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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des WF in G, vertreten durch Dr. Hans-Jörg Vogl, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Churerstraße 1- 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 23. November 2001, Zl. 1-0482/01/K1, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. November 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 28. Oktober 2000 um 4.00 Uhr in Göfis auf der K-Straße von F kommend in Fahrtrichtung Göfis einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten Pkw in einem alkoholbeeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe hiedurch eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b iVm § 5 Abs. 1 StVO begangen. Es wurde eine Geldstrafe von S 15.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 13 Tagen) verhängt.
Mit dem Spruch der belangten Behörde wurde auch das Kennzeichen des vom Beschwerdeführer gelenkten Kraftfahrzeuges in einer Stelle (letzter Buchstabe richtig R statt T) richtig gestellt.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
"Vom Beschuldigten wird nicht bestritten, dass er das gegenständliche Fahrzeug zur Tatzeit auf der im Straferkenntnis angeführten Straße gelenkt hat. Der Beschuldigte bestreitet weiters nicht die Richtigkeit der Alkoholuntersuchung mit einem Alkomaten, die um 05.48 Uhr des Tattages einen Wert von 0,38 mg/l Atemalkohol ergab.
Unstrittig ist schließlich, dass eine Rückrechnung dieser gemessenen Atemalkoholkonzentration auf den Zeitpunkt des Lenkens ohne Berücksichtigung der noch nicht abgeschlossenen Resorption eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,8 Promille, hingegen bei Berücksichtigung der noch nicht abgeschlossenen Resorption einen Wert von weniger als 0,8 Promille ergibt. Der Verwaltungssenat folgt in diesem Zusammenhang den Angaben des Beschuldigten, dass er zwischen 03.00 Uhr und 04.00 Uhr des Tattages drei Mohren-Pfiff (1 Mohren-Pfiff enthält 0,33 l Bier), das letzte davon mit zwei, drei großen Schlucken kurz vor 04.00 Uhr (somit unmittelbar vor Fahrtantritt) konsumierte.
Bestritten wird vom Beschuldigten aber, dass er zum Lenkzeitpunkt alkoholbeeinträchtigt iS des § 5 Abs. 1 StVO gewesen sei. Diesbezüglich liegen ein Gutachten des medizinischen Amtssachverständigen, in welchem das Vorliegen einer Anflutungsphase bejaht wird, und ein Gutachten des Gerichtsmedizinischen Instituts der Universität Innsbruck vor, nach welchem ein derartiges Anflutungsphänomen für den gegenständlichen Fall aus forensischer Sicht nicht als medizinisch absolut gesichert gelten könne.
Der Verwaltungssenat stützt sich aber bei der diesbezüglichen Annahme der Alkoholbeeinträchtigung weder auf das eine noch auf das andere Gutachten. Der Verwaltungsgerichtshof stellt nämlich in ständiger Rechtsprechung fest, dass die Annahme einer besonders nachteiligen Auswirkung des Alkohols in der Anflutungsphase bei einem Sturztrunk mit dem Stand der medizinischen Wissenschaft in Einklang steht (zB. Erk vom 12.9.2001, 99/03/0150) und dass es nicht der Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens zu dieser Frage bedarf (zB. Erk vom 3.11.1000, 98/02/0361, vom 25.6.1999, 94/02/0375, und vom 28.2.1997, 95/02/0159). Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Zusammenhang auch wiederholt klargestellt, dass sich diese Rechtsprechung nicht bloß auf den Sturztrunk von 'großen' Alkoholmengen bezieht. Vielmehr wurde es beispielsweise als ausreichend angesehen, dass der Lenker zuletzt vor Fahrtantritt zwei kleine Bier (VwGH 18.9.1996, 94/03/0158) oder nur ein Glas Bier (VwGH 18.5.1994, 94/03/0090) getrunken hatte."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt, es sei Verfolgungsverjährung eingetreten, weil ihm erst nach Ablauf der Verfolgungsverjährungsfrist das richtige Kennzeichen des Kraftfahrzeuges, welches er gelenkt habe, angelastet worden sei. Er übersieht, dass für die Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO iVm § 99 Abs. 1b StVO die Kennzeichennummer des "Fahrzeuges" - mehr verlangt diese Gesetzesstelle nicht hinsichtlich des Fortbewegungsmittels des Lenkers - unentscheidend ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Februar 1991, Zl. 85/18/0323), weshalb diesbezüglich auch keine Verfolgungsverjährung eintreten konnte. Die Tatsache des Lenkens eines Fahrzeuges am Tatort zur Tatzeit wurde vom Beschwerdeführer nie bestritten.
Der Beschwerdeführer beruft sich auch darauf, dass seine letzte Alkoholkonsumation (in Form eines sogenannten "Sturztrunkes") knapp vor Fahrtantritt gewesen sei, sodass zum Tatzeitpunkt ein beträchtlicher Teil jener Alkoholmenge, welche sich in den von ihm konsumierten alkoholischen Getränken befinde, noch nicht anresorbiert gewesen sei und in seinem Fall das "Anflutungsphänomen" noch keine derartige Auswirkung gezeigt habe, dass zum Unfallzeitpunkt von einer Beeinträchtigung durch Alkohol ausgegangen werden könne. Auf dieses Vorbringen gründen sich die Rügen der inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sowie die Verfahrensrügen, die belangte Behörde hätte zur Feststellung des Sachverhaltes eines Sachverständigen bedurft, die Gutachten des Amtssachverständigen und das Privatgutachten des Dr. S seien in der mündlichen Verhandlung nicht erörtert worden und die belangte Behörde hätte den beantragten "kontrollierten Trinkversuch" durchführen müssen.
Damit vermag er keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun: Es entspricht der in der ständigen hg. Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wiedergegebenen Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft, dass Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt; ein "Sturztrunk" kurz vor Fahrtantritt wirkt sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit tritt aber sofort ein. Im Hinblick darauf bedurfte es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht der Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1999, Zl. 94/02/0375, mwN.). Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten des Dr. S, auf das sich der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde stützt, kann den Verwaltungsgerichtshof nicht dazu bewegen, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Denn in diesem Gutachten (in dem alle für die Anflutungswirkung zu berücksichtigenden Faktoren "jeweils zugunsten" des Beschwerdeführers angenommen wurden) wurde im Beschwerdefall das Vorliegen eines "Anflutungsphänomens" nicht ausgeschlossen, sondern bloß der Schluss gezogen, ein solches könne "für den gegenständlichen Fall ... aus forensischer Sicht nicht als medizinisch absolut gesichert gelten". Zu dem vom Beschwerdeführer geforderten "kontrollierten Trinkversuch" führt dieses Gutachten aus, dass "ein derartiger Versuch allenfalls eine Momentaufnahme entsprechend der jeweiligen Tagesverfassung geben würde und keine gesicherten Rückschlüsse darauf zuließe, wie sich der Mann bei gleichem Konsum zum gegenständlichen Lenkzeitpunkt verhalten hatte" (Hervorhebungen durch Unterstreichen durch den Verwaltungsgerichtshof), woraus sich bereits die Sinnlosigkeit des vom Beschwerdeführer geforderten Trinkversuches ergibt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Juni 2002
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Umfang der Konkretisierung (siehe auch Tatbild) TatbildEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002020015.X00Im RIS seit
07.10.2002