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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §36a Abs3 idF 1999/I/087;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der R in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 3. Februar 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/1999-1540, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.002,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführerin ist auf Grund ihrer Anträge vom 9. Februar 1997 und 8. Februar 1998 die Notstandshilfe für jeweils 364 Tage gewährt worden. Am 5. Februar 1999 hat sie neuerlich die Gewährung von Notstandshilfe beantragt. In jedem ihrer Anträge hat sie die monatliche Unterhaltsleistung ihres geschiedenen Ehemannes von S 7.000,-- als eigenes Einkommen erklärt. Ab dem 9. Februar 1997 hat die Beschwerdeführerin einen Notstandshilfeanspruch von täglich S 319,30 gehabt. Auf diesen Anspruch ist die erklärte Unterhaltsleistung (täglich S 230,14) angerechnet und daher ein Anspruch von täglich S 89,20 ausgezahlt worden. Die Leistungsanträge der Beschwerdeführerin sind mit einer Leistungsmitteilung erledigt worden.
Mit Schreiben vom 5. Mai 1999, bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice eingelangt am 6. Mai 1999, hat die Beschwerdeführerin unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 16. März 1999, 97/08/0554, wörtlich beantragt:
"Ich ersuche Sie daher um die Rückzahlung der mir auf Grund der Unterhaltszahlung einbehaltenen Notstandshilfe bzw. mir andernfalls einen entsprechenden Feststellungsbescheid auszustellen."
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid ist dieser Antrag abgewiesen worden. In der Begründung hat die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens den eingangs dargestellten unstrittigen Sachverhalt angeführt. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde ausgeführt, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei die Anrechnung von Unterhalt auf die Notstandshilfe seit dem Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297, nicht mehr möglich. Durch die Novelle, BGBl. I Nr. 87/1999, sei § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG dahingehend geändert worden, dass der Unterhalt als Hinzurechnungsbetrag auf die Notstandshilfe anzurechnen sei. Um der Rechtssicherheit und der Gleichbehandlung der Leistungsbezieher Genüge zu tun, habe § 81 Abs. 5 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 87/1999 normiert, dass Nachzahlungen, die sich aus der Nichtanrechnung einer Unterhaltszahlung ergeben, nur dann vorzunehmen seien, wenn diese vor dem 23. April 1999 geltend gemacht und darüber noch nicht rechtskräftig entschieden worden sei. Die Beschwerdeführerin habe ihren "Nachzahlungsantrag" nach dem 23. April 1999 gestellt, eine Nachzahlung könne daher nicht erfolgen. § 81 Abs. 5 AlVG stelle nicht auf die Geltendmachung des Grundanspruches auf Notstandshilfe ab, sondern auf die Geltendmachung eines "Nachzahlungsanspruches", der sich aus der Nichtanrechnung der Unterhaltszahlung ergebe. Ein auf § 36a Abs. 3 i. d.F. vor dem BGBl. I Nr. 87/1999 gestützter Anspruch könne nach der Wortinterpretation nur ein Nachzahlungsanspruch sein, weil in der zitierten Bestimmung Hinzurechnungsbeträge aufgezählt seien, welche eine Notstandshilfe mindern. Hätte es also nicht bereits eine Anrechnung auf Notstandshilfe gegeben, würde sich aus § 36a Abs. 3 AlVG niemals ein "Anspruch" errechnen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Gewährung der Notstandshilfe verletzt.
Die belangte Behörde hat von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem - auch von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens angesprochenen - Erkenntnis vom 16. März 1999, 97/08/0554, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt, dass das Arbeitslosenversicherungsrecht seit der Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, durch das Strukturanpassungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 297, bei der auch im Beschwerdefall vorzunehmenden Beurteilung der Notlage eine Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen nicht vorsieht.
Der Gesetzgeber hat auf dieses Erkenntnis mit einer Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes 1977, BGBl. Nr. 609, insofern reagiert, als mit dem Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 87/1999, ausgegeben am 24. Juni 1999, in § 36a Abs. 3 Z. 1 klargestellt wurde, dass Unterhaltsleistungen beim Anspruch auf Notstandshilfe anzurechnen sind. Gleichzeitig ist in § 81 durch Anfügung eines Abs. 5 folgende Übergangsbestimmung getroffen worden:
"(5) Ansprüche auf Grund des § 36a Abs. 3 in der Fassung vor dem Bundesgesetzblatt BGBl. I Nr. 87/1999, können geltend gemacht werden, wenn dies vor dem 23. April 1999 beantragt und noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist."
In den Gesetzesmaterialien (AB 1844 Blg. NR XX. GP 1) wurde dazu ausgeführt:
"Die Übergangsbestimmung ist notwendig, um im Sinne des verfassungsgesetzlich gebotenen Vertrauensschutzes eine Kontinuität bei der Berücksichtigung der Einkommenssituation sicherzustellen. Daher ist es notwendig dann, wenn bereits zum Zeitpunkt der Einbringung (zu ergänzen: des Initiativantrages vom 22. April 1999, 1077/A) ein Antrag eingebracht und über diesen noch nicht rechtskräftig entschieden wurde, auf die Gesetzesinterpretation des Verwaltungsgerichtshofes Bedacht zu nehmen."
Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Übergangsbestimmung im Erkenntnis vom 21. September 1999, 99/08/0072, dahingehend gedeutet, dass sie die Behörden der Arbeitsmarktverwaltung verpflichtet, bei Anträgen (bei deren Erledigung die Anrechnungsbestimmung des § 36a Abs. 3 AlVG für Zeiträume vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 87/1999 zur Anwendung zu kommen hat), die vor dem 23. April 1999 gestellt und im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Novelle noch nicht rechtskräftig erledigt worden sind, auch weiterhin, d.h. auch für jene Zeiträume des laufenden Anspruches, welche über den 23. Juni 1999 hinausgehen (und auf welche daher zeitraumbezogen schon die neue Rechtslage anzuwenden wäre) weiterhin - bis zum Ende des jeweiligen Anspruches -, die frühere Rechtslage anzuwenden. Damit soll vermieden werden, dass die bis einschließlich des Tages der Einbringung des Initiativantrages zur Änderung des § 36a Abs. 3 AlVG am 22. April 1999 gestellten Anträge im Falle ihrer rechtskräftigen Erledigung nach dem Inkrafttreten der Änderung teils nach der alten und teils nach der neuen Rechtslage beurteilt werden. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der genannten Bestimmung eine Anordnung einer Rückwirkung der Änderung des § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG für Zeiträume vor seinem Inkrafttreten ebenso wenig entnommen werden kann, wie sie die Annahme begründen könnte, der Verwaltungsgerichtshof hätte bei rechtskräftig entschiedenen Ansprüchen den letztinstanzlichen Bescheid nun nicht an Hand der im Erkenntnis vom 16. März 1999, 97/08/0554, zum Ausdruck gebrachten Rechtsanschauung, sondern nach der neuen Rechtslage zu beurteilen.
Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin die Anträge auf Gewährung der Notstandshilfe vor dem 23. April 1999 gestellt hat und dass über sie bis zum 23. Juni 1999 noch nicht in Bescheidform (und damit auch nicht rechtskräftig) entschieden worden ist.
Die Auffassung der belangten Behörde, bei den in § 81 Abs. 5 ASVG i.d.F. des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/1999, genannten Ansprüchen handle es sich um "Nachzahlungsansprüche", steht mit der zum Inhalt dieser Bestimmung vertretenen Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 21. September 1999, 99/08/0072, in Widerspruch. Die Ausführungen der belangten Behörde veranlassen den Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht, von seiner Auslegung abzugehen. Die belangte Behörde erkennt selbst, dass § 36a Abs. 3 keine Ansprüche normiert; sie meint jedoch, auf Grund der Wortinterpretation des § 81 Abs. 5 sei von "Nachzahlungsansprüchen" auszugehen, die sich aus der Nichtanrechnung der Unterhaltszahlung ergeben. Dem steht entgegen, dass das Gesetz den "Nachzahlungsantrag" als Rechtsinstitut weder ausdrücklich noch der Sache nach kennt: Wird der Anspruch des Arbeitslosen ursprünglich nicht in voller Höhe anerkannt (also wie z. B. im Falle der Anrechnung von Unterhaltszahlungen auf die an sich gebührende Notstandshilfe), dann hat die Behörde nicht eine bloße Mitteilung nach § 47 erster Satz AlVG auszustellen, sondern einen Bescheid nach dem zweiten Satz dieser Gesetzesstelle zu erlassen. Ist ein solcher Bescheid erlassen, kommt - ohne vorherige Beseitigung dieses Bescheides im Rechtsmittel-, allenfalls auch im Wiederaufnahmsweg - ein "Nachzahlungsbegehren" wegen der Rechtskraft des Bescheides von vornherein nicht in Betracht. Solange ein solcher Bescheid aber nicht erlassen ist, steht es der betreffenden Partei frei, die Erlassung eines Bescheides über ihren Leistungsantrag zu verlangen und diesen Bescheid im Instanzenzug zu bekämpfen. In diesem Fall wird ebenso wenig über einen "Nachzahlungsantrag" entschieden, sondern über den seinerzeitigen Leistungsantrag abgesprochen. Wurde dieser vor dem 23. April 1999 gestellt, jedoch bis zum 23. Juni 1999 nicht rechtskräftig entschieden, dann ist die vor dem 24. Juni 1999 geltende Rechtslage auf den gesamten Anspruch, d.h. auch für Zeiträume nach dem 23. Juni 1999 anzuwenden. Dem Umstand, dass die Partei ihren schon vorher bestandenen Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung erst nach dem 23. April 1999 geltend gemacht hat, kommt keine weiter reichende Bedeutung zu als die einer Erinnerung der Behörde an ihre gesetzlichen Pflichten. Die Übergangsbestimmung knüpft nicht daran an, ob und wann die Partei die - gegebenenfalls - längst fällige Bescheiderlassung urgiert.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 sowie § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 3. Juli 2002
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000080030.X00Im RIS seit
07.11.2002