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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AWG 1990 §18 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger, Dr. Beck, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesbahnen in W, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien I, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. August 2001, Zl. MA 22 - 2736/01, betreffend Beseitigungsauftrag nach dem AWG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 28. Februar 2001 wurde die beschwerdeführende Partei als Alleineigentümer der Liegenschaft in W, N-Gelände, unter Spruchpunkt 1) und 2) verpflichtet, gemäß § 32 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 18 Abs. 2 des Abfallwirtschaftsgesetzes (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 434/1996, binnen einem Monat ab Rechtskraft dieses Bescheides die unter Pkt 1a) bis 1h) näher umschriebenen und planmäßig bezeichneten Abfälle zu entfernen, die unter Pkt 2a) umschriebenen und planlich näher dargestellten, durch Altöl verunreinigten Bodenbereiche abtragen zu lassen und jeweils durch Übergabe an einen gemäß § 15 AWG befugten Abfallsammler - und behandler zu entsorgen.
Die Beschwerdeführerin berief und wies darauf hin, dass nach § 18 Abs. 2 AWG keine Entsorgungspflicht der Beschwerdeführerin bestehe, weil ihr weder Zustimmung noch Duldung der illegalen Müllablagerung vorgehalten werden könne. So habe sie immer wieder Anzeigen bei den zuständigen Behörden getätigt, um auf diese Müllablagerungen Dritter aufmerksam zu machen. Aus dieser Handlungsweise könne keineswegs eine Duldung oder gar Zustimmung zu den illegalen Müllablagerungen abgeleitet werden, zumal aus den Gesetzen keine Verpflichtung der Liegenschaftseigentümer hervorgehe, ihre Liegenschaften lückenlos zu verschließen und zu bewachen.
Aus den in § 32 AWG geregelten Fällen der "Nichtheranziehbarkeit" des Abfallbesitzers zur Entsorgung dürfe die Behörde nicht schon dann auf den - häufig leichter zu belangenden - Liegenschaftseigentümer greifen, wenn sie bei der Inpflichtnahme des Abfallbesitzers auf Schwierigkeiten stoße. Die Behörde müsse daher ein Ermittlungsverfahren durchführen, bevor sie den Liegenschaftseigentümer mit der Sanierung beauftrage. Dieser Verpflichtung sei, da die Ablagerungen augenscheinlich nicht von der Beschwerdeführerin stammten, die Behörde aber nicht ausreichend nachgekommen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 21. August 2001 behob die belangte Behörde auf Grund dieser Berufung Teile der nach dem AWG erteilten Entsorgungsaufträge (Spruchpunkt 1d, 1e und teilweise 1f), bestätigte die übrigen in Spruchpunkt 1) enthaltenen Aufträge des erstinstanzlichen Bescheides und formulierte den unter Spruchpunkt 2) erteilten Auftrag neu.
Dies wurde damit begründet, dass der Behörde erster Instanz kein Vorwurf zu machen sei, wenn sie mangels geeigneter Anhaltspunkte von weiteren Ermittlungen Abstand genommen habe und davon ausgegangen sei, dass jene Personen, die die Abfälle widerrechtlich abgelagert hätten, nicht feststellbar seien. Die Beschwerdeführerin habe im Rahmen des Ermittlungsverfahrens darauf hingewiesen, dass Teile der Ablagerungen bereits entfernt worden seien. In der mittlerweile erfolgten Entfernung eines Teiles der Abfälle sei aber keine von der Berufungsbehörde zu beachtende Änderung des Sachverhaltes zu erblicken.
Es sei daher weiters zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin als Grundeigentümerin den Ablagerungen im Sinne des § 18 Abs. 2 AWG zugestimmt oder sie freiwillig geduldet und ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe. Der Begriff der "freiwilligen Duldung" des § 18 Abs. 2 AWG sei nach Auffassung der belangten Behörde als "Hinnehmen eines Zustandes" zu interpretieren. Der Begriff der Zustimmung hingegen umfasse neben ausdrücklichen auch konkludente Willenserklärungen, die als finale Akte auf einen Adressaten (Erklärungsempfänger) bezogen seien, während Duldung als tatsächliches Verhalten auch dann vorliegen könne, wenn ein anderer - hier der Ablagerer - davon nichts wisse (vgl. Kerschner, RdU 1996, 76 ff). Dass mit dem Begriff der Zustimmung nicht nur ausdrückliche Willenserklärungen gemeint sein könnten, ergebe sich insbesondere aus dem Auslegungsgrundsatz, dass dort, wo sich der Gesetzgeber in einer als legistische Einheit anzusehenden Vorschrift zweier nicht synonymer Ausdrücke bediene, umgekehrt auch die von ihm damit gemeinten Begriffe nicht synonym seien. So werde im Abs. 4 des § 18 leg. cit. hinsichtlich der "Altabfälle" auf die ausdrückliche Gestattung abgestellt, im Abs. 2 dieser Bestimmung verwende der Gesetzgeber dagegen den Ausdruck "Zustimmung", woraus zu schließen sei, dass die Zustimmung im Unterschied zur ausdrücklichen Gestattung auch konkludent erfolgen könne. Verstünde man die freiwillige Duldung als eine zustimmende - wenn auch konkludente - Willenserklärung, so würde sich weiters die Frage stellen, wieso der Liegenschaftseigentümer Abwehrmaßnahmen gegen die Ablagerungen ergreifen sollte, wenn er diesen doch zugestimmt habe.
Ein weiteres Argument für das dargelegte Verständnis der freiwilligen Duldung finde sich im Grundsatz der Einheit der Rechtssprache, der es erlaube, auf den Sinngehalt gleicher oder ähnlicher Begriffe in anderen Vorschriften Bezug zu nehmen. So finde man in den §§ 62 und 72 des Wasserrechtsgesetzes 1959 diesen Begriff; nach § 62 WRG sei der Grundeigentümer von der Behörde zur Duldung von Vorarbeiten für Wasseranlagen auf seinem Grund zu verpflichten, wenn er deren Vornahme nicht gestatte. Nach § 72 WRG hätten die Eigentümer von Grundstücken und die Wasserberechtigten für die dort angeführten Zwecke das Betreten und die Benutzung ihrer Grundstücke durch Behördenorgane oder Dritte zu dulden. Mit Duldung sei in diesen Fällen ohne Zweifel nicht eine konkludente Zustimmungserklärung gemeint, sondern die faktische Unterlassung der Behinderung bzw. Verhinderung der dort vorgesehenen Maßnahmen.
Bloßes verbales Zu-Erkennen-Geben, dass der Liegenschaftseigentümer mit den Ablagerungen nicht einverstanden sei, wie z.B. das Aufstellen von Schildern, mit denen auf das Verbot des Ablagerns von Abfällen hingewiesen werde, reiche nach Auffassung der erkennenden Behörde zwar aus, um das Vorliegen einer konkludenten Zustimmung zur Ablagerung, nicht aber um auch das zur Zustimmung alternative Haftungskriterium der freiwilligen Duldung auszuschließen, weil der Liegenschaftseigentümer nicht davon ausgehen könne, dass sich potenzielle Ablagerer durch derartige Schilder abhalten ließen. Freiwillige Duldung sei nur dann nicht mehr gegeben, wenn der Liegenschaftseigentümer alle nötigen Abwehrmaßnahmen ergreife. Unterlasse er diese, sei anhand des zweiten Tatbestandsmerkmales, der "Unterlassung zumutbarer Abwehrmaßnahmen", zu prüfen, ob die nicht ergriffenen nötigen Abwehrmaßnahmen dem Liegenschaftseigentümer überhaupt zumutbar gewesen wären. Ein Liegenschaftseigentümer müsse nämlich nicht alle möglichen Abwehrmaßnahmen, jedoch alle ihm zumutbaren Abwehrmaßnahmen ergreifen.
Die Beschwerdeführerin bringe vor, sie habe durch die Erstattung von Anzeigen bei den zuständigen Behörden eine zumutbare Abwehrmaßnahme gesetzt. Dazu sei auszuführen, dass das Vorliegen illegaler Ablagerungen von Abfällen auf dem N-Gelände auf Grund zahlreicher Überprüfungen des N-Geländes durch den Magistrat der Stadt Wien und das damalige Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie seit dem Jahre 1993 amtsbekannt sei. Weiters sei aktenkundig und amtsbekannt, dass bei den zahlreichen behördlichen Kontrollen des N-Geländes während der Tageszeit die Tore bei den Zufahrtsstraßen immer offen vorgefunden worden und das Ein- und Ausfahren ohne jegliche Kontrolle möglich gewesen sei. Ebenso wenig seien bei den Kontrollen jemals Wachposten vorgefunden worden. Auch die Überprüfung des N-Geländes im Zuge des gegenständlichen Verfahrens habe kein anderes Ergebnis gebracht. Der Amtssachverständige für Abfallwirtschaft habe in seinem Bericht vom 31. Jänner 2001 und vom 30. Juli 2001 über seine Erhebungen am N-Gelände festgehalten, dass das Befahren dieses Areals nach wie vor ungehindert möglich sei. Dies werde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten.
Die Beschwerdeführerin möge zwar durch die Erstattung von Anzeigen eine Maßnahme gesetzt haben, die im gegenständlichen Fall notwendige und wirksame Maßnahme, nämlich die Kontrolle einfahrender Fahrzeuge und der die Liegenschaft über die Einfahrtstore betretenden Personen sei von ihr nicht gesetzt worden. Bei zahlreichen vergleichbar großen Liegenschaften, wie z. B. dem Zollwarengelände der Wiener Hafen GesmbH im 2. Wiener Gemeindebezirk funktioniere die Kontrolle der die Einfahrten passierenden Personen und der ein- und ausfahrenden Fahrzeuge nach ihrer Berechtigung zum Betreten und Befahren des Geländes einwandfrei, obwohl dort ebenfalls zahlreiche Unternehmen angesiedelt seien. Da die Beschwerdeführerin somit nicht alle notwendigen Maßnahmen ergriffen habe, sei das Tatbestandsmerkmal der freiwilligen Duldung im gegenständlichen Fall erfüllt. Abschließend sei daher zu prüfen, ob die Kontrolle einfahrender Fahrzeuge als unterlassene notwendige Abwehrmaßnahme der Beschwerdeführerin zumutbar gewesen sei. Nach Auffassung der belangten Behörde sei mit Rücksicht darauf, dass die Beschwerdeführerin durch die bestehenden zahlreichen Bestandverträge aus dem Liegenschaftseigentum auch einen wirtschaftlichen Nutzen ziehe, weiters darauf, dass sie schon auf Grund des Eisenbahngesetzes als Eisenbahnunternehmen zur Absicherung von Eisenbahnanlagen verpflichtet sei und daher davon auszugehen sei, dass ein Kontrollapparat bereits eingerichtet sei und die Einfahrtskontrolle am N-Gelände in Bezug auf das gesamte Schienennetz wohl nicht wesentlich ins Gewicht falle sowie im Hinblick auf das Ausmaß der illegalen Ablagerungen von Abfällen, einem großen Unternehmen wie den Österreichischen Bundesbahnen die Kontrolle einfahrender Fahrzeuge und die Einfahrten passierender Personen während der Öffnungszeiten durchaus zumutbar. Ferner sei in diesem Zusammenhang abermals auf die in vergleichbaren Fällen gesetzten und wirksamen Maßnahmen, wie z.B. jene der Wiener Hafen GesmbH., hinzuweisen. Von der Zumutbarkeit der genannten Maßnahmen auch für die Österreichischen Bundesbahnen sei daher auszugehen. Die Beschwerdeführerin habe es somit unterlassen, alle zumutbaren Abwehrmaßnahmen zu setzen.
Da der Verpflichtete gemäß § 32 Abs. 1 AWG nicht feststellbar gewesen sei und die Beschwerdeführerin die Ablagerungen im Sinne des § 18 Abs. 2 AWG freiwillig geduldet und ihr zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen habe, habe die Behörde erster Instanz zu Recht den Behandlungsauftrag an die Beschwerdeführerin als Liegenschaftseigentümerin erteilt. Spruchpunkt 1f) sei hinsichtlich der dort genannten drei Kühlschränke abzuändern, weil die erstinstanzliche Behörde offenbar irrtümlich den als Punkt 6 des Lageplanes ausgewiesenen Ablagerungsort der Kühlschränke als Punkt 27 des Lageplanes bezeichnet habe. Die übrige Abänderung des Spruches sei zur sprachlichen Präzisierung erfolgt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde begehrt die beschwerdeführende Partei die kostenpflichtige Aufhebung dieses Bescheides. Sie macht insbesondere geltend, durch den angefochtenen Bescheid in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten dadurch verletzt worden zu sein, dass ihr ohne Vorliegen der dazu notwendigen Voraussetzungen gemäß § 32 Abs. 1 und 2 AWG aufgetragen worden sei, auf einer in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaft befindliche Abfälle sowie mit Altöl verunreinigtes Bodenmaterial zu entfernen und zu entsorgen. Die beschwerdeführende Partei sei daher in ihrem Recht, nicht zur Entsorgung von Abfällen gemäß den §§ 18 Abs. 2 und 32 Abs. 2 AWG verhalten zu werden, verletzt worden.
Die belangte Behörde beantragte in der erstatteten Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, dass die im Beschwerdefall zu behandelnden Abfälle solche sind, die - wie auch Altöl - dem AWG (des Bundes) unterliegen.
§ 18 Abs. 2 AWG, BGBl. Nr. 325/1990, lautet:
"(2) Nach Maßgabe des § 32 hat der Liegenschaftseigentümer, auf dessen Grundstück gefährliche Abfälle und Altöle widerrechtlich zurückgelassen wurden, diese, wenn er der Ablagerung zugestimmt oder sie freiwillig geduldet hat und ihm zumutbare Abwehrmaßnahmen unterlassen hat, auf seine Kosten gemäß § 17 zu entsorgen. Dies gilt auch für Rechtsnachfolger des Liegenschaftseigentümers, wenn sie von der Ablagerung Kenntnis hatten oder bei gehöriger Aufmerksamkeit Kenntnis haben mussten."
§ 32 Abs. 1 und 2 AWG (hinsichtlich des Abs. 1 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 151/1998) lauten:
"(1) Werden Problemstoffe nicht gemäß § 12 gelagert oder entsorgt, werden andere Abfälle - soweit für diese Abfälle Bestimmungen hinsichtlich Sammlung, Lagerung, Behandlung und Transport in diesem Bundesgesetz vorgesehen sind - oder Altöle nicht gemäß den §§ 16 bis 18 entsorgt oder werden sie entgegen den §§ 19, 20 und §§ 28 bis 30 befördert, gelagert oder behandelt oder ist die schadlose Behandlung der Abfälle oder Altöle und des durch sie verunreinigten Bodens zur Vermeidung von Beeinträchtigungen im Sinne des § 1 Abs. 3 geboten, so hat die Bezirksverwaltungsbehörde die entsprechenden Maßnahmen dem Verpflichteten aufzutragen oder bei Gefahr im Verzug unmittelbar anzuordnen und gegen Ersatz der Kosten durch den Verpflichteten nötigenfalls unverzüglich durchführen zu lassen. Dies gilt sinngemäß in den Fällen des § 37 Abs. 3 für die unverzügliche Wegbringung vom Arbeitsplatz des Zollamtes.
(2) Ist der gemäß Abs. 1 Verpflichtete nicht feststellbar, zur Entsorgung rechtlich nicht im Stande oder kann er aus sonstigen Gründen dazu nicht verhalten werden, so ist der Auftrag unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 und 4 dem Eigentümer der Liegenschaft, auf der sich die im Abs. 1 genannten Abfälle befinden, zu erteilen; dessen Ersatzansprüche gegen den gemäß Abs. 1 Verpflichteten bleiben unberührt."
Die beschwerdeführende Partei macht unter dem Aspekt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, entgegen den Ausführungen der belangten Behörde sei unter "freiwilliger Duldung" im Sinne des § 18 Abs. 2 AWG nicht bloß das faktische Hinnehmen eines Zustandes (etwa die bloße unbeeinspruchte Kenntnis von Ablagerungen) zu verstehen, sondern der Begriff der "freiwilligen Duldung" sei als konkludente Zustimmung aufzufassen. Infolge der gegenteiligen unrichtigen Rechtsauffassung setzte sich die belangte Behörde mit der Frage der Zustimmung der Beschwerdeführerin zu den Ablagerungen in konkludenter Weise gar nicht auseinander und es gingen demnach die Ausführungen, wonach die Beschwerdeführerin nicht alle möglichen Abwehrmaßnahmen ergriffen hätte und bereits damit der Tatbestand der "freiwilligen Duldung" erfüllt sei, ins Leere. Im vorliegenden Fall sei auch nicht von einer konkludenten Zustimmung zu den Ablagerungen auszugehen, weil Schweigen in der Regel nicht als Zustimmung im Sinne des § 863 ABGB gelte, sondern es dürfe "mit Überlegung aller Umstände" kein vernünftiger Grund verbleiben, am Vorliegen und am Inhalt einer Willenserklärung zu zweifeln. Dies sei aber gerade im Beschwerdefall nicht gegeben.
Eine freiwillige Duldung von Ablagerungen im Sinne einer konkludenten Zustimmung sei überhaupt nur denkbar, wenn der Liegenschaftseigentümer (spätestens im Zeitpunkt der Ablagerung) wisse, wann, wo, durch wen und welche Abfälle konkret gelagert würden. Im vorliegenden Fall habe die beschwerdeführende Partei aber immer erst nachträglich erfahren, dass Ablagerungen vorgenommen worden seien, wo diese vorgenommen und welche Abfälle konkret abgelagert worden seien. Wann genau und durch wen dies geschehen sei, entziehe sich bislang der Kenntnis der beschwerdeführenden Partei. Die von der belangten Behörde angenommene bloß allgemeine Kenntnis, dass Ablagerungen durch Personen vorgenommen worden seien, reiche daher schon grundsätzlich nicht aus, der beschwerdeführenden Partei eine freiwillige Duldung zu unterstellen.
Aber auch eine konkrete Kenntnis - so die beschwerdeführende Partei weiter - von allen zuvor genannten Umständen, insbesondere von der Person des Ablagerers, wäre nicht ausreichend, weil die Voraussetzungen für einen Behandlungsauftrag nicht erfüllt seien, wenn dem Grundeigentümer die Ablagerungen bloß bekannt gewesen seien, weil dies noch nicht die Schlussfolgerung zulasse, dass er diesen Vorgang im Sinne einer konkludenten Zustimmung freiwillig geduldet habe. Eine solche Schlussfolgerung würde zusätzliche Anhaltspunkte erfordern, welche aber nicht vorlägen.
Im Hinblick auf die von der beschwerdeführenden Partei getroffenen, auch für die Ablagerer erkennbaren Abwehrmaßnahmen (insbesondere Einfriedung des Geländes, Abgrenzung zu den angrenzenden Straßen durch Panzersperren, Sperre der Tore und Zufahrten außerhalb der Zulieferzeiten, Bewachung des Geländes, Aufschüttung von Erdwällen) entbehre eine solche Annahme sogar jeder Grundlage und sei geradezu evident, dass die beschwerdeführende Partei keinesfalls mit Ablagerungen durch dritte Personen einverstanden sei. Auch daraus, dass die beschwerdeführende Partei bestrebt sei, die Bestrafung der Täter zu erwirken, folge unzweifelhaft, dass sie die Ablagerungen nicht freiwillig dulde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem die beschwerdeführende Partei und gleichfalls einen Beseitigungsauftrag nach § 32 AWG betreffenden Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 99/07/0023, näher ausgeführt, dass es aus Gründen, die sich im wesentlichen auf die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112, genannten Überlegungen stützen, bereits am (kumulativ erforderlichen) Tatbestandselement einer "freiwilligen Duldung" fehlt, weshalb die rechtliche Deckung für den an die beschwerdeführende Partei als Liegenschaftseigentümerin erteilten Auftrag nach § 32 Abs. 2 i.V.m. § 18 Abs. 2 AWG nicht gegeben ist. Aus den im zitierten hg. Erkenntnis vom heutigen Tag aufgezeigten Gründen, auf welche gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ist auch der angefochtene Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Die belangte Behörde hat zwar im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Verpflichtung der Beschwerdeführerin eine andere Begründung gewählt, als dies in dem dem zitierten hg. Erkenntnis vom heutigen Tag zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren der Fall war. Dies führt aber nicht zu einer anderen Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles. Die belangte Behörde stützte sich vorliegendenfalls in den rechtlichen Erwägungen (wörtlich) auf die Ansicht, die von Kerschner in RdU 1996, 76 in seinem Kommentar zum hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/07/0112, vertreten worden war. Auf das Erkenntnis selbst und die dort vom Verwaltungsgerichtshof angestellten Überlegungen der Auslegung der Bestimmung des § 18 Abs. 2 AWG - wo auch die von der belangten Behörde genannte Auslegungsvariante ausführlich untersucht, ihr aber aus näher dargestellten Gründen nicht gefolgt wurde - nahm die belangte Behörde hingegen keinen Bezug.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich nicht veranlasst, von seiner damals detailliert begründeten Ansicht, wonach der Begriff der "freiwilligen Duldung" als konkludente Zustimmung zu verstehen sei, abzugehen. Auch der Hinweis der belangten Behörde auf ein anderes Verständnis des Begriffes der "Duldung" in den §§ 62 und 72 WRG 1959 vermag zu keiner anderen Einschätzung zu führen. Stellt das dort erwähnte Verhalten die Erfüllung einer bescheidmäßig ausgesprochenen Verpflichtung durch eine Verwaltungsbehörde und somit eine unfreiwillige Duldung des Verhaltens Dritter dar, so handelt es sich bei der Verhaltensweise des § 32 Abs. 2 AWG um ein ohne Zwang gesetztes Verhalten. Schon von daher verbietet sich die von der belangten Behörde erfolgte Gleichsetzung der Bewertung dieser Verhaltensweisen. Ergänzend sei bemerkt, dass die belangte Behörde auf die dem § 32 Abs. 2 AWG im Bereich des WRG 1959 - im Gegensatz zu den §§ 62 und 72 WRG 1959 - tatsächlich auch inhaltlich vergleichbaren Regeln der §§ 31 Abs. 4 und 138 Abs. 4 WRG 1959 nicht eingegangen ist. Dass dort eine vom AWG unterschiedliche Interpretation geboten wäre, ist - ohne dass dies im vorliegenden Zusammenhang näher zu prüfen wäre - aber nicht erkennbar.
Auf Grund dieses Ergebnisses erübrigt es sich daher, auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin näher einzugehen.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Juni 2002
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001070154.X00Im RIS seit
07.10.2002