TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/2 2002/14/0016

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Veröffentlicht am 02.07.2002
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §184;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag.iur. Mag.(FH) Schärf, über die Beschwerde des A S in S, vertreten durch Mag. Dr. Axel Dallinger, Rechtsanwalt in 4600 Wels, Almgasse 14, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom 20. Dezember 2001, Zl RV 742/1-6/2000, betreffend ua Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997 und Verspätungszuschlag betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerde, welche im Sinn des § 24 Abs 2 VwGG eine Unterschrift eines Rechtsanwaltes oder Wirtschaftsprüfers nicht aufwies, dem ihr in Kopie angeschlossenen angefochtenen Bescheid und einer nach antragsgemäßer Bewilligung der Verfahrenshilfe übermittelten Beschwerdeergänzung zufolge wurde mit dem angefochtenen Bescheid ua eine Berufung gegen die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 sowie die damit im Zusammenhang stehenden Verspätungszuschlagsbescheide abgewiesen.

In den Einkommensteuerbescheiden waren mangels Einreichung von Abgabenerklärungen jeweils Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 120.000,-- geschätzt worden, weil das Finanzamt auf Grund von bekannt gewordenen Umständen davon ausgegangen war, dass der Beschwerdeführer, welcher das Tischlerhandwerk erlernt und in den Jahren 1972 bis zu seiner Entlassung aus dem Schuldienst im Jahr 1990 an einer Berufsschule unterrichtet hatte, ohne über eine Gewerbeberechtigung zu verfügen, Arbeiten vorwiegend im Bereich der Tischlerei übernommen habe. Die Arbeiten habe er sich durch Inserate in einer Zeitung beschafft. Nach den Angaben des Beschwerdeführers in einer Niederschrift am Gendarmerieposten S. am 8. Juni 1998 seien die Aufträge gering gewesen und hätten nur die "anfallenden Kosten gedeckt" werden können.

Im angefochtenen Bescheid wurde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer Holztreppen und Geländer sowie Stufenbelege montiert habe. In seiner Vernehmung am Gendarmerieposten S. vom 8. Juni 1998 habe der Beschwerdeführer angegeben, wegen der niedrigen Notstandshilfe monatlich kaum "über die Runden" gekommen zu sein. Überdies hätten zwei namentlich genannte Personen (Christian A. und Helene B.) bestätigt, dass der Beschwerdeführer für sie tätig gewesen sei. Eine Petra S. habe als Auskunftsperson ausgesagt, dass der Beschwerdeführer am Wochenende zu diversen Baustellen fahre und seine Arbeit, wie den Einbau von Holzstiegen und Geländer, anbiete. Er sei mit einem Privat-Pkw unterwegs gewesen und habe im Kofferraum Muster mit gehabt. Die belangte Behörde würdigte das Vorbringen des Beschwerdeführers im Berufungsverfahren, die Inserate in den Zeitungen hätten seine Freunde in der Hoffnung aufgegeben, dass der Beschwerdeführer dadurch "ab und zu eine kleine Gefälligkeit erledigen könne, um besser über die Runden" zu kommen, als unglaubwürdig, weil die Schaltung von Inseraten betreffend Pfuschertätigkeiten durch Personen, die diese Leistung selbst gar nicht erbringen, ungewöhnlich sei. Einen Nachweis für die Richtigkeit dieser ungewöhnlichen Behauptung habe der Beschwerdeführer nicht erbracht. Der Beschwerdeführer habe sich überdies wiederholt geweigert, seine Werkstätte und Holzvorräte besichtigen zu lassen, obwohl er eingeräumt habe, dass jeder Handwerker entsprechendes Werkzeug zu Hause habe. Nachteilige Folgen aus gewissen Ungenauigkeiten der Schätzung, welche im Wesen der Schätzung lägen, habe sich der Beschwerdeführer wegen seiner beharrlichen Weigerung konstruktiver Mitwirkung bei der Wahrheitsfindung selbst zuzuschreiben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Vor dem Hintergrund einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides wird insbesondere gerügt, es sei unzulässig, von nach den entscheidungsrelevanten Zeiträumen liegenden Umständen Grundlagen für eine Schätzung abzuleiten. Die belangte Behörde habe "die Höhe der Schätzung" praktisch ausschließlich mit Feststellungen begründet, welche nicht die streitgegenständlichen Abgabenzeiträume betroffen hätten, und bezieht sich diesbezüglich darauf, dass der Beschwerdeführer von Christian A. für die Lieferung und Montage von Treppenholzplatten S 30.000,-- erst am 10. Februar 1999 bekommen habe. Auch das im angefochtenen Bescheid zitierte Gedächtnisprotokoll der Petra S. biete für die Schätzung allfälliger Einkünfte des Beschwerdeführers im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bei richtiger rechtlicher Beurteilung keine taugliche Grundlage, da sich die darin angeführten Tätigkeiten des Beschwerdeführers "offensichtlich" auf den Zeitraum ab 1998 bezogen hätten. Auch die weiters von der belangten Behörde zur Begründung ihrer Schätzung herangezogene Niederschrift des Beschwerdeführers vor dem Gendarmerieposten S. vom 8. Juni 1998 sei für die zwingend erforderliche zeitraumbezogene Einschätzung allfälliger Einkünfte des Beschwerdeführers ungeeignet. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre sohin von den in der angefochtenen Entscheidung dargestellten Ausgangspunkten und Überlegungen für die Schätzung allein die im streitgegenständlichen Abgabenzeitraum, nämlich 1997, liegende Herstellung einer Holztreppe (Helene B.) als Schätzungsgrundlage geeignet gewesen. Auch die Ausführungen der belangten Behörde, wonach davon auszugehen sei, dass der Beschwerdeführer bei der Weitergabe des von ihm eingekauften Materials einen "entsprechenden Aufschlag" auf seinen Einkaufspreis des "sehr günstig bezogenen Holzes" vorgenommen habe, ließen nicht schlüssig erkennen, wie ohne Feststellungen betreffend den tatsächlichen Materialaufwand auf einen "Gewinn" des Beschwerdeführers im Einzelfall und einen Jahresgewinn von S 120.000,-- im Jahr 1997 hätte geschlossen werden können. Für eine Schätzung - auch in Gestalt der von der belangten Behörde erwähnten Vollschätzung - hätte es daher bei richtiger rechtlicher Beurteilung einer entsprechenden zeitraumbezogenen Betrachtung sowie der Ermittlung geeigneter Schätzungsgrundlagen bedurft. Mangels diesbezüglicher Ausführungen stelle sich die Schätzung der belangten Behörde entgegen der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als solche der Besteuerungsgrundlagen, sondern der Abgaben selbst dar, was auch im Fall einer Vollschätzung unzulässig sei. Die ergänzende Argumentation der belangten Behörde, wonach das Schätzungsergebnis auch mit den "durchschnittlichen Verbrauchsausgaben" laut Konsumerhebung 1993, 1994 im Einklang stünde, vermöge das Schätzungsergebnis schon deshalb nicht zu tragen, da diese Statistik, welcher offensichtlich gesamtösterreichische Konsumerhebungen betreffend alle Einkommensschichten zu Grunde lägen, weder allgemein gültig noch bei der gegenständlichen Einzelfallentscheidung repräsentativ sei. Der Beschwerdeführer habe im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezogen. Da die Notstandshilfe nach der Wertung des Gesetzgebers zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten ausreichend sei, sei entgegen der Argumentation der belangten Behörde davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer bei (unwidersprochen) sparsamster Lebensführung nicht, jedenfalls bei weitem nicht in Höhe der erfolgten Schätzung, auf die Erzielung weiterer Einkünfte angewiesen gewesen sei. Der angefochtene Bescheid enthalte demzufolge hinsichtlich des streitgegenständlichen Zeitraumes keine verwertbaren konkreten Feststellungen, welche für die (beispielhaft) angeführten Schätzungsmethoden des äußeren Betriebsvergleiches oder der Schätzung nach dem Lebensaufwand geeignet wären. Für eine Schätzung nach dem Lebensaufwand wären nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes neben allgemeinen (nachvollziehbaren) Erfahrungswerten insbesondere die konkreten, persönlichen, familiären und wirtschaftlichen Verhältnisse heranzuziehen gewesen.

Dieses Vorbringen ist aus folgenden Gründen nicht geeignet, die behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen: Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass im angefochtenen Bescheid Umstände aufgezeigt wurden, welche die belangte Behörde zur Annahme berechtigten, der Beschwerdeführer habe steuerlich relevante Einkünfte erzielt, sie aber gegenüber der Abgabenbehörde nicht offen gelegt. Er meint aber, diese Umstände seien nicht geeignet, eine Schätzungsberechtigung hinsichtlich der Streitjahre 1994 bis 1997 schlüssig anzunehmen. Dies ist hinsichtlich des Streitjahres 1997 schon deshalb unrichtig, weil die vom Beschwerdeführer gegenüber Helene B erbrachte Leistung unstrittig im Jahr 1997 erfolgte. Der Beschwerdeführer behauptet aber auch nicht, im Berufungsverfahren vorgetragen zu haben, dass er erst 1997 begonnen habe, derartige Leistungen zu erbringen. Im Berufungsverfahren hat der Beschwerdeführer vielmehr einkommensteuerlich relevante Einkünfte völlig in Abrede gestellt und versucht, alle dagegen sprechenden Beweisergebnisse - wie etwa die Inserate, in welchen entsprechende Leistungen angeboten wurden und auch seine Aussage vor dem Gendarmerieposten vom 8. Juni 1998 , worin die Annahme "geringer Aufträge" eingestanden worden war - als nicht beweiskräftig darzustellen. Es kann daher nicht als rechtswidrig beurteilt werden, wenn die belangte Behörde die (nunmehr unbestrittenen) jedenfalls ab 1997 für die Erzielung von steuerlich nicht einbekannten Einkünfte sprechenden Umstände als geeignet angesehen hat, solche Einkünfte bereits ab 1994 als erwiesen anzunehmen, da der Beschwerdeführer schon in diesem Jahr (und davor) lediglich Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezogen hatte. Der Beschwerdeführer hat in keiner Weise dargetan, dass erst 1997 Umstände eingetreten wären, die es ihm nicht mehr ermöglichten, im Sinne seiner Aussage vom 8. Juni 1998 vor dem Gendarmerieposten S., mit der geringen Notstandshilfe "über die Runden zu kommen". Die belangte Behörde durfte daher auf Grund des Beweisergebnisses von einer Schätzungsberechtigung auch schon für die Jahre 1994 bis 1996 ausgehen.

Zur Höhe der Schätzung ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde nach Lage des Falles mangels Mitwirkung des Beschwerdeführers oder anderer feststellbarer Anhaltspunkte auf eine griffweise Schätzung angewiesen war, welche auch eine Berücksichtigung konkreter Materialkosten ausschloss. In diesem Zusammenhang ist auch dem Beschwerdevorbringen entgegenzutreten, dass die Behörde der Höhe ihrer Schätzung insbesondere die Lieferung und Montage von Treppenholzplatten an Christian A. zu Grunde gelegt hätte. Der diesbezügliche Sachverhalt diente neben anderen als erwiesen angenommenen Sachverhaltselementen entgegen der Annahme des Beschwerdeführers vielmehr der Begründung der Schätzungsberechtigung.

Mit dem Umstand, dass die Notstandshilfe "nach der Wertung des Gesetzgebers" zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten (im Allgemeinen) ausreicht, wird weder dargetan, dass auch der Beschwerdeführer weitere Einkünfte tatsächlich nicht, noch "jedenfalls bei weitem nicht in Höhe der erfolgten Schätzung" erzielt hat. Das diesbezügliche Beschwerdevorbringen ist daher ebenfalls nicht geeignet, die behauptete Rechtsverletzung des Beschwerdeführers aufzuzeigen.

Soweit der Beschwerdeführer als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, ihm seien Informationen über die Schätzungsmethode und das zu erwartende Schätzungsergebnis nicht zur Kenntnis gebracht worden, ist darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde von der Schätzungsmethode und dem Schätzungsergebnis der erstinstanzlichen Bescheide nicht abgewichen ist. Der Beschwerdeführer hatte daher allenfalls Veranlassung und ausreichend Gelegenheit, im Berufungsverfahren dazu Stellung zu nehmen. Weder in der Beschwerde noch in der Beschwerdeergänzung wird allerdings vorgebracht, dass der Beschwerdeführer im Berufungsverfahren behauptet hätte, es wäre eine andere Schätzungsmethode geeigneter, um den wahren Besteuerungsgrundlagen näher zu kommen. Es erweist sich daher auch die Behauptung der Verletzung von Verfahrensvorschriften als verfehlt.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 2. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002140016.X00

Im RIS seit

18.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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