TE Vwgh Erkenntnis 2002/6/28 2002/02/0009

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Veröffentlicht am 28.06.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

MRK Art6 Abs1;
VStG §51e Abs3 idF 1998/I/158;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des HG in P, vertreten durch Dr. Martin Wandl und Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremsergasse 19, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. November 2001, Zl. VwSen-107201/2/Kei/La, betreffend Übertretungen der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 30. November 2001 wurde der Beschwerdeführer der Begehung von vier Verwaltungsübertretungen gemäß der StVO 1960 für schuldig erkannt. Es wurden zu 1. eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 24 Stunden), zu 2. eine Geldstrafe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 36 Stunden); zu 3. eine Geldstrafe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 5 Tagen) und zu 4. eine Geldstrafe von S 4.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Tagen) verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem, die belangte Behörde hätte eine mündliche Berufungsverhandlung durchführen müssen, sie habe jedoch auf Grund der Aktenlage entschieden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr.  158/1998 lautet (auszugsweise):

"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)

§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine 3.000 S nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung geklärt werden.

..."

Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis die Tatbegehung mit näherer Begründung bestritten und mehrere Beweisanträge wie z.B. die Einvernahme "des Meldungslegers" (gemeint hier wohl: der Person, auf Grund deren Anzeige die Meldung gelegt wurde), die Durchführung eines "Ortsaugenscheines" sowie eines Augenscheins am Fahrzeug "des Meldungslegers", welches beschädigt sein müsste, beantragt. Da zudem in den Punkten 3 und 4 des Straferkenntnisses S 3.000,-- übersteigende Geldstrafen verhängt worden waren, liegt keiner der im § 51e Abs. 3 VStG genannten Gründe vor, nach denen der unabhängige Verwaltungssenat von einer Berufungsverhandlung absehen könnte. Auf die Durchführung einer Berufungsverhandlung wurde auch nicht verzichtet.

Da somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Ergebnis hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit c wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen brauchte nicht eingegangen zu werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil seit 1. Jänner 2002 gemäß § 24 Abs. 3 VwGG idF. Art. 2 BGBl I Nr. 136/2001 der Betrag von EUR 180,-- zu entrichten war und vom Beschwerdeführer auch dieser Betrag entrichtet wurde. Der darüber hinausgehende, unter dem Titel Barauslagen beantragte Betrag von EUR 1,68 ist demnach nicht zu ersetzen.

Wien, am 28. Juni 2002

Schlagworte

Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002020009.X00

Im RIS seit

07.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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