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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §80 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des WG in S, vertreten Dr. Karl Wagner, Rechtsanwalt in 4780 Schärding, Unterer Stadtplatz 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 26. März 1996, Zl 114/6-10/Zi-1996, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach Ausweis des Firmenbuches war der Beschwerdeführer vom 18. März 1991 bis 27. Jänner 1993 Geschäftsführer der G GmbH. Am 25. Mai 1993 wurde über das Vermögen der G GmbH der Konkurs eröffnet.
Das Finanzamt nahm den Beschwerdeführer für spätestens am 10. Jänner 1993 fällig gewordene Abgaben der G GmbH von rund 940.000 S unter Hinweis auf § 80 BAO als Haftenden in Anspruch.
In der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, wie sich aus dem beiliegenden Schriftsatz ergebe, sei er bereits am 7. Oktober 1992 "kraft Stimmenmehrheit der Gesellschafter abberufen" worden, weswegen es unzulässig sei, ihn als Haftenden in Anspruch zu nehmen. Im eben erwähnten (formlosen) Schriftsatz hielten der mit 50 % und der mit 10 % an der G GmbH beteiligte HL und ML ua fest, sie hätten sowohl beschlossen, den Beschwerdeführer als Geschäftsführer der G GmbH mit sofortiger Wirkung abzuberufen, als auch wegen Gefahr im Verzug kurzfristig eine außerordentliche Gesellschafterversammlung einzuberufen.
Das Finanzamt hielt dem Beschwerdeführer vor, nach Ausweis des Firmenbuches sowie einer dementsprechenden Eingabe des von der G GmbH beauftragten Notars habe er erst in der am 27. Jänner 1993 abgehaltenen Generalversammlung seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt.
In der Vorhaltsbeantwortung behauptete der Beschwerdeführer, er sei durch die Stimmenmehrheit der Gesellschafter ab 7. Oktober 1992 in eine "entmachtete bzw handlungsunfähige Situation" versetzt worden. Die formelle Abberufung als Geschäftsführer sei anschließend zum ehestmöglichen Zeitpunkt erfolgt.
In einer abweisenden Berufungsvorentscheidung hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, er habe laut Eintragung im Firmenbuch in der am 27. Jänner 1993 abgehaltenen Generalversammlung seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt. Die Behauptung, er sei bereits am 7. Oktober 1992 "kraft Stimmenmehrheit der Gesellschafter abberufen" worden, gehe ins Leere, weil es sich hiebei um keinen rechtswirksamen Gesellschafterbeschluss handle. Wäre die behauptete Abberufung als Geschäftsführer vom 7. Oktober 1992 tatsächlich rechtswirksam geworden, hätte er nicht von sich aus in der am 27. Jänner 1993 abgehaltenen Generalversammlung seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklären müssen.
Ohne auf die Ausführungen in der Berufungsvorentscheidung einzugehen beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde hielt dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die §§ 16 und 34 GmbHG vor, aus welchen Gründen er nicht bereits am 7. Oktober 1992 als Geschäftsführer abberufen worden sei. Diese Gründe seien ihm offenbar auch bekannt gewesen, weil er in weiterer Folge in der am 27. Jänner 1993 abgehaltenen Generalversammlung seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe. Werde ein Geschäftsführer an der ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm obliegenden Pflichten behindert, müsse er entweder im Rechtsweg die ungehinderte Ausübung seiner Funktion erzwingen oder die Funktion zurücklegen. Ein Geschäftsführer sei berechtigt, seine Funktion jederzeit durch einseitige empfangsbedürftige Erklärung der GmbH gegenüber zurückzulegen. Auf die (deklarative) Eintragung im Firmenbuch komme es nicht an. Da er weder die ungehinderte Ausübung seiner Funktion erzwungen noch diese zurückgelegt habe, sei er als bis zum 27. Jänner 1993 tätiger Geschäftsführer als Haftender in Anspruch zu nehmen.
In der Vorbehaltsbeantwortung teilte der Beschwerdeführer mit, dem beiliegenden, von einem Notar aufgenommenen Protokoll über die am 27. Jänner 1993 abgehaltene Generalversammlung könne eindeutig entnommen werden, dass er spätestens am 7. Dezember 1992 seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe. In diesem Zusammenhang werde die Einvernahme des von seiner Verschwiegenheitspflicht entbundenen, stets für die G GmbH tätig gewesenen Rechtsanwalts Dr. W als Zeuge zur Klärung des Sachverhaltes beantragt. Im eben erwähnten Protokoll wurde ua Folgendes fest gehalten:
"Herr Dr. W teilt mit, dass Herr G (Beschwerdeführer) bereits zum 7.12.1992 ihm als
Firmenanwalt gegenüber die Zurücklegung der Geschäftsführung bekannt gegeben
hat. Herr Dr. W schlägt vor, dass mit heutigem Tag diese Zurücklegung zur Kenntnis genommen wird. .... Nach längerer Wechselrede bleibt Herr G dabei, dass
er die Geschäftsführung mit sofortiger Wirkung zurücklegt."
Der Aufforderung der belangten Behörde, als Zeuge eine Reihe von Fragen bezüglich des vom Beschwerdeführer behaupteten Rücktritts als Geschäftsführer schriftlich zu beantworten, kam Dr. W nicht nach.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den vom Finanzamt erlassenen Bescheid insofern ab, als sie den Haftungsbetrag nach Verrechnung der Konkursquote auf rund 840.000 S reduzierte. Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, nach § 16 GmbHG könne die Bestellung zum Geschäftsführer zwar durch einen einfachen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter jederzeit widerrufen werden. Für das Zustandekommen eines derartigen Beschlusses sei jedoch die Formvorschrift des § 34 GmbHG zu beachten. Danach sei neben einer Beschlussfassung in einer Generalversammlung eine schriftliche Beschlussfassung nur möglich, wenn sich entweder sämtliche Gesellschafter im einzelnen Fall schriftlich mit der zu treffenden Bestimmung oder doch mit der Abstimmung im schriftlichen Wege einverstanden erklärt hätten. Da die eben dargestellten Formvorschriften bei der "Beschlussfassung" am 7. Oktober 1992 unbestritten nicht eingehalten worden seien, sei der Beschwerdefrüher nicht als Geschäftsführer abberufen worden. Dies sei dem Beschwerdeführer offenbar auch bekannt gewesen, weil er in der am 27. Jänner 1993 abgehaltenen Generalversammlung seinen Rücktritt als Geschäftsführer erklärt habe. Überdies habe der Beschwerdeführer in der an das Finanzamt gerichteten Vorhaltsbeantwortung ausgeführt, die formelle Abberufung als Geschäftsführer sei anschließend zum ehestmöglichen Zeitpunkt erfolgt. Auch der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe seinen Rücktritt als Geschäftsführer spätestens am 7. Dezember 1992 erklärt, könne nicht gefolgt werden. Ein Geschäftsführer sei berechtigt, jederzeit - auch gegen den Willen der Gesellschafter - durch an die GmbH gerichtete einseitige empfangsbedürftige Erklärung seine Funktion zurückzulegen. Die dementsprechende Löschung eines Geschäftsführers im Firmenbuch habe nur deklarative Bedeutung. Der Beschwerdeführer habe behauptet, seinen Rücktritt als Geschäftsführer dem stets für die G GmbH tätig gewesenen Rechtsanwalt Dr. W bekannt gegeben zu haben. Da Dr. W weder Gesellschafter der G GmbH noch zeichnungsbefugt iSd § 18 Abs 4 GmbHG gewesen sei, habe ihm gegenüber keine rechtswirksame Erklärung über den Rücktritt des Beschwerdeführers als Geschäftsführer abgegeben werden können. Somit sei der Beschwerdeführer bis 27. Jänner 1993 Geschäftsführer der G GmbH gewesen. Da er nach seinen Angaben durch die Gesellschafter in eine entmachtete und handlungsunfähige Situation versetzt worden sei, wäre es an ihm gelegen, diesen Zustand im Rechtsweg abzustellen oder unverzüglich seine Funktion als Geschäftsführer zurückzulegen. Der Beschwerdeführer sei daher als Haftender für Abgabenschulden der G GmbH in Anspruch zu nehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist primär strittig, ob der Beschwerdeführer nur bis 7. Oktober 1992 (Ansicht des Beschwerdeführers) oder bis 27. Jänner 1993 (Ansicht der belangten Behörde) Geschäftsführer der G GmbH war.
Ungeachtet der §§ 16 und 34 GmbHG, der diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde und seinem Vorbringen im Administrativverfahren (vgl seine Vorhaltsbeantwortungen) behauptet der Beschwerdeführer, er sei durch die "Beschlussfassung" am 7. Oktober 1992, die den Formvorschriften des GmbHG entsprochen habe, mit diesem Tag wirksam als Geschäftsführer der G GmbH abberufen worden.
Diesbezüglich ist festzuhalten, dass sowohl das Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung als auch die belangte Behörde vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausführlich auf die Nichteinhaltung der Formvorschriften bei der "Beschlussfassung" am 7. Oktober 1992 hingewiesen haben. Der Beschwerdeführer ist diesen Feststellungen weder im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz noch in der an die belangte Behörde gerichteten Vorhaltsbeantwortung entgegengetreten, weswegen die belangte Behörde bereits aus diesem Grund zu Recht zu dem Schluss gelangt ist, der Beschwerdeführer sei am 7. Oktober 1992 nicht als Geschäftsführer abberufen worden. Überdies sprechen sowohl der Inhalt des von einem Notar aufgenommenen Protokolls über die am 27. Jänner 1993 abgehaltene Generalversammlung als auch die dementsprechende Eingabe des vom selben, von der G GmbH beauftragten Notars an das Firmenbuch dafür, dass der Beschwerdeführer bis 27. Jänner 1993 Geschäftsführer der G GmbH war.
Der Beschwerdeführer führt schließlich als Beweis für sein fehlendes Verschulden an der Nichtentrichtung von bei der G GmbH fällig gewordenen Abgaben ein ihn vom Vorwurf der fahrlässigen Krida freisprechendes Urteil an.
Hiezu genügt es darauf hinzuweisen, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs 1 BAO bewirken könnte (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0158, mwN).
Da der Beschwerdeführer keine weiteren Gründe vorbringt, die gegen eine schuldhafte Verletzung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Pflicht zur Entrichtung der bei der G GmbH für spätestens am 10. Jänner 1993 fällig gewordenen Abgaben sprechen, erweist sich die Beschwerde als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001. Wien, am 2. Juli 2002
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1996140068.X00Im RIS seit
18.11.2002