TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/2 2002/14/0052

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Veröffentlicht am 02.07.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §7 Abs1;
FinStrG §7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde der G R in R, vertreten durch Dr. Stefan Glaser, Rechtsanwalt in 4910 Ried, Hauptplatz 17, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat) als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 31. Mai 2000, Zl. RV 908/1-10/2000, betreffend Abgabenhinterziehung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin im Instanzenzug schuldig erkannt, sie habe in den Jahren 1993 bis 1996 im Bereich eines konkret genannten Finanzamtes vorsätzlich a) unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitspflicht, nämlich der bescheidmäßig verfügten Verpflichtung zur Abgabe von Lohnsteueranmeldungen, für die Zeiträume Oktober und Dezember 1993 sowie Jänner, Februar, April, Mai, Juni, August, Oktober, November und Dezember 1995 eine Verkürzung von Lohnsteuer und an Dienstgeberbeitrag sowie an Zuschlägen zum Dienstgeberbeitrag bewirkt, sowie b) unter Verletzung der Verpflichtung zur Abgabe von dem § 21 UStG 1994 entsprechenden Voranmeldungen eine Verkürzung von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Monate August und September 1993 bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten. Sie habe damit das Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG (Faktum a) und nach § 33 Abs. 2 lit. a FinStrG (Faktum b) begangen, weshalb eine Geldstrafe von 80.000 S (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Wochen) verhängt werde.

In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, die Beschwerdeführerin, eine langjährig erfahrene Unternehmerin und Arbeitgeberin, habe sich anlässlich einer Vielzahl von  -im einzelnen im angefochtenen Bescheid angeführten - Lebenssachverhalten intellektuell mit ihren wesentlichen abgabenrechtlichen Pflichten, nämlich der Pflicht zur Abgaben von Lohnsteueranmeldungen und zur Entrichtung von Lohnabgaben, auseinandergesetzt. Sie habe daher das Wissen um die abgabenrechtlichen Pflichten erworben. Die von der Beschwerdeführerin gewählte Vorgangsweise der Unterlassung der Entrichtung der Abgaben und der Einreichung der Abgabenerklärungen finde ihre Erklärung offensichtlich in ihrer schwierigen finanziellen Situation, welche sie dazu verleitet habe, "von der Republik Österreich nach Möglichkeit immer wieder vorübergehend rechtswidrig Kredite zu erzwingen". Zu Recht habe der erstinstanzliche Senat den Versuch der das Rechtswissen um die zeitgerechte Einreichung der Lohnsteueranmeldung leugnenden Beschwerdeführerin, ihr Verhalten mit einer die Erfüllung der Pflichten verhindernden Erkrankung zu erklären, als nicht stichhaltig qualifiziert. Eine vor Jahrzehnten aufgetretene Tumorerkrankung sei erfreulicherweise überwunden. Ein Hinweis, dass eine im Jahr 1994 zum Ausbruch gekommene Psoriasis die Beschwerdeführerin an der Erfüllung ihrer Pflichten gehindert hätte, sei der Aktenlage nicht zu entnehmen und werde von der Beschwerdeführerin nicht hinsichtlich konkreter Umstände behauptet. Bezüglich der verkürzten Umsatzsteuervorauszahlungen stehe fest, dass die Beschwerdeführerin als langjährige Unternehmerin offensichtlich mit ihren entsprechenden abgabenrechtlichen Pflichten vertraut gewesen sei, aber dennoch bis zur Fälligkeit weder die Vorauszahlungen geleistet noch die Voranmeldungen eingereicht habe. Sie habe auch gewusst, dass sie die Umsatzsteuervorauszahlungen mangels finanzieller Mittel nicht werde entrichten können. Die Umsatzsteuervoranmeldung für August 1993 sei am 11. Oktober 1993 erstellt und schließlich am 6. Dezember 1993 beim Finanzamt eingereicht worden. Die Umsatzsteuervoranmeldung für September 1993 sei am 10. November 1993 unterfertigt, aber ebenfalls erst am 6. Dezember 1993 beim Finanzamt eingereicht worden. Im Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlungen habe die Beschwerdeführerin über keine bzw keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt. Im Hinblick auf das Andrängen des Abgabengläubigers (Hinweis auf den Vollstreckungsakt) und das dramatische Anwachsen des Abgabenrückstandes schließe die belangte Behörde auf ein Taktieren der Beschwerdeführerin, das auf die Erzwingung von Abgabenkrediten hinauslaufe, wobei die Beschwerdeführern wohl gehofft habe, sie könne in der Zukunft bei der Erstattung einer Selbstanzeige über liquide Mittel verfügen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

In der Beschwerde wird vorgebracht, die belangte Behörde habe den Umstand außer Acht gelassen, dass die Beschwerdeführerin seit dem Jahr 1994 an einer hochgradigen Psoriasis leide und aus diesem Grunde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von über 60% bestanden habe. Die belangte Behörde und auch die Erstbehörde hätten amtswegig Feststellungen drüber treffen müssen, in welchem Ausmaß die Beschwerdeführerin durch Psoriasis an der Erfüllung ihrer Pflichten gehindert gewesen sei bzw. ihr die Erfüllung ihrer Verpflichtungen zumutbar gewesen sei. Weiters hätte die belangte Behörde berücksichtigen müssen, dass die Beschwerdeführerin beim Finanzamt ein Sammelkonto gehabt habe, auf welchem neben den Abgabenlasten auch die Zahlungen der Finanzlandesdirektion, die das Entgelt für die von der Beschwerdeführerin durchgeführten Schülertransporte im Rahmen der Schülerfreifahrten darstellten, verbucht worden seien. Die Beschwerdeführerin sei davon ausgegangen, dass die Abgabenschuld mit den Zahlungen der Finanzlandesdirektion aufgerechnet worden sei. Die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen betreffend diese Zahlungen der Finanzlandesdirektion getroffen. Da die Beschwerdeführerin davon ausgegangen sei, dass ihre Forderungen gegenüber der Finanzlandesdirektion die Abgabenlasten decken würden, könne nicht von Vorsatz ausgegangen werden. Auch hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen für August und September 1993 habe die belangte Behörde nicht geprüft, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführerin im Hinblick auf ihre Psoriasis-Erkrankung in der Lage gewesen sei, den Geschäftsgang zu kontrollieren und für die Entrichtung der Umsatzsteuer Sorge zu tragen. Dies sei umso deutlicher, als die belangte Behörde die Feststellung getroffen habe, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen rechtzeitig erstellt und unterfertigt, aber nicht beim Finanzamt eingereicht worden seien. Die belangte Behörde habe nicht festgestellt, warum die Beschwerdeführerin die Einreichung der unterschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassen habe. Sie hätte solche Feststellungen auch im Hinblick auf die Frage des Vorsatzes treffen müssen. Die belangte Behörde habe auch hinsichtlich der Umsatzsteuervorauszahlungen keine Feststellungen über die Zahlungen der Finanzlandesdirektion (Entgelt für Schülertransporte) getroffen.

Mit diesem Vorbringen wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt.

Der mit "Zurechnungsunfähigkeit" überschriebene § 7 FinStrG lautet:

"(1) Wer zur Zeit der Tat wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, handelt nicht schuldhaft.

(2) Nicht strafbar ist, wer zur Zeit der Tat das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat.

(3) Ist der Täter zur Zeit der Tat zwar 14, aber noch nicht 19 Jahre alt, so ist er nicht strafbar, wenn er aus bestimmten Gründen noch nicht reif genug ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln."

Bereits im Verwaltungsstrafverfahren wurde vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin seit 1994 an Psoriasis, auch Schuppenflechte genannt, leide. Die belangte Behörde hat sich im angefochtenen Bescheid damit auseinander gesetzt und festgestellt, es sei weder der Aktenlage zu entnehmen noch konkret behauptet worden, dass die Beschwerdeführerin durch diese Erkrankung an der Wahrnehmung ihrer Pflichten gehindert gewesen sei. Auch in der Beschwerde wird nicht konkret behauptet, dass die Beschwerdeführerin durch die Krankheit daran gehindert gewesen wäre, ihren abgabenrechtlichen Verpflichtungen, sei es persönlich, sei es durch eine von ihr bestellte Person, nachzukommen.

Soweit das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen ist, dass der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Krankheit die Zurechnungsfähigkeit mangle, ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Beschwerde nicht behauptet, es wäre bereits im Verwaltungsstrafverfahren ein entsprechendes Vorbringen erstattet worden. Zudem könnte, wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 15. März 1988, 87/14/0193, zum Ausdruck gebracht hat, Zurechnungsunfähigkeit iSd § 7 Abs. 1 FinStrG überhaupt nur dann angenommen werden, wenn die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit der betreffenden Person ausgeschlossen gewesen wäre. Der Ausnahmezustand muss, um Unzurechnungsfähigkeit zu begründen, so intensiv und ausgeprägt sein, dass das Persönlichkeitsbild des Betroffenen zerstört ist. Hinweise auf eine derartige Zerstörung des Persönlichkeitsbildes sind bei der in Rede stehenden Erkrankung in keiner Weise naheliegend. Bei dieser Sachlage war die belangte Behörde auch nicht verpflichtet, von Amts wegen iSd § 57 Abs. 2 FinStrG der Frage einer Unzurechnungsfähigkeit weiter nachzugehen. Im Übrigen ist auch dem Beschwerdevorbringen kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die Persönlichkeit der Beschwerdeführerin im hier maßgeblichen Sinn "zerstört" gewesen wäre.

Im Hinblick auf das Unterlassen der Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen und der Entrichtung der Umsatzsteuervorauszahlungen für August und September 1993 kann der Psoriasis-Erkrankung überdies schon deshalb keine Bedeutung zukommen, weil diese Erkrankung - nach dem Vorbringen in der Beschwerde und auch im Verwaltungsstrafverfahren - erst im Jahr 1994 aufgetreten ist.

In der Beschwerde wird auch auf aus Schülertransporten resultierende Entgeltsforderungen der Beschwerdeführerin gegenüber dem Bund hingewiesen. Entscheidend ist allerdings, dass es die Beschwerdeführerin unbestritten unterlassen hat, die Höhe der lohnabhängigen Abgaben und der Umsatzsteuervorauszahlungen dem Finanzamt zu erklären. Der belangten Behörde kann im Hinblick auf dieses Unterbleiben der Bekanntgabe der Abgabenhöhe nicht entgegengetreten werden, dass sie den Willen der Beschwerdeführerin auf Verrechnung der - dem Finanzamt nicht offengelegen - Abgabenschulden mit einer allfälligen Gegenforderung nicht in Betracht gezogen hat. Die Beschwerde behauptet auch nicht, dass im Verwaltungsstrafverfahren ein entsprechendes Vorbringen, die Einreichung der Abgabenerklärungen und die Entrichtung der Abgaben wären im Vertrauen auf die Verrechnung mit einer Gegenforderung unterblieben, erstattet worden wäre.

Unzutreffend ist auch der Vorwurf, die belangte Behörde habe sich nicht damit auseinander gesetzt, aus welchem Grund die Einreichung der unterschriebenen Umsatzsteuervoranmeldungen unterblieben sei, wird doch im angefochtenen Bescheid die Feststellung getroffen, die Beschwerdeführerin habe sich deshalb zu der von ihr gewählten Vorgangsweise entschlossen, um sich vom Abgabengläubiger "Kredit" zu verschaffen.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002140052.X00

Im RIS seit

18.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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