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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §45 Abs4 idF 1994/518;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des TE in Wien, vertreten durch Mag. Martin Oder, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 16, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 21. September 2001, Zl. MA 65 - PB/155/2001, betreffend Ausnahmebewilligung nach § 45 Abs. 4 StVO 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Gemeinde) Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. September 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der im gesamten 1. Wiener Gemeindebezirk innerhalb der flächendeckenden Kurzparkzone in der Zeit von Montag bis Freitag (werktags) von 9.00 bis 19.00 Uhr geltenden höchstzulässigen Parkdauer von eineinhalb Stunden gemäß § 45 Abs. 4 StVO iVm § 94d Z. 6 StVO 1960 abgewiesen.
In der Begründung wird ausgeführt, der Antragsteller mache ein persönliches Interesse dahingehend geltend, er sei Bewohner des 1. Wiener Bezirkes. Er habe selbst eingeräumt, dass sich auf Grund seiner Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg ein "gewisses Naheverhältnis zu Salzburg ergebe". Auch das Fahrzeug, für welches er die Ausnahmebewilligung beanspruche, sei in Salzburg zugelassen. Der Beschwerdeführer habe ergänzend vorgebracht, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Wien 1 befinde und nicht wie laut Hauptwohnsitzmeldung und Zulassungsschein in Salzburg. Im ergänzenden Ermittlungsverfahren habe der Beschwerdeführer Unterlagen über seine Lehrtätigkeit an der Universität Salzburg beigebracht und ausgeführt, nur am Dienstag und Mittwoch in Salzburg aufhältig zu sein, da er an diesen Tagen Vorlesungen halte. Aus den vorgelegten Unterlagen (Vorlesungs- und Veranstaltungsverzeichnis der Universität Salzburg für das Studienjahr 2001/2002) sei jedoch ersichtlich, dass diese Unterrichtsveranstaltungen am Dienstag, Mittwoch und Donnerstag stattfänden. Es müsse auch berücksichtigt werden, dass Tests und Arbeiten vorzubereiten und zu korrigieren sowie Prüfungen abzuhalten seien und dies nicht nur an den genannten Tagen stattfinde, sowie, dass der Berufungswerber "nicht erst am Tag der ersten Vorlesung in der Woche nach Salzburg fährt oder unmittelbar nach der letzten Veranstaltung nach Wien zurückkehrt". Die belangte Behörde schloss daraus, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil der Woche in Salzburg und nicht in Wien aufhältig sei. Die Tätigkeit in der "Bundesstellenvergabekommission in Wien" habe auch nicht annähernd quantifiziert werden können. Der Beschwerdeführer habe vorgebracht, dass an seinem Wohnort in Wien 1 der Mittelpunkt seiner gesellschaftlichen und sozialen Beziehungen gelegen sei, zumal er selbst sich dort "für den Rest der Woche (das sind drei Tage) bei seiner Gattin und der jüngst geborenen Tochter aufhalte". Er habe seine Beziehungen zu Wien nach Art und Ausmaß nicht zu konkretisieren vermocht. Durch die Hauptwohnsitzmeldung in Salzburg habe der Beschwerdeführer "jedenfalls deutlich zum Ausdruck gebracht", dass sein Naheverhältnis zum dortigen Wohnsitz überwiege. Auch müsse entsprechend den kraftfahrrechtlichen Vorschriften auf Grund der im Zulassungsschein des Berufungswerbers angeführten Salzburger Anschrift davon ausgegangen werden, dass der Standort des Fahrzeuges mit dem behördlichen Kennzeichen S .., von dem aus sein Besitzer darüber verfüge, nicht im örtlichen Wirkungsbereich der Bundespolizeidirektion Wien gelegen sei, andernfalls dem Beschwerdeführer als Besitzer eine Zuwiderhandlung gegen die kraftfahrrechtlichen Meldevorschriften zu unterstellen wäre. Liege aber der Ort, von dem aus hauptsächlich über das Fahrzeug verfügt werde, nicht in Wien, könne ein erhebliches persönliches Interesse des Beschwerdeführers daran, dieses Fahrzeug in der Nähe seines Wohnortes in Wien zu parken, nicht erkannt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer bringt vor, der angefochtene Bescheid sei sowohl hinsichtlich der dort festgestellten Tatsachen als auch hinsichtlich der rechtlichen Bewertung dieser Tatsachen fehlerhaft. Die von der Behörde festgestellte Aufenthaltsdauer sei falsch, aus den von ihm übermittelten Unterlagen ergebe sich keineswegs, dass er in jedem Semester an drei Tagen unterrichten müsse. Es ergebe sich daraus eindeutig, dass er im Wintersemester am Mittwoch und Donnerstag, im Sommersemester am Dienstag und Mittwoch unterrichte, die Lehrverpflichtung also durchgängig auf zwei Tage in der Woche beschränkt sei. Auch die Annahme des Zeitbedarfs für "Tests und Arbeiten" in Salzburg sei falsch, weil er versuche, die Prüfungstätigkeit an Tagen anzusetzen, an denen er auch unterrichte. Die Notwendigkeit der Korrektur von Tests ergebe sich nicht. Arbeiten in Form von Diplomarbeiten und Dissertationen prüfe er beispielsweise im Zug auf dem Weg nach Wien und zurück. Er bemühe sich zudem, möglichst lange zeitliche Einheiten für seine Forschungstätigkeit zu schaffen, diese verrichte er in Wien. Zudem versuche er "selbstverständlich", so häufig wie möglich in Wien zu sein und so rasch wie möglich von Salzburg nach Wien zurückzukehren, um Zeit mit seiner Familie (Ehefrau und jüngst geborene Tochter) zu verbringen.
Zudem gehe der Beschwerdeführer davon aus, dass sich ein Mittelpunkt der Lebensinteressen jedenfalls dort befinde, wo sich der engere und vor allem der engste Kreis der Familie befinde. Dies müsse unabhängig davon gelten, ob eine Person nun etwas weniger oder etwas mehr als die Hälfte seiner Zeit, also drei oder vier Tage in der Woche, dort verbringe.
Auch bringt der Beschwerdeführer einerseits vor, dass für den "fraglichen Pkw (genauer: für das fragliche Kennzeichen) auch eine Genehmigung in Salzburg" (gemeint: Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO) bestehe, sowie, dass die neugeborene Tochter auf Grund von Geburtsschwierigkeiten "jedenfalls in nächster Zeit" etwas betreuungsbedürftiger als andere Kinder sei und ua. regelmäßig ins Krankenhaus zu Nachuntersuchungen gebracht werden müsse.
Der Beschwerdeführer zieht daraus folgende Schlüsse:
"Ich will mit diesen Ausführungen nicht zum Ausdruck bringen, dass ich stets vier oder fünf Tage in Wien verbringe und nur an meinen Vorlesungstagen in Salzburg sein werde. Ich werde durch andere dienstliche Verpflichtungen häufig daran gehindert sein, in Wien an meinen Forschungsvorhaben zu arbeiten. Ich will aber doch klarstellen, dass mir dies, wenn sich solche anderen Verpflichtungen (etwa im Rahmen der universitären Selbstverwaltung) nicht ergeben, möglich ist und ich diese Möglichkeit natürlich auch nutzen will. Es ist aber durchaus denkbar, dass ich in manchen Phasen während des Semesters im Durchschnitt etwas mehr Tage (nicht notwendigerweise Nächte) in Salzburg verbringen werde als in Wien.
Der letztgenannte Umstand veranlasst mich im Übrigen auch, meine Hauptwohnsitzmeldung in Salzburg aufrecht zu halten und damit auch einen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Salzburg anzunehmen. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungssenates schließt dies nach meiner Auffassung jedoch nicht aus, dass ich auch einen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Wien habe.
Ich habe schon meinen Antrag (bei ausdrücklicher Offenlegung meiner Hauptwohnsitzmeldung in Salzburg) wesentlich auch damit begründet, dass eine Analyse der einschlägigen Rechtsvorschriften nahe legt, dass man zwar nur einen Hauptwohnsitz haben kann, aber sehr wohl zwei Mittelpunkte der Lebensinteressen. Dies ist deshalb wesentlich, weil es nach § 45 Abs. 4 StVO für die Erteilung der gegenständlichen Bewilligung ausdrücklich nicht auf den Hauptwohnsitz, sondern auf den 'Mittelpunkt der Lebensinteressen' ankommt. Dass diese Voraussetzung nun gleichzeitig auf mehr als einen Wohnsitz (den Hauptwohnsitz) zutreffen kann, ergibt sich im Einzelnen aus § 1 Abs. 7 MeldeG, der von dieser Möglichkeit sogar ausgeht. Diese Bestimmung zwingt eine Person, die mehrere Mittelpunkte ihrer Lebensbeziehungen hat (bei der 'diese sachliche Voraussetzung bei einer Gesamtbetrachtung (...) auf mehrere Wohnsitze' zutrifft), als Hauptwohnsitz jenen Mittelpunkt der Lebensbeziehungen zu wählen, zu dem sie das überwiegende Naheverhältnis hat." (Hervorhebungen durch Unterstreichen durch den Verwaltungsgerichtshof).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Es entspricht der ständigen hg. Rechtsprechung, dass der Antragsteller für eine Bewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO im betreffenden Gebiet einen Wohnsitz haben muss und durch die 19. StVO-Novelle als zusätzliches und einschränkendes Kriterium normiert ist, dass der Antragsteller in dem betreffenden Gebiet auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen haben muss. Weiters hat der Gerichtshof im Erkenntnis vom 5. Juli 1996, Zlen. 96/02/0221, 0222, klargestellt, dass die Regelung im § 45 Abs. 4 StVO (in der zitierten Fassung) weder durch die B-VG-Novelle, BGBl. Nr. 504/1994, noch durch das Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. Nr. 505/1994, die beide nach der 19. StVO-Novelle in Kraft getreten sind, eine Änderung erfahren hat und dass in diesem Regelungszusammenhang nur EIN Mittelpunkt von Lebensinteressen (der durch Berücksichtigung sämtlicher Lebensumstände zu finden ist) in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2002, Zl. 99/02/0324).
Wenngleich dem Beschwerdeführer zuzubilligen ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Vorerkenntnissen den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Sinne des § 45 Abs. 4 StVO dort gesehen hat, wo (ua.) die Familie des Antragstellers aufhältig ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juli 1996, Zlen. 96/02/0221, 0222), so zeigt das auf die Familie bezogene Vorbringen des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall noch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Denn insbesondere auf Grund des Vorbringens des Beschwerdeführers selbst in der Beschwerde, er gehe davon aus, sowohl einen Mittelpunkt der Lebensinteressen in Salzburg als auch einen solchen in Wien zu haben (siehe die oben wörtlich wiedergegebenen Auszüge aus der Beschwerde), ist es nicht als rechtswidrig anzusehen, dass die belangte Behörde ua. auf Grund der Meldung des Hauptwohnsitzes in Salzburg sowie der Zulassung des gegenständlichen Fahrzeuges in Salzburg davon ausgegangen ist, dass sich DER maßgebliche Mittelpunkt der Lebensinteressen des Beschwerdeführers eben nicht in Wien befindet, zumal sich der Beschwerdeführer offensichtlich selbst nicht darüber im Klaren ist, wo - aus seiner Sicht - DER gemäß § 45 Abs. 4 StVO maßgebliche Mittelpunkt seiner Lebensinteressen liege (vgl. zur Bedeutung der Meldung des Hauptwohnsitzes und des Zulassungsortes eines Fahrzeuges als maßgebliches Indiz wiederum das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 2002, Zl. 99/02/0324 m.w.N.). Damit ist es nicht von ausschlaggebender Bedeutung, dass die belangte Behörde die aus den vom Beschwerdeführer beigebrachten Unterlagen ersichtlichen Zeiten, welche er in Salzburg auf Grund seiner Lehrverpflichtung verbringt, nicht zur Gänze richtig erkannt hat und dass sie (ohne zugrundeliegende Ermittlungen) allenfalls unrichtige Schlüsse auf den Zeitbedarf für Vorbereitungs- und Verbesserungsarbeiten gezogen hat.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Juni 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001020245.X00Im RIS seit
07.10.2002