TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/28 2001/02/0275

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Veröffentlicht am 28.06.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

VStG §31 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des RH in T, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 21. Juni 2000, Zl. Senat-BN-99- 465, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes 1967 und des Führerscheingesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 17. März 1999 wurde der Beschwerdeführer wegen am 12. Oktober 1998 begangener Übertretungen des KFG 1967 und des FSG für schuldig befunden und hiefür bestraft. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 21. Juni 2000 keine Folge. Dieser Bescheid wurde der Behörde erster Instanz am 29. Juni 2000, somit innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG, zugestellt. Zugleich ersuchte die belangte Behörde die Behörde erster Instanz um nachweisliche Zustellung einer Ausfertigung der Berufungsentscheidung an den "Parteienvertreter".

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, trotz aufrechter Vertretung sei der Berufungsbescheid nicht dem ausgewiesenen Vertreter, sondern dem Beschwerdeführer direkt zugestellt worden. Da nach Ablauf der "3- jährigen Strafbarkeitsverjährung" ein Berufungsbescheid noch nicht zugestellt gewesen sei, habe die "Kanzlei" telefonisch bei der Bezirkshauptmannschaft Baden urgiert, worauf diese mitgeteilt habe, ein Berufungsbescheid sei ergangen, aber nicht dem ausgewiesenen Vertreter, sondern dem Beschwerdeführer direkt zugestellt worden. Auf Ersuchen um Übermittlung einer Ausfertigung des Berufungsbescheides habe die Behörde erster Instanz den angefochtenen Bescheid in Kopie und den der Beschwerde beigelegten Zustellnachweis dem Vertreter übermittelt. Diese Kopie sei am 26. November 2001 in der Kanzlei der Vertreters eingelangt. Aus dem Zustellnachweis ergebe sich die rechtsunwirksame Zustellung an "den Beschwerdeführer direkt". Über telefonisches Ersuchen habe der Vater des Beschwerdeführers dem ausgewiesenen Vertreter persönlich das Original des beiliegenden, angefochtenen Bescheides am 27. November 2001 übergeben.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie unter anderem den Urgenz- und Übermittlungsvorgang der Kopie des angefochtenen Bescheides bezweifelte, weil ein solcher Vorgang im Akt der Behörde erster Instanz nicht dokumentiert sei. Mit einer Äußerung zur Gegenschrift erstattete der Beschwerdeführer ein ergänzendes Beweisvorbringen zu seinen Beschwerdeausführungen und legte den in Kopie übermittelten Bescheid samt den darauf ersichtlichen Vermerken, die seinen Angaben nach von einem Organ der Behörde erster Instanz stammen müssten, vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach dem durch Beweismittel belegten Vorbringen des Beschwerdeführers ist davon auszugehen, dass die Zustellung des Berufungsbescheides durch die Behörde erster Instanz im Original an den Beschwerdeführer direkt erfolgte, obwohl eine aufrechte Vertretung (inklusive Zustellbevollmächtigung) durch den gegenständlich ausgewiesenen Rechtsanwalt vorlag (dies wird von der belangten Behörde in der Gegenschrift überdies zugestanden). Eine von der Behörde erster Instanz übermittelte Kopie des Berufungsbescheides langte am 26. November 2001 in der Kanzlei des Vertreters ein. Das Original kam dem Vertreter des Beschwerdeführers am 27. November 2001 zu.

Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Damit ist hinsichtlich der angelasteten Tat aber die Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 3 VStG eingetreten, da seit dem Zeitpunkt, an dem das strafbare Verhalten begangen wurde - das war der 12. Oktober 1998 - bereits drei Jahre vergangen waren, ohne dass die Berufungsentscheidung gegenüber dem Beschuldigten erging. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist die Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt, wenn die Berufungsentscheidung innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Die Erlassung der Berufungsentscheidung gegenüber einer anderen Verfahrenspartei (etwa der Bezirkshauptmannschaft als zuständiger Bezirksverwaltungsbehörde) ist nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen. Dem Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0424, ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof die darin enthaltene Aussage zur Bestimmung des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nicht aufrecht erhalten hat (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0086).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Juni 2002

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001020275.X00

Im RIS seit

07.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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