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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASVG §11 Abs2 idF 1996/201;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des Bundes (zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung eingeschritten durch den Österreichischen Bundestheaterverband in Wien), vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Singerstraße 8, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 16. Oktober 1998, Zl. 120.054/3-7/98, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG, (mitbeteiligte Parteien:
1. P in W, vertreten durch Dr. Bernhard Hainz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 3; 2. Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19; 3. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Rossauer Lände 3; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1201 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65;
5. Arbeitsmarktservice Wien, Landesgeschäftsstelle, 1011 Wien, Weihburggasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund (Bundeskanzleramt) hat dem Erstmitbeteiligten P Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Die Kostenersatzbegehren der belangten Behörde und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse werden abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 11. Mai 1996 stellte die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt auf Grund eines Antrages des Erstmitbeteiligten nach § 247 ASVG 248 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung fest.
Der Erstmitbeteiligte stellte daraufhin bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse den Antrag, es mögen ihm auch jeweils die Monate Juli und August der Jahre 1969 bis 1992 sowie September 1992 bis Februar 1993 als Versicherungszeiten anerkannt werden. Begründend wies er darauf hin, dass er im Zeitraum September 1968 bis Februar 1993 beim Österreichischen Bundestheaterverband als Mitglied des Publikumsdienstes durchgehend beschäftigt gewesen sei. Auf Grund des (genannten) Bescheides seien ihm jedoch im Besonderen die zwischen Ende der "alten " und Beginn der "neuen" Spielsaison liegenden Monate nicht als Beitragsmonate angerechnet worden.
Mit Bescheid des (auf Grund eines Devolutionsantrages des Erstmitbeteiligten zuständig gewordenen) Landeshauptmannes von Wien vom 26. November 1997 wurde festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte zur "Republik Österreich, Österreichischer Bundestheaterverband" (richtig: zum Bund) jeweils in den Monaten Juli und August der Jahre 1969 bis 1992 in keinem, jedoch vom 1. September 1992 bis 28. Februar 1993 in einem die Pflichtversicherung begründenden Beschäftigungsverhältnis gestanden sei.
Begründend wurde ausgeführt, dass der Oberste Gerichtshofes in seiner Entscheidung vom 4. September 1996, 9 Ob A 2126/96d, (die der Erstmitbeteiligte als Kläger gegen den Beschwerdeführer als Beklagten erwirkt hatte) festgestellt habe, dass die Aneinanderreihung befristeter (lediglich jeweils eine Spielsaison umfassender) Dienstverhältnisse von Dienstnehmern im Publikumsdienst unzulässig sei, sofern dies nicht im Einzelfall durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe gerechtfertigt werde (was im vorliegenden Fall verneint wurde). Die Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses im Abstand von zwei Monaten jeweils für eine Saison von zehn Monaten könne daher unter dem Aspekt eines durchgehenden Arbeitsverhältnisses und eines Vorstellungsentgelts retrospektiv nur als Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten (Arbeitspflicht - Entgeltpflicht) angesehen werden. Daraus folge, dass für die spielfreien Sommermonate kein Entgeltanspruch gegeben sei. Auch bei der Ermittlung des Urlaubsentgelts (Urlaubsentschädigung) seien Karenzierungszeiten nicht zu berücksichtigen.
In rechtlicher Hinsicht folgerte der Landeshauptmann, dass nach der Judikatur zu § 11 Abs. 1 ASVG die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 zweiter Satz ASVG nur auf Ansprüche aus einem beendeten, nicht jedoch auch auf Entgelt aus einem weiterbestehenden Beschäftigungsverhältnis anzuwenden seien. Im Falle eines Karenzurlaubes, der länger als ein Monat dauere, ende trotz aufrechten Weiterbestandes des Dienstverhältnisses die Pflichtversicherung nach dem ASVG.
Die Feststellung der Versicherungspflicht für die Zeit vom 1. September 1992 bis 28. Februar 1993 sei auf Grund des Urteiles des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 31. Oktober 1994, 8 Cga 233/93, mit welchem dem Erstmitbeteiligten Lohnansprüche bis Februar 1993 zuerkannt worden waren, erfolgt.
Gegen diesen Bescheid erhoben sowohl der Erstmitbeteiligte als auch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse Berufung. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde beiden Berufungen insoweit Folge, als sie feststellte, dass der Erstmitbeteiligte einerseits in den Jahren 1969 bis 1984 sowie in den Jahren 1986 bis 1991 jeweils am 31. August (an den so genannten "Instruktionstagen" vor Beginn der Spielsaison) der Pflichtversicherung unterlegen sei, sowie andererseits in näher bezeichneten Zeiträumen der Monate Juli bzw. August der Jahre 1969 bis 1992, für die der Erstmitbeteiligte (auf Grund der ursprünglichen Rechtsauffassung des Bundestheaterverbandes, es seien mit dem Erstmitbeteiligten jeweils auf eine Spielsaison befristete Dienstverträge zu Stande gekommen) eine Urlaubsentschädigung für nicht konsumierten Urlaub erhalten hatte.
Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung folgendermaßen:
"Der OGH befasste sich im Rahmen seines Urteiles vom 25.5.1994, 9 Ob A 67/94, mit der arbeitsrechtlichen Qualifikation eines Dienstverhältnisses als unbefristet und stellte fest, dass sich Dienstnehmer des Publikumsdienstes der Wiener Volksoper, mit denen zumindest zwei unmittelbar aufeinander folgende Dienstverträge jeweils vom 1.9. bis zum 30.6. des nächsten Jahres geschlossen wurden, in einem unbefristeten Dienstverhältnis befinden, das auch durch das Ende der jeweiligen Spielzeit nicht auflösend bedingt ist, sofern die Aneinanderreihung der befristeten Dienstverhältnisse nicht im Einzelfall durch besondere wirtschaftliche oder soziale Gründe gerechtfertigt ist.
Begründend hat der OGH im Wesentlichen ausgeführt, dass es nicht darauf ankomme, ob und in welchem Ausmaß der Kollektivvertrag Anwendung findet, sondern darauf, ob die Aneinanderreihung befristeter Dienstverhältnisse im Hinblick auf § 878 ABGB überhaupt zulässig ist. Da alle anderen Dienstnehmer des technischen Personals, wozu auch die Dienstnehmer des Publikumsdienstes (§ 3 Z 6 des Kollektivvertrages für das technische Personal im Gesamtbereich der Bundestheater) gehören, auch während der Theaterferien ihre Dienstleistungen erbringen, läge kein Fall der Stilllegung des Betriebs vor. Die Haupttätigkeit des Publikumsdienstes würde zwar in zehn Monaten geleistet, der Urlaub könne jedoch in der Zeit der Theaterferien (Juli und August jedes Jahres) konsumiert werden, ebenso auch während der ganzen Spielzeit. Ein auf bestimmte Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis könne grundsätzlich nur einmal verlängert werden.
Unter Berücksichtigung des soeben zitierten Urteiles des OGH vom 25.5.1994 ergibt sich also, dass im gegenständlichen Fall arbeitsrechtlich ein unbefristetes Dienstverhältnis vorliegt. Insbesondere liegt auch ein Vergleich mit den Vertragslehrern nahe (Urlaub in den Ferien). Dieser Vergleich zeigt, dass es der Ausnahmeregelung des § 38 Abs. 3 VBG (besondere betriebliche Gründe) bedarf, dass durch die Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses dieses gemäß § 4 Abs. 4 VBG nicht zu einem unbefristeten wird. Die Nichtbeschäftigung der Dienstnehmer während der Schulferien spielt dabei keine Rolle. (...)
Da der OGH im Beschluss vom 4.9.1996, Zl. 9 Ob A 2126/96d, ausdrücklich feststellte, dass bezüglich des (Erstmitbeteiligten) für die Monate Juli und August kein Entgeltanspruch gegeben ist und gemäß § 49 Abs. 6 1. Satz ASVG die Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörden an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen über Entgeltansprüche des Dienstnehmers erkannt wurde, gebunden sind, ist diesbezüglich der oben zitierte Beschluss des OGH den weiteren Überlegungen zu Grunde zu legen.
Da der Dienstgeber von befristeten Dienstverhältnissen ausgegangen ist, bezahlte er (dem Erstmitbeteiligten) jeweils am 30.6. jeden Jahres eine Urlaubsentschädigung aus. Ausgehend davon, dass der Oberste Gerichtshof von unbefristeten Dienstverhältnissen gesprochen hat, kann es sich bei den gegenständlichen Zahlungen um keine Urlaubsentschädigung handeln, weil eine solche ausschließlich anlässlich der Beendigung eines Dienstverhältnisses, sofern der dem Arbeitnehmer zustehende Erholungsurlaub zu diesem Zeitpunkt nicht oder nicht vollständig konsumiert worden ist, gebührt. Dieser Urlaub konnte naturgemäß nur während der Theaterferien konsumiert werden. Die Auszahlungen sind als Urlaubsentgelt zu werten. Während der Zeit des Erholungsurlaubes sind die Voraussetzungen für das Vorliegen der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gegeben. Wenngleich der Oberste Gerichtshof in seinem Urteil fest gehalten hat, dass die beiderseitige Leistungsverpflichtung in den Sommermonaten karenziert ist, hat er damit nicht das dem Dienstnehmer für die Zeit der Urlaubskonsumation gebührende Urlaubsentgelt gemeint.
Ergänzend weist (die belangte Behörde) darauf hin, dass die Bestimmungen des § 11 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG im konkreten Fall nicht zur Anwendung gelangen, weil diese auf die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses abstellen und im gegenständlichen Fall jedoch - wie an obiger Stelle ausgeführt - ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis vorliegt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - ebenso wie die mitbeteiligte Unfallversicherungsanstalt - unter Verzicht auf eine Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Dies haben ebenso der Erstmitbeteiligte und die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in ihren Gegenschriften beantragt. Die mitbeteiligte Pensionsversicherungsanstalt hat sich der Ansicht der belangten Behörde angeschlossen. Das mitbeteiligte Arbeitsmarktservice hat sich nicht am Verfahren beteiligt. Der beschwerdeführende Bund hat zusätzlich zu seiner Beschwerde zwei weitere Schriftsätze eingebracht.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
1. Mit Erlass des Bundesministers für Unterricht und Kunst vom 10. Mai 1971, Zl. A.E. 984-Präs./71, wurde die Bundestheaterverwaltung mit Wirkung vom 1. Juli 1971 in den Österreichischen Bundestheaterverband umgewandelt. Mit Erlass vom 9. Oktober 1992, Zl 1863/92, legte der Bundesminister für Unterricht und Kunst unter Hinweis auf § 7 Abs. 1, 2 und 5 und § 10 BMG einen Organisationsplan und eine Geschäftsordnung für das Generalsekretariat fest. Der Österreichische Bundestheaterverband war in dieser Organisationsform als unselbstständiges Eigenunternehmen des Bundes anzusehen, das sowohl personell als auch funktionell in die Verwaltung der Trägergebietskörperschaft Bund und dort in das Bundesministerium für Unterricht und Kunst integriert gewesen ist. Er wurde zwar "in eigener Regie" geführt, die Organe der Unternehmensleitung unterlagen jedoch dem unbeschränkten Weisungsrecht der Trägergebietskörperschaft. Daran änderte die de facto weit gehende Autonomie der Geschäftsführung nichts (vgl. zur Organisation des Bundestheaterverbandes das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 14.085/1995 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).
Mit dem mit seiner Kundmachung am 4. August 1998 in Kraft getretenen Bundestheaterorganisationsgesetz, BGBl. I Nr. 108/1998, wurde das dem Bund zuzurechnende, im Rahmen der Organisationseinheit Bundestheaterverband verwaltete Vermögen der Bundestheater auf mehrere neu zu errichtende Gesellschaften aufgeteilt (zu diesen vgl. § 2 dieses Gesetzes; zur Aufgabenverteilung dieser Gesellschaften untereinander vgl. § 4 leg. cit).
§ 5 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:
"§ 5. (1) Sofern im Abs. 2 nichts anderes geregelt ist, geht das bisher im Eigentum des Bundes stehende und vom Bundestheaterverband oder von den im § 3 Abs. 1, Einleitungssatz, angeführten Bühnen jeweils verwaltete Vermögen, das zur Wahrnehmung der Aufgaben erforderlich ist und von diesen Einrichtungen überwiegend genutzt wurde, einschließlich aller zugehörenden Rechte, Forderungen und Schulden mit der Eintragung der jeweiligen Gesellschaft in das Firmenbuch, frühestens jedoch mit 1. September 1999, im Wege der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend der Aufgabenverteilung gemäß § 4 in das Eigentum der jeweiligen Gesellschaft über. Die Gesamtrechtsnachfolge ist im Firmenbuch einzutragen."
Für Beamte der Bundestheater wurde in § 17 leg. cit. das "Amt der Bundestheater" eingerichtet, wobei Beamte "ab dem Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge" dieser Dienststelle angehören (§ 17 Abs. 2 leg. cit). Vertraglich Bedienstete wurden ab dem Zeitpunkt der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend ihrer Verwendung und Aufgabenverteilung gem. § 4 Arbeitnehmer der jeweiligen Gesellschaft (§ 18 leg. cit.).
Im Beschwerdefall geht es um die Versicherungspflicht in Zeiträumen bis 1992, also vor der erwähnten Organisationsänderung, während derer ausschließlich der Bund als Dienstgeber iSd § 35 ASVG in Betracht kam. Die Frage, ob der angefochtene Bescheid in Folge einer während des Beschwerdeverfahrens eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge auch Grundlage für eine gegen ein Nachfolgeunternehmen der Bundestheaterverwaltung erhobene Beitragsforderung sein kann, ist für die Beschwerdelegitimation des Bundes ohne Bedeutung. Der Umstand, dass die in Vertretung des Bundes (der im angefochtenen Bescheid ebenso wie in der Beschwerde fälschlich als "Republik Österreich" bezeichnet wird) bei der Einbringung einschreitende, damals unselbstständige Organisationseinheit "Bundestheaterverwaltung" mittlerweile aufgehört hat, zu existieren, ändert weder etwas an der Beschwerdelegitimation des Bundes noch an der Gültigkeit der dem einschreitenden Beschwerdevertreter (durch die seinerzeitige Bundestheaterverwaltung) namens des Bundes (als einzigem mit Rechtspersönlichkeit ausgestatteten Zurechnungssubjekt) erteilte und nach der Aktenlage des Verwaltungsgerichtshofes diesem gegenüber nicht widerrufene Vollmacht.
2. In der Sache:
Der Bund wendet sich in seiner Beschwerde im Wesentlichen gegen eine "Umqualifikation" bzw "Konversion" der gezahlten Urlaubsentschädigung in ein Urlaubsentgelt. Auf Grund des Beschlusses des OGH vom 4. September 1996, 9 Ob A 2126/96d, sei von einer Karenzierung der beiderseitigen Hauptleistungspflichten auszugehen. Da diese zweimonatige Karenzierung einen "Urlaub", für den Urlaubsentgelt bezahlt werde, schon begrifflich ausschließe, bestehe gemäß § 11 Abs. 3 lit. a ASVG in dieser Zeit keine Versicherungspflicht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat bei seiner Entscheidung von folgendem unbestrittenen Sachverhalt auszugehen:
Der Erstmitbeteiligte ist in der Zeit von 1. September 1968 bis 28. Februar 1993 für den Beschwerdeführer als Billeteur (an der Staatsoper) tätig gewesen (wobei er in der Zeit von September 1992 bis Februar 1993 zwar arbeitsbereit war, jedoch vom Beschwerdeführer nicht mehr eingesetzt wurde). Der Beschwerdeführer hat mit dem Erstmitbeteiligten jedes Jahr einen mündlichen Dienstvertrag für die Zeit von September bis Juni (Spielbetrieb) abgeschlossen, wobei diese Monate sowie die jeweils am 31. August jeden Jahres abgehaltenen "Instruktionstage" unstreitig der Vollversicherungspflicht unterliegen. Jeweils am Ende der Spielsaison wurde ihm eine (von der in dieser Sache ergangenen Entscheidung des OGH nicht betroffene) "Urlaubsentschädigung" für nicht verbrauchten Urlaub ausbezahlt.
In rechtlicher Hinsicht ist strittig, ob in den spielfreien Monaten Juli und August auf Grund dieser "Urlaubsentschädigung" in den ihrem Ausmaß entsprechenden Zeiträumen ebenfalls Versicherungspflicht bestanden hat, maW wie diese vom Bund dem Erstmitbeteiligten bei aufrechtem, aber karenziertem Dienstverhältnis jährlich gezahlte "Urlaubsentschädigung" sozialversicherungsrechtlich zu qualifizieren ist.
Soweit die Beschwerde der Auffassung der belangten Behörde mit dem Hinweis auf § 11 Abs. 3 lit. a ASVG entgegentritt, woraus sich ergebe, dass bei Karenzurlauben mit einer längeren Dauer als einem Monat während dieser Zeit keine Versicherungspflicht bestehe, ist ihr zu entgegnen, dass diese Bestimmung es nicht ausschließt, dass während eines Karenzurlaubes eine Versicherungspflicht aus anderen Gründen besteht.
Die Urlaubsentschädigung galt bis zur Novelle BGBl. Nr. 201/1996 auf Grund der ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers in § 49 Abs. 3 Z 7 ASVG ("nach gesetzlicher Vorschrift gewährte Urlaubsabfindungen") nicht als Entgelt und blieb deswegen beitragsfrei. Mit der genannten Novelle wurde sie aus § 49 Abs. 3 Z 7 ASVG herausgenommen und gleichzeitig § 11 Abs. 2 ASVG auf folgende Weise ergänzt:
"(...) Die Pflichtversicherung besteht weiter für die Zeit des Bezuges einer Urlaubsentschädigung oder Urlaubsabfindung sowie für die Zeit des Bezuges einer Kündigungsentschädigung. (...)"
Bereits vor dieser Novellierung vertrat der VwGH die Ansicht, dass Entschädigungen, die (bei Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses) deshalb bezahlt wurden, weil der von den Dienstnehmern begehrte Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht gewährt worden war, unter den Entgeltbegriff fallen (vgl. das vor Einführung des ASVG ergangene hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1959, Slg. Nr. 4995/A (Urlaubsentschädigung bei aufrechtem Bestand des Dienstverhältnisses), sowie vom 14. Dezember 1966, Slg. Nr. 7044/A (Urlaubsentschädigung bei Auflösung des Dienstverhältnisses)).
Der Bund (Österreichischer Bundestheaterverband) hat dem Erstmitbeteiligten jährlich unter dem Titel einer Urlaubsentschädigung einen Betrag zur Abgeltung des während der Spielzeit nicht konsumierten Urlaubes bezahlt. Eine Urlaubsentschädigung (oder, falls diese nicht gebührt, eine Urlaubsabfindung) im arbeitsrechtlichen Sinn steht dem Dienstnehmer zwar grundsätzlich im Falle der Beendigung seines Dienstverhältnisses zu: der Grund der Zahlung einer Urlaubsentschädigung ist nämlich darin zu erblicken, dass der Dienstnehmer während des aufrechten Dienstverhältnisses den ihm zustehenden Erholungsurlaub nicht konsumiert hat. Es handelt sich um eine Erstattung des Urlaubsentgeltes (den Entgeltfortzahlungsanspruch während des Urlaubes), welches dem Arbeitnehmer bei Konsumation seines Urlaubes zugestanden wäre. Aus diesem Grund besteht aber auch kein notwendiger Kausalzusammenhang zwischen dieser Abgeltung des nicht konsumierten Urlaubes und der Auflösung des Dienstverhältnisses; zu einer derartigen Abgeltung kann es vielmehr - entgegen der in der Begründung des angefochtenen Bescheides zum Ausdruck gebrachten Auffassung der belangten Behörde - auch bei aufrechtem Dienstverhältnis kommen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 1995, Slg. Nr. 7021 F/1995, und vom 22. April 1999, Zl. 99/15/0065), sie kommt insoweit freilich einer Urlaubsablöse gleich. Da vor der erwähnten Novelle nur Urlaubsentschädigungen aus Anlass der Beendigung eines Dienstverhältnisses vom Ausnahmetatbestand des § 49 Abs. 3 Z. 7 ASVG erfasst waren, stellte die Gewährung einer solchen Entschädigung während des Dienstverhältnisses Arbeitsentgelt iS des § 49 ASVG dar.
Seit der Novelle 1996 regelt § 11 Abs. 2 ASVG den Fall der Kündigungsentschädigung; auch diese Bestimmung mag wohl in erster Linie den Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses im Auge haben: während aber § 11 Abs. 1 ASVG das Ende der Pflichtversicherung mit dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses eintreten lässt (welches grundsätzlich auch mit dem Beginn eines einen Monat übersteigenden Karenzurlaubes endet), sieht § 11 Abs. 2 zweiter Satz ASVG für den Fall der Gewährung einer Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung und Kündigungsentschädigung das Fortbestehen der Pflichtversicherung trotz einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses vor. Der dritte Satz dieser Bestimmung trifft eine (zusätzliche) Regelung über die Lagerung der Versicherungspflicht für den Fall der Beendigung (auch) des Dienstverhältnisses (also wohl für den Regelfall). Dies schließt aber nicht mehr aus, bei einer während einer zur Beendigung bloß des Beschäftigungsverhältnisses (also in einem Fall des § 11 Abs. 1 iVm Abs. 3 ASVG) führenden Karenzierung des Dienstverhältnisses eine Verlängerung der Pflichtversicherung nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung anzunehmen, auf die eine Anwendung des dritten Satzes schon im Hinblick darauf entbehrlich ist, dass das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht ist und eine periodengerechte Zuordnung der Urlaubsentschädigung - anders als nach Ende des Dienstverhältnisses - daher keine gesonderten gesetzlichen Bestimmung bedarf. Die Auffassung der belangten Behörde, bei Gewährung einer Urlaubsentschädigung nur im Falle der Beendigung auch des Dienstverhältnisses die Rechtswirkungen des § 11 Abs. 2 ASVG eintreten zu lassen, würde bedeuten, dass nach Beendigung eines Dienstverhältnisses gravierendere beitragsrechtliche Folgen einer Urlaubsentschädigung eintreten würden als während eines (wenn auch karenzierten) Dienstverhältnisses. Ein solcher Wertungswiderspruch kann dem Gesetzgeber aber weder zugesonnen werden noch legt der Wortlaut des § 11 Abs. 2 ASVG eine solche Auslegung nahe.
Die dem Erstmitbeteiligten zum Ende der Saison jeweils bezahlte Urlaubsentschädigung führte daher unabhängig davon, ob das Dienstverhältnis des Erstmitbeteiligten in den Monaten Juli und August jeweils unterbrochen oder karenziert war, zu einer Verlängerung der Versicherungspflicht gem. § 11 Abs. 2 ASVG.
Damit wird der Erstmitbeteiligte (sowohl in den Zeiten vor als auch nach der Novelle 1996) allerdings im Ergebnis so gestellt, als ob er in dem in Rede stehenden Zeitraum den Urlaub konsumiert und dafür Urlaubsentgelt erhalten hätte. Wollte man darin - mit der Beschwerde - einen Widerspruch zur für denselben Zeitraum getroffenen Karenzierungsvereinbarung erblicken, würde dies dennoch nicht gegen die von der Beschwerde angenommene Bindung an die Entscheidung des OGH verstoßen, weil die Karenzierung an der beitragsrechtlichen Beurteilung des tatsächlichen (mit der Karenzierung nach dieser Auffassung in einem offenen und unauflöslichen Widerspruch stehenden) Vorganges nichts ändern könnte: durch eine solche Karenzierungsvereinbarung könnte nämlich die Beitragspflicht eines tatsächlich geleisteten beitragspflichtigen Entgelts nicht umgangen werden (§ 539 ASVG). Hier geht es indes nicht um die Frage, ob die belangte Behörde andere Entgeltansprüche ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt hat, als sich aus der Entscheidung des OGH ergäbe, ist doch nur die beitragsrechtliche Behandlung der Urlaubsentschädigungen strittig. Deren rein sozialversicherungsrechtliche Beurteilung lässt die von den Gerichten vorzunehmende arbeitsrechtliche Beurteilung des Sachverhaltes unberührt. Die auf der Bindung der Verwaltungsbehörden an die Entscheidung des OGH beruhenden Beschwerdeausführungen gehen daher an der Sache vorbei, weshalb die Frage, in welchem Umfang eine Bindung an die in dieser Sache ergangene oberstgerichtliche Entscheidung eingetreten ist, offen bleiben kann.
Der Umstand, dass die belangte Behörde ihre Entscheidung für alle Zeiträume auf § 4 Abs. 1 Z. 2 iVm Abs. 2 ASVG und seit 1996 nicht auch auf § 11 Abs. 2 ASVG gestützt hat, führt für sich allein nicht zur Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.
3. Die belangte Behörde (die Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) hat einerseits über die Versicherungspflicht des Erstmitbeteiligten an den "Instruktionstagen" (also jeweils am 31. August eines Jahres) abgesprochen, andererseits der Sache nach über eine Verlängerung der Versicherungspflicht gem. § 11 Abs. 2 ASVG, also in einer Angelegenheit, in welcher die Berufung gem. § 415 ASVG gegen Einspruchsbescheide des Landeshauptmanns nicht zulässig ist. Dennoch war die belangte Behörde im vorliegenden Fall auch insoweit zur Entscheidung zuständig, weil der Landeshauptmann im Devolutionswege angerufen worden ist und daher an Stelle der Gebietskrankenkasse und nicht über einen Einspruch entschieden hat. Entscheidet der mit einem Devolutionsantrag nach § 410 Abs. 2 ASVG angerufene Landeshauptmann aber nicht als Rechtsmittelinstanz, sondern als Behörde erster Instanz, ist daher gegen den vom ihm erlassenen Bescheid, unabhängig von der Angelegenheit, in der die Entscheidung ergeht, die Berufung an den zuständigen Bundesminister zulässig (vgl. die Beschlüsse vom 24. Oktober 1985, Zl. 85/08/0145 und vom 29. September 1992, Zl. 92/08/0192).
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse war abzuweisen, weil ein Ersatz von Schriftsatzaufwand mangels anwaltlicher Vertretung nicht Betracht kommt (vgl. das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, Zl. 97/08/0439), jenes der belangten Behörde im Hinblick darauf, dass ein Kostenersatz des Bundes an den Bund nicht in Betracht kommt. Wien, am 3. Juli 2002
Schlagworte
InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1998080397.X00Im RIS seit
07.11.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008