TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/28 2001/02/0274

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Veröffentlicht am 28.06.2002
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §56;
AVG §62 Abs1;
VStG §31 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des WK in M, vertreten durch Dr. Reinhard Armster, Rechtsanwalt in 2344 Maria Enzersdorf, Franz Josef-Straße 42/Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Wiener Neustadt, vom 8. Mai 2000, Zl. Senat-MD-99-548, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mödling vom 11. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer wegen mehrerer am 31. Oktober 1998 begangener Übertretungen der StVO 1960 für schuldig befunden und hiefür bestraft. Der dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 8. Mai 2000 keine Folge. Dieser Bescheid wurde der Behörde erster Instanz am 29. Mai 2000, somit innerhalb der Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG, zugestellt. Zugleich ersuchte die belangte Behörde die Behörde erster Instanz um nachweisliche Zustellung einer Ausfertigung der Berufungsentscheidung an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers.

Auf Grund der Tatsache, dass der Verwaltungsakt der Behörde erster Instanz nach deren Mitteilung an die belangte Behörde "nicht mehr auffindbar ist und offenbar in Verstoß geraten sein dürfte", ist der Zustellvorgang an den Beschwerdeführer aus den Akten des Verwaltungsverfahrens nicht mehr nachvollziehbar.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde führt der Beschwerdeführer aus, trotz aufrechter Vertretung sei der Berufungsbescheid nicht dem ausgewiesenen Vertreter, sondern dem Beschwerdeführer direkt zugestellt worden. Da nach Ablauf der "3- jährigen Strafbarkeitsverjährungsfrist kein Bescheid in der Kanzlei des ausgewiesenen Vertreters" eingelangt sei, habe die "Kanzlei" telefonisch bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling urgiert, worauf mitgeteilt worden sei, ein Berufungsbescheid sei ergangen, aber nicht dem ausgewiesenen Vertreter, sondern dem Beschwerdeführer direkt zugestellt worden. Auf Ersuchen um Übermittlung einer Ausfertigung des Berufungsbescheides habe die Behörde erster Instanz den angefochtenen Bescheid in Kopie dem ausgewiesenen Vertreter übermittelt. Diese Kopie sei am 26. November 2001 in dessen Kanzlei eingelangt. Über telefonisches Ersuchen habe der Beschwerdeführer dem ausgewiesenen Vertreter persönlich das Original des beiliegenden, angefochtenen Bescheides am 27. November 2001 übergeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 38 Abs. 2 VwGG hat die Behörde die Akten vorzulegen. Unterlässt sie dies, so kann der Verwaltungsgerichtshof, wenn er die Behörde auf diese Säumnisfolge vorher ausdrücklich hingewiesen hat, auf Grund der Behauptungen des Beschwerdeführers erkennen. Gleiches hat bei nur teilweiser Aktenvorlage zu gelten.

Die belangte Behörde tritt den oben wiedergegebenen Behauptungen des Beschwerdeführers in der Gegenschrift in sachverhaltsmäßiger Hinsicht nicht entgegen. Der Gerichtshof geht daher davon aus, dass die Zustellung des Berufungsbescheides durch die Behörde erster Instanz im Original an den Beschwerdeführer direkt erfolgte, obwohl eine aufrechte Vertretung (inklusive Zustellbevollmächtigung) durch den gegenständlich ausgewiesenen Rechtsanwalt vorlag. Eine Kopie des Berufungsbescheides langte am 26. November 2001 in der Kanzlei des Vertreters ein. Das Original kam dem Vertreter des Beschwerdeführers am 27. November 2001 zu.

Gemäß § 9 Abs. 1 Zustellgesetz hat die Behörde, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, sofern gesetzlich nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als vollzogen, in dem das Schriftstück dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Damit ist hinsichtlich der angelasteten Tat aber die Strafbarkeitsverjährung gemäß § 31 Abs. 3 VStG eingetreten, da seit dem Zeitpunkt, an dem das strafbare Verhalten begangen wurde - das war der 31. Oktober 1998 - bereits drei Jahre vergangen waren, ohne dass die Berufungsentscheidung gegenüber dem Beschuldigten erging. Entgegen den Ausführungen der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift ist die Frist des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nur dann gewahrt, wenn die Berufungsentscheidung innerhalb der dort genannten Frist gegenüber dem Beschuldigten rechtswirksam erlassen wurde. Die Erlassung der Berufungsentscheidung gegenüber einer anderen Verfahrenspartei (etwa der Bezirkshauptmannschaft als zuständiger Bezirksverwaltungsbehörde) ist nicht geeignet, diese Wirkung herbeizuführen. Dem Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf das hg. Erkenntnis vom 27. Jänner 1995, Zl. 94/02/0424, ist zu erwidern, dass der Verwaltungsgerichtshof die darin enthaltene Aussage zur Bestimmung des § 31 Abs. 3 erster Satz VStG nicht aufrecht erhalten hat (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 10. Mai 1996, Zl. 96/02/0086).

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Juni 2002

Schlagworte

Zeitpunkt der Bescheiderlassung Eintritt der Rechtswirkungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001020274.X00

Im RIS seit

07.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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