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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §63 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des JA (dzt.) in Wien, geboren 1984, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 7. September 2001, Zl. III 4033-86/01, betreffend Zurückweisung einer Berufung als unzulässig in Angelegenheit Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 66 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck verfügte mit Bescheid vom 22. Juni 2000 gemäß § 66 Abs. 1, 2 und 3 Fremdengesetz 1997 über den 1984 geborenen Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes bzw. Ausweisung bis zum Eintritt der Durchsetzbarkeit und zur Sicherung der Abschiebung die Anordnung der Unterkunft an der Adresse Axams, I-Straße (gelinderes Mittel).
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid vom 7. September 2001 "gemäß § 66 Abs. 4 AVG" mit folgender Begründung als unzulässig zurückgewiesen:
"Die Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides, mit dem die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in Bezug auf Ihre Person das gelindere Mittel gemäß § 66 FrG angewendet hat, ist falsch. Sie müsste richtig lauten, dass dagegen gemäß § 94 Abs. 5 FrG weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig ist, jedoch gemäß § 61 Abs. 4 i.V.m. § 72 FrG Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat, da die Anwendung des gelinderen Mittels voraussetzt, dass die Voraussetzung zur Erlassung eines Schubhaftbescheides vorliegen und das gelindere Mittel eine Nebenbestimmung des Spruches über die Verhängung der Schubhaft darstellt. Durch eine falsche Rechtsmittelbelehrung kann ein gesetzlich nicht bestehendes Rechtsmittel nicht geschaffen werden. Die Berufung ist daher unzulässig."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 94 FrG 1997 lautet:
"Instanzenzug
§ 94. (1) Über Berufungen gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz entscheidet, sofern nicht anderes bestimmt ist, die Sicherheitsdirektion in letzter Instanz.
...
(5) Gegen die Versagung oder den Widerruf eines Durchsetzungsaufschubes, eines Abschiebungsaufschubes oder einer Wiedereinreisebewilligung sowie gegen die Versagung der Ausstellung oder die Entziehung eines Lichtbildausweises für Fremde ist eine Berufung nicht zulässig. Gegen die Anordnung der Schubhaft ist weder eine Vorstellung noch eine Berufung zulässig.
(6) Über Berufungen gegen die Entscheidung einer österreichischen Vertretungsbehörde nach dem 7. Hauptstück entscheidet der Bundesminister für Inneres. Dieser ist für diesen Bereich auch die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde."
Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen, "dass der Gesetzgeber gelindere Mittel von der Schubhaft unterschieden wissen wollte"; die Anordnung, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen ist "jedenfalls nicht mit der Schubhaft gleichzusetzen" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 2001, Zlen. 2000/02/0340 bis 0348). Damit wurde klargestellt, dass die Ausnahme des § 94 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 bei der Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 66 FrG 1997 nicht gegeben ist, weil es sich bei dieser Anordnung um keine Schubhaft handelt.
In diesem Erkenntnis wurde auf Grund der Rechtskraft der das gelindere Mittel anordnenden Bescheide zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung an den unabhängigen Verwaltungssenat lediglich die Frage offen gelassen, ob die dortigen Beschwerdeführer gegen den Bescheid, mit dem ihnen die Anordnung erteilt wurde, in von der Behörde bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, Rechtsmittel legitimiert gewesen wären und an welche Behörde sie ihr allfälliges Rechtsmittel zu richten gehabt hätten.
Gemäß § 63 Abs. 1 AVG richtet sich der Instanzenzug und das Recht zur Einbringung der Berufung und sonstiger Rechtsmittel (Vorstellung), abgesehen von den im AVG besonders geregelten Fällen, nach den Verwaltungsvorschriften.
§ 94 Abs. 1 FrG 1997geht von einer grundsätzlichen Zulässigkeit von Berufungen gegen Bescheide nach dem FrG 1997 aus. Keine Bestimmung dieses Gesetzes schließt die Berufung gegen einen Bescheid aus, mit dem ein gelinderes Mittel gemäß § 66 FrG 1997 angeordnet wurde. Da auch die anderen Ausnahmen des § 94 FrG 1997 als der bereits behandelte § 94 Abs. 5 zweiter Satz FrG 1997 von der grundsätzlichen Entscheidungsbefugnis der Sicherheitsdirektion über Berufungen gegen Bescheide nach dem FrG 1997 nicht gegeben sind, hätte die belangte Behörde inhaltlich über die Berufung zu entscheiden gehabt. Dass bei der Anordnung gelinderer Mittel (§ 66 Abs. 1 FrG 1997) die Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft nach § 61 Abs. 1 FrG gegeben sein müssen, ändert daran - entgegen der Ansicht der belangten Behörde - nichts.
Der angefochtene Bescheid erweist sich daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Juni 2002
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Instanzenzug Zuständigkeit Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001020268.X00Im RIS seit
07.10.2002