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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Beck und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des Dkfm. EM in L, vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Hofgasse 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft (nunmehr: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und Wasserwirtschaft) vom 11. November 1998, Zl. 410.566/01-I 4/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Wasserrechtes (mitbeteiligte Partei: S Naturmühle Gesellschaft mbH & Co KG in L, vertreten durch Dr. Alfred Haslinger, DDr. Heinz Mück, Dr. Peter Wagner, Dr. Walter Müller und Dr. Wolfgang Graziani-Weiss, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Kroatengasse 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich (LH) vom 9. September 1997 wurde zu Spruchpunkt I. ein zwischen der mitbeteiligten Partei des nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (MP) und einem Dritten abgeschlossenes Übereinkommen beurkundet, zu Spruchpunkt II. unter Berufung auf § 27 Abs. 1 lit. a WRG 1959 in Verbindung mit § 29 leg. cit. die zufolge Verzichtes der Wasserberechtigten bewirkte Einschränkung bestehender Wasserberechtigungen der MP und des Partners des zu Spruchpunkt I. beurkundeten Übereinkommens festgestellt und zu Spruchpunkt III. der MP die wasserrechtliche Bewilligung zur Änderung eines Wehres durch Schaffung einer Abflussöffnung oder sonstiger Umbauten zum Zwecke der Erzielung einer näher beschriebenen Wirkung unter bestimmten Vorschreibungen erteilt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer, der zur vorangegangenen mündlichen Verhandlung - in dieser war seine Eigenschaft als Fischereiberechtigter festgestellt worden - nicht persönlich geladen worden war, am 30. September 1997 zugestellt.
Am 8. Oktober 1997 langte beim LH ein an diesen adressierter, mit dem 4. Oktober 1997 datierter Schriftsatz ein, dessen erste Seite den Briefkopf: "FISCHEREI-REVIERAUSSCHUSS T P.A.: XY, Obmann, (Adresse)" trägt. Im Betreff dieses Schriftsatzes wird Datum und Geschäftszahl des Bescheides des LH vom 9. September 1997 angeführt und sodann der Antrag auf Aufhebung dieses Bescheides "wegen Verletzung von privatrechtlichem Eigentum der bestehenden Fischereirechte als Schutzgut, gemäß WRG 1959 § 12 Abs. 2 und § 26 Abs. 2" gestellt. Im Rahmen der daran anschließenden, mit "Begründung" überschriebenen Ausführungen wird über einen Eingriff in bestehende Fischereirechte geklagt und auch auf die Spruchpunkte des Bescheides des LH vom 9. September 1997 Bezug genommen. Abschließend wird an den LH auch das Ersuchen gestellt, nach § 21a WRG 1959 vorzugehen. Unterzeichnet wurde dieser Schriftsatz durch den Beschwerdeführer mit der Bezeichnung "Fischereirechtseigentümer" und durch X.Y. mit der Bezeichnung "Obmann". Im Anschluss an diese beiden Unterschriften werden Fischereiberechtigte mit Namen und Anschrift aufgezählt.
In den erstinstanzlichen Verwaltungsakten liegt die Niederschrift über eine am 4. November 1997 über Initiative des LH ausgeschriebene Besprechung über die "vom Fischerei-Revierausschuss T bzw. vom 'Koppelrecht F' bzw. von (Beschwerdeführer)" eingebrachten Berufungen gegen den Bescheid des LH vom 9. September 1997 ein. Gegenstand dieser Besprechung war nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Niederschrift die Erläuterung des Inhaltes der erteilten Bewilligung und die Konsequenzen einer Zurückziehung der erhobenen Berufung.
In einem mit dem 12. November 1997 datierten Schreiben an den LH führte der Beschwerdeführer eingangs wörtlich aus:
"Zur Aussprache vom 4.11.1997 beim Amt der O.ö. Landesregierung mit den Wasserberechtigten der ... und deren uneinsichtiger Haltung den Fischereiberechtigten gegenüber, betreffend eine Regelung über die Zuführung von T-Wasser in den ...-Kanal bzw. in den trockenen K-Arm, begründe ich meinen Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 4.10.1997 wie folgt:"
Im ersten Punkt der daran anschließenden Ausführungen dieses Schreibens wird vom Beschwerdeführer geltend gemacht, dass er zu der dem Bescheid zu Grunde liegenden Wasserrechtsverhandlung nicht geladen worden sei. In weiteren Punkten seiner Ausführungen werden Forderungen erhoben, die sprachlich in der Mehrzahlform formuliert sind.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. "der Berufung des Fischerei-Revierausschusses T vom 4.10.1997" gegen den Bescheid des LH vom 9. September 1997 gemäß § 66 AVG in Verbindung mit § 102 Abs. 1 lit. b WRG 1959 keine Folge und wies zu Spruchpunkt II. u.a. die Berufung des Beschwerdeführers "vom 12.11.1997 als verspätet" zurück. In der Begründung des angefochtenen Bescheides wird zur Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers ausgeführt, dass die am "14. November 1997 beim LH eingelangte Berufung" des Beschwerdeführers (gemeint: das Schreiben vom 12. November 1997) angesichts der am 30. September 1997 erfolgten Zustellung des Bescheides außerhalb der Berufungsfrist erhoben worden sei. Dass der Beschwerdeführer zur mündlichen Verhandlung vor dem LH nicht geladen worden sei, "rechtfertige das Einbringen einer verspäteten Berufung nicht", weil der Beschwerdeführer als übergangene Partei angesichts der erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an ihn in der Berufung alle Einwendungen hätte erheben können. In der Besprechung vom 4. November 1997 sei im Übrigen festgestellt worden, dass sich durch den bekämpften Bescheid für die Fischerei ohnehin eine Verbesserung ergeben würde, sei darüber hinaus zu bemerken.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Bescheidaufhebung mit der Erklärung begehrt, dass sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf meritorische Erledigung einer wirksam und nicht verspätet erhobenen Berufung als verletzt erachte. Zu Unrecht habe die belangte Behörde den von ihm gemeinsam mit dem Obmann des Fischerei-Revierausschusses unterfertigten Schriftsatz vom 4. Oktober 1997 nicht dem Beschwerdeführer als berufungswerbender Partei zugerechnet und zu dieser Zurechnungsfrage im angefochtenen Bescheid auch keinerlei Ausführungen getroffen.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Den gleichen Antrag hat auch die MP gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach ständiger Rechtsprechung hat sich die Behörde in einem Zweifelsfall Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist, wobei sie nach § 37 AVG in einem solchen Fall den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben hat (siehe die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), E 62 zu § 13 AVG, wiedergegebene Judikatur).
Die in der Gegenschrift der MP ausdrücklich und in jener der belangten Behörde erkennbar vertretene Auffassung, der auf dem Briefkopf des Revierausschusses von seinem Obmann und dem Beschwerdeführer unterzeichnete, innerhalb offener Berufungsfrist erstattete Schriftsatz vom 4. Oktober 1997 habe Zweifel daran, ob er nicht doch auch dem Beschwerdeführer zuzurechnen sei, gar nicht hervorrufen können, teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Dass sich der Beschwerdeführer bei der Beisetzung seiner Unterschrift unter diesem Schriftsatz mit dem dem Wasserrechtsgesetz fremden Terminus "Fischereirechtseigentümer" bezeichnet hatte, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zu bedenken gibt, sprach nicht gegen, sondern für eine Zurechnung der Eingabe an den Beschwerdeführer, der mit diesem Ausdruck bei rechtem Verständnis ganz offensichtlich auf die ihm persönlich zustehende Rechtsposition hinweisen wollte. Wenn die MP in ihrer Gegenschrift behauptet, es nehme das von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesene "Rechtsmittel" des Beschwerdeführers vom 12. November 1997 auf den Schriftsatz des Fischerei-Revierausschusses mit keinem Wort Bezug, dann widerspricht diese Behauptung der oben wiedergegebenen Aktenlage, welche das genaue Gegenteil ausweist. Der Beschwerdeführer hatte in seinem Schreiben vom 12. November 1997 im Gegenteil seinen Antrag "vom 4.10.1997" mit weiteren Ausführungen "begründet".
Das Bild der Aktenlage zeigt, dass die belangte Behörde bei ihr verbliebene Zweifel über eine Zurechnung des Schriftsatz vom 4. Oktober 1997 nicht bloß jedenfalls durch vorherige ausdrückliche Rückfrage beim Beschwerdeführer hätte beheben müssen, sondern dass ein sachlich hinreichender Grund zu einem Zweifel daran, dass der Berufungsschriftsatz vom 4. Oktober 1997 (auch) dem Beschwerdeführer rechtlich als berufungswerbender Partei zuzurechnen war, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gar nicht mehr vorlag. Die Abfassung des vom Beschwerdeführer unter erkennbarem Hinweis auf seine Stellung als Fischereiberechtigter unterfertigten Berufungsschriftsatzes auf einem den Briefkopf des Fischerei-Revierausschusses tragenden Briefpapier und die Verwendung der sprachlichen Mehrzahlform in der Formulierung des Anliegens der betroffenen Fischereiberechtigten schlechthin konnten daran nichts ändern.
Mit der Zurückweisung der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung als verspätet hat die belangte Behörde durch Verkennung der Zurechenbarkeit des rechtzeitigen Berufungsschriftsatzes vom 4. Oktober 1997 an den Beschwerdeführer als berufungswerbende Partei den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Dass die belangte Behörde eine mit dem "12.11.1997" datierte Berufung des Beschwerdeführers zurückgewiesen hat, die bei isolierter Betrachtung tatsächlich verspätet gewesen wäre, ändert daran nichts, zumal im Schriftsatz vom 12. November 1997 ausdrücklich auf die rechtzeitig erhobene Berufung vom 4. Oktober 1997 Bezug genommen und damit die Verbindung zwischen den beiden Schriftsätzen hergestellt wurde, sodass sich eine isolierte Betrachtung des Schriftsatzes vom 12. November 1997 verbot.
Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. Juni 2002
Schlagworte
AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998070193.X00Im RIS seit
18.09.2002