des Standes der Technik minimiert werden,
3. Gewässer, Luft und Boden nicht über das nach dem Stand der Technik unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden,
4. das Orts-, Straßen- und Landschaftsbild so gering wie möglich beeinträchtigt werden und
5. die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht gestört werden.
Nach § 11 des Wiener AWG hat jeder Abfallbesitzer Abfälle entsprechend den Möglichkeiten einer weiteren Verwendung, Verwertung und Behandlung getrennt zu halten. Verwertbare Abfälle sind nach Maßgabe der §§ 12 und 13 einer zulässigen Verwertung zuzuführen, sofern Bestimmungen des Bundes, insbesondere des Abfallwirtschaftsgesetzes - AWG und der dazu erlassenen Verordnungen, nicht entgegenstehen. Besitzer jener Altstoffe, die über die öffentliche Altstoffsammlung entsorgt werden (§ 4 Abs. 12) können diese Abfälle auch in die hiefür bereitgestellten Sammelbehälter einbringen.
Gemäß § 15 des Wiener AWG sind die trotz Einhaltung der Bestimmungen der §§ 12 bis 14 verbleibenden Abfälle so abzulagern, dass Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 2 vermieden werden.
Abfälle im Sinne dieses Gesetzes sind gemäß § 4 Abs. 1 des Wiener AWG bewegliche Sachen
1. deren sich der Eigentümer oder Inhaber entledigen will oder entledigt hat oder
2. deren Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentliche Interesse (§ 1 Abs. 2) geboten ist.
Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz des Wiener AWG sind vom Geltungsbereich dieses Gesetzes jene Angelegenheiten ausgenommen, die der Gesetzgebung des Bundes vorbehalten sind sowie jene Angelegenheiten, in denen er Bund von seiner Bedarfsgesetzgebungskompetenz gemäß Art. 10 Abs. 1 Z. 12 B-VG Gebrauch gemacht hat.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass die beschwerdeführende Partei in Hinblick auf die Ablagerung von dem Wiener AWG unterliegenden Abfällen nicht sämtliche ihr zumutbaren Abwehrmaßnahmen getroffen habe, weshalb die Voraussetzungen für die Erteilung eines Auftrags nach § 45 Abs. 3 des Wiener AWG vorlägen. Diese Beurteilung kann aus nachstehenden Gründen nicht als rechtswidrig erkannt werden:
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass bei einem Gelände dieser Größe trotz verschiedener von der beschwerdeführenden Partei getroffener Maßnahmen (Erdwälle, Panzersperren etc.) eine adäquate Bewachung schwierig und kostenaufwändig ist. Dennoch ist die nur von einer Person durchgeführte Kontrolltätigkeit - wie sie von der beschwerdeführenden Partei im das gleiche Gelände betreffenden Beschwerdefall, der mit hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 99/07/0022, entschieden wurde, selbst dargestellt wird - im Hinblick auf die - jedenfalls während der Werktage bestehenden - verschiedenen freien Zufahrtsmöglichkeiten zu dem Gelände trotz anderer baulicher und organisatorischer Maßnahmen (z.B. Panzersperren, Erdwälle, Verpflichtung der Benützer zum Absperren von verschiedenen Zufahrtstoren) nicht als ausreichend anzusehen, um die Ablagerung von Abfällen hintanzuhalten. Trotz der von der beschwerdeführenden Partei ins Treffen geführten, jedoch nicht näher spezifizierten Kosten für zusätzliche Kontrollmaßnahmen hat die beschwerdeführende Partei nicht dargetan, dass angesichts der Größe der gegenständlichen Liegenschaft und der notorischen Größe des Betriebs zusätzliche Abwehrmaßnahmen zur Verhinderung der nicht zulässigen Ablagerung von Abfällen auf dem gegenständlichen Gelände für die beschwerdeführende Partei unzumutbar gewesen wären.
Wie die belangte Behörde aufzeigt, wurde die beschwerdeführende Partei bereits im Jahre 1995 im Zuge eines abfallrechtlichen Verfahrens auf die Notwendigkeit verstärkter Kontrollen bezüglich des Zutritts und Verlassens der gegenständlichen Liegenschaft hingewiesen, um illegale Ablagerungen von Abfall auf ihrem Grundstück zu vermeiden. Die beschwerdeführende Partei behauptet auch selbst nicht, die diesbezüglichen Kontrollen seither etwa verstärkt zu haben. Damit ist aber offensichtlich, dass der beschwerdeführenden Partei zu Recht von der belangten Behörde vorgeworfen wurde, zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen zu haben.
Nach dem klaren Wortlaut des § 45 Abs. 3 des Wiener AWG (arg.: "oder ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat") genügt es für eine Auftragserteilung an den Liegenschaftseigentümer bereits, wenn dem Eigentümer vorgeworfen werden kann, ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen zu haben. Es erübrigt sich daher, sowohl auf die Begründung der belangten Behörde als auch auf die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen hinsichtlich des alternativen Tatbestandselementes der Duldung der Ablagerungen durch die Beschwerdeführerin näher einzugehen.
Auch der Anregung der beschwerdeführenden Partei, § 45 Abs. 3 des Wiener AWG unter den Gesichtspunkt der Gleichheitswidrigkeit beim Verfassungsgerichtshof anzufechten, war nicht zu folgen, zumal der Verwaltungsgerichtshof die diesbezüglichen Bedenken nicht teilt. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. März 1988, VfSlg. Nr. 11.641, unter Verweis auf Vorjudikatur ausführt, schließt der bundesstaatliche Aufbau der Republik in Angelegenheiten, die in die Kompetenz der Länder fallen, einen Vergleich der einzelnen Regelungen unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes überhaupt aus.
Durch die Regelung des § 5 Abs. 1 erster Satz des Wiener AWG wurde ausdrücklich klargestellt, dass dieses Landesgesetz sich nur auf jene abfallrechtlichen Angelegenheiten bezieht, die in die Zuständigkeit der Länder fallen. Der aus gleichheitsrechtlichen Überlegungen von der beschwerdeführenden Partei gezogene unmittelbare Vergleich zu § 18 Abs. 2 des (Bundes-)AWG, wonach u. a. erforderlich ist, dass der Liegenschaftseigentümer "der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet hat und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat", ist im Lichte der vorstehenden verfassungsrechtlichen Judikatur nicht zulässig.
Ferner ist für den Verwaltungsgerichtshof angesichts der in § 1 Abs. 2 des Wiener AWG normierten öffentlichen Interessen, die bei der Vollziehung dieses Gesetzes zu beachten sind, nicht zu erkennen, dass der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Regelung der Inpflichtnahme von Liegenschaftseigentümern im Falle der Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen nach § 45 Abs. 3 leg. cit. überschritten hätte. Die beschwerdeführende Partei zeigt auch mit ihrer allgemeinen Behauptung, es läge auch eine Verletzung des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums eine solche Verletzung nicht auf, zumal der gesetzlich vorgesehene Eingriff in das Eigentumsrecht gerade zur Durchsetzung der im Gesetz näher genannte öffentlichen Interessen (vgl. § 1 Abs. 2 des Wiener AWG) dient.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 27. Juni 2002
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001070153.X00Im RIS seit
07.10.2002Zuletzt aktualisiert am
29.03.2019