TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/2 96/14/0076

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Veröffentlicht am 02.07.2002
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
21/03 GesmbH-Recht;
25/01 Strafprozess;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §248;
BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §15;
GmbHG §18 Abs1;
GmbHG §18;
StPO 1975 §109;
StPO 1975 §259;
StPO 1975 §458 Abs2;
StPO 1975 §90 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und den Senatspräsidenten Dr. Karger sowie die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des HS in S, Deutschland, vertreten durch Dr. Martin Stossier und Dr. Hans Leitner, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Ringstraße 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 2. April 1996, Zl 209/4-10/Zi-1996, betreffend Haftung für Abgabenschulden, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war seit 18. Dezember 1992 - zunächst gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer bzw einem Prokuristen und ab 8. Juli 1993 alleiniger - Geschäftsführer der WR GmbH. Am 19. Oktober 1993 wurde über das Vermögen der WR GmbH der Konkurs eröffnet.

Das Finanzamt hielt dem Beschwerdeführer vor, es beabsichtige, ihn gemäß § 9 Abs 1 BAO für die vor Konkurseröffnung fällig gewordenen, der Abgabenart und jeweiligen Höhe nach aufgegliederten Abgabenschulden der WR GmbH von rund 1,6 Mio als Haftenden in Anspruch zu nehmen. Unter Hinweis auf die dem Geschäftsführer einer GmbH im Rahmen des § 9 BAO treffenden Nachweispflichten forderte das Finanzamt den Beschwerdeführer u. a. auf, seine wirtschaftlichen Verhältnisse eingehend darzustellen.

In seinen Stellungnahmen führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, so weit ihm Unterlagen vorgelegt worden seien, habe er entsprechende Zahlungen veranlasst bzw Unterlagen dem Gesellschafter FO übergeben. Für Zahlungen sei jedoch allein FO zuständig gewesen sei, weswegen es nicht ausgeschlossen sei, dass Schulden nicht beglichen worden seien. Er sei nur pro forma Geschäftsführer der WR GmbH gewesen. FO sei der tatsächliche "Macher hinter dem Firmengestrüpp" gewesen. Er habe trotz seiner Stellung als Geschäftsführer der WR GmbH keine Dispositionsbefugnis gehabt. Weitere Angaben, insbesondere zu seinen wirtschaftlichen Verhältnisse, machte der Beschwerdeführer nicht.

Das Finanzamt nahm den Beschwerdeführer für Abgabenschulden der WR GmbH von rund 1,6 Mio S unter Aufgliederung der Abgabenart und jeweiligen Höhe als Haftenden mit der Begründung in Anspruch, auch ein pro forma Geschäftsführer hafte für Abgabenschulden iSd § 9 Abs 1 BAO.

In der Berufung führte der Beschwerdeführer aus, als Geschäftsführer der WR GmbH sei er den Weisungen der Gesellschafter unterworfen gewesen. Er habe nach den ihm gegebenen Weisungen gehandelt, weswegen ihn kein Verschulden an der Nichtentrichtung von bei der WR GmbH angefallenen Abgaben treffe, was sich aus der Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Finanzstrafverfahrens ergebe.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid änderte die belangte Behörde den vom Finanzamt erlassenen Bescheid insofern ab, als sie den Haftungsbetrag nach Verrechnung der Konkursquote auf rund 1,5 Mio S reduzierte. Nach Darstellung der gesetzlichen Bestimmungen sowie der dazu ergangenen hg Rechtsprechung führte die belangte Behörde zur Begründung im Wesentlichen aus, für das Verschulden nach § 9 Abs 1 BAO sei es nicht maßgebend, ob der Geschäftsführer seine Funktion als Vertreter einer GmbH tatsächlich ausgeübt habe. Vielmehr komme es darauf an, ob er als Geschäftsführer zum Vertreter einer GmbH bestellt worden sei und ihm daher diese Funktion auszuüben oblegen wäre. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liege auch vor, wenn sich der Geschäftsführer einer GmbH schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw eine solche Beschränkung in Kauf genommen habe, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen, insbesondere auch dem Bund als Abgabengläubiger gegenüber, unmöglich mache. Der Hinweis, er sei nur pro forma Geschäftsführer der RW GmbH gewesen, vermöge den Beschwerdeführer daher nicht zu entschuldigen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, er habe keine Dispositionsbefugnis gehabt. Über Zahlungen habe allein FO entschieden, weswegen es nicht auszuschließen sei, dass Schulden nicht beglichen worden seien. Der Beschwerdeführer habe somit die Funktion eines Geschäftsführers übernommen, ohne zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich in der Lage zu sein, weswegen ihn ein haftungsbegründendes Verschulden iSd § 9 Abs 1 BAO für die Nichtentrichtung jener Abgaben treffe, die während der Zeit angefallen seien, in der er als Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Der Umstand, dass die Umsatzsteuer für Juli 1993 erst im Anschluss an die nach Konkurseröffnung durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung festgesetzt worden sei, ändere nichts an deren Fälligkeit vor Konkurseröffnung. Die Einstellung des gegen den Beschwerdeführer eingeleiteten Finanzstrafverfahrens bewirke keine Bindung der Abgabenbehörde hinsichtlich der Inanspruchnahme des Beschwerdeführers als Haftenden für Abgabenschulden der WR GmbH.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Unbestritten ist sowohl die Uneinbringlichkeit der aushaftenden Abgabenschulden bei der WR GmbH als Primärschuldnerin als auch deren Fälligkeit während der Zeit, in der der Beschwerdeführer als alleiniger Geschäftsführer der WR GmbH bestellt gewesen ist.

Strittig ist, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Nichtentrichtung der aushaftenden Abgabenschulden trifft.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, hat der Geschäftsführer einer GmbH, der sich in der ordnungsgemäßen Erfüllung seiner Pflichten durch die Gesellschafter oder durch dritte Personen behindert sieht, entweder sofort im Rechtsweg die Möglichkeit der unbehinderten Ausübung seiner Funktion zu erzwingen oder seine Funktion niederzulegen und als Geschäftsführer auszuscheiden. Auch binden im Innenverhältnis erteilte Weisungen den Geschäftsführer insoweit nicht, als sie ihn zur Verletzung zwingender gesetzlicher Verpflichtungen nötigen. Ein für die Haftung relevantes Verschulden liegt aber auch dann vor, wenn sich der Geschäftsführer schon bei Übernahme seiner Funktion mit einer Beschränkung seiner Befugnisse einverstanden erklärt bzw eine solche Beschränkung in Kauf nimmt, die die künftige Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtung, insbesondere dem Bund als Abgabengläubiger gegenüber, unmöglich macht (vgl beispielsweise das hg Erkenntnis vom 23. Jänner 1997, 95/15/0163).

Mit der Behauptung, er sei nur pro forma Geschäftsführer der RW GmbH gewesen, weswegen er nicht als Haftender in Anspruch genommen werden könne, zeigt der Beschwerdeführer daher keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Der Beschwerdeführer hat im Administrativverfahren angegeben, er habe trotz seiner Stellung als Geschäftsführer keine Dispositionsbefugnis gehabt. Über Zahlungen habe allein FO entschieden, weswegen es nicht auszuschließen sei, dass Schulden nicht beglichen worden seien. Wie die belangte Behörde somit zu Recht ausgeführt hat, hat der Beschwerdeführer die Funktion eines Geschäftsführers übernommen, ohne zur Wahrnehmung der abgabenrechtlichen Pflichten tatsächlich in der Lage zu sein, weswegen ihn ein haftungsbegründendes Verschulden iSd § 9 Abs 1 BAO für die Nichtentrichtung jener Abgaben trifft, die während der Zeit angefallen sind, in der er als Geschäftsführer bestellt gewesen ist.

Das Beschwerdevorbringen, er hätte keinen Grund gehabt, von der Nichtentrichtung der Abgaben bzw von der Nichtbefolgung seiner Weisungen auszugehen, weswegen ihn kein Verschulden treffe, stellt nicht nur eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unbeachtliche Neuerung iSd § 41 Abs 1 VwGG dar, sondern widerspricht auch dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Administrativverfahren.

Mit der Behauptung, aus dem fristgerecht gestellten Konkursantrag ergebe sich, dass er die ihm als Geschäftsführer der WR GmbH auferlegten Pflichten ordnungsgemäß erfüllt habe, zeigt der Beschwerdeführer keineswegs auf, dass er nicht als Haftender für Abgabenschulden der RW GmbH in Anspruch genommen werden dürfe. Denn bei der Inanspruchnahme als Haftender nach § 9 Abs 1  BAO ist nur die Verletzung abgabenrechtlicher Bestimmungen relevant (vgl das hg Erkenntnis vom 18. Jänner 1995, 91/13/0037, mwN).

Mit der Behauptung, die belangte Behörde hätte erforschen müssen, ob und in welchem Zeitpunkt überhaupt noch liquide Mittel bei der WR GmbH vorhanden gewesen seien, verkennt der Beschwerdeführer die Rechtslage. Nach ständiger hg Rechtsprechung ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür habe Sorge tragen können, dass die GmbH die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der GmbH zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit der angefallenen Abgaben gewesen ist. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der GmbH auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der GmbH nicht ausgereicht haben, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet worden sind. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze (vgl das hg Erkenntnis vom 27. September 2000, 95/14/0056).

Trotz Vorhalts des Finanzamtes hat der Beschwerdeführer im Administrativverfahren lediglich seine mangelnde Dispositionsbefugnis als Grund für die Nichtentrichtung der angefallenen Abgaben ins Treffen geführt. Die belangte Behörde war daher mangels entsprechender Behauptungen oder Beweisanbote keineswegs verpflichtet zu ermitteln, ob andere haftungsausschließende Gründe vorlägen.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde vor, bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Finanzstrafverfahrens nicht berücksichtigt zu haben. Diesbezüglich genügt es darauf hinzuweisen, dass weder ein völliges Unterbleiben eines Strafverfahrens, noch die Einstellung von Vorerhebungen oder einer Voruntersuchung, noch ein freisprechendes Urteil des Strafgerichtes eine Bindung der Abgabenbehörde bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen nach § 9 Abs 1 BAO bewirken könnte. Während der Tatbestand der Abgabenhinterziehung ein vorsätzliches Handeln erfordert, setzt die Haftung des Geschäftsführers eine bestimmte Schuldform nicht voraus (vgl das hg Erkenntnis vom 22. Februar 2000, 96/14/0158, mwN).

Der Beschwerdeführer zeigt schließlich nicht auf, die belangte Behörde hätte bei seiner Inanspruchnahme als Haftender das Ermessen nicht dem Gesetz entsprechend geübt. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Fälligkeit der aushaftenden Abgabenschulden alleiniger Geschäftsführer der WR GmbH und somit der einzig in Betracht kommende Haftungspflichtige iSd § 9 Abs 1 iVm §§ 80 ff BAO gewesen ist. Bezüglich der Behauptung, die belangte Behörde hätte im Rahmen der Ermessenentscheidung berücksichtigen müssen, dass er nur pro forma Geschäftsführer war, wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Zum Vorwurf, der ihm als Haftenden vorgeschriebene Betrag stehe in keinem Verhältnis zu seinem geringen Einkommen, wird bemerkt, dass der Beschwerdeführer bereits vom Finanzamt aufgefordert worden ist, seine wirtschaftlichen Verhältnisse eingehend darzulegen. Schon wegen der Nichtbeantwortung dieses Vorhaltes war die belangte Behörde nicht verpflichtet, darauf einzugehen.

Die behauptete Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer weist zwar zutreffend darauf hin, dass aus der im § 248 BAO vorgesehenen Möglichkeit der Berufung des als Haftenden in Anspruch Genommenen auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch folgt, dass ihm - als Voraussetzung für die Ausübung seines Rechts - von der Behörde über den haftungsbegründenden Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist. Schon vor Erlassung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides hat das Finanzamt dem Beschwerdeführer jedoch die Abgabenart und deren jeweilige Höhe mitgeteilt, für die er als Haftender in Anspruch genommen werden sollte. Sowohl in der Begründung des erstinstanzlichen Haftungsbescheides als auch im nunmehr angefochtenen Bescheid sind die Abgabenart und deren jeweilige Höhe, für die der Beschwerdeführer als Haftender in Anspruch genommen worden ist, aufgegliedert. Dem Beschwerdeführer wäre es daher möglich gewesen, von der im § 248 BAO vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch zu machen.

Die Beschwerde erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001. Wien, am 2. Juli 2002

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:1996140076.X00

Im RIS seit

18.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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