Index
10/13 Amtshaftung Organhaftpflicht Polizeibefugnis-Entschädigung;Norm
AHG 1949 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. November 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001/7247, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.002,89 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer bezieht sei 14. November 1997 Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Vom 28. Juli 2000 bis 25. Juli 2001 wurde ihm Notstandshilfe zuerkannt. Vom 26. Juni 2001 bis 6. Juli 2001 wurde der Leistungsbezug durch Krankheit unterbrochen. Am 9. Juli 2001 sprach der Beschwerdeführer bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vor und gab die Beendigung des Krankenstandes bekannt. Die Weitergewährung der Notstandshilfe ab dem 7. Juli 2001 wurde veranlasst. Es wurde ihm bei dieser Vorsprache kein Antragsformular ausgefolgt, weil eine Antragstellung frühestens eine Woche vor Beendigung des laufenden Anspruches (dem 25. Juli 2001) möglich sei.
Der Beschwerdeführer sprach wieder am 23. August 2001 vor und stellte einen Antrag auf Gewährung der Notstandshilfe. Er begehrte die Gewährung der Notstandshilfe ab dem Ende des vorangegangenen Bezuges, also ab 26. Juli 2001.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 5. September 2001 wurde der Anspruch des Beschwerdeführers auf Notstandshilfe ab 23. August 2001 anerkannt.
In der als Einspruch bezeichneten Berufung führte der Beschwerdeführer aus, er habe am 9. Juli 2001 die Fortsetzung der Notstandshilfe beantragt. Er sei nicht informiert worden, dass er einen neuen Antrag zu stellen habe; er habe auch kein Schreiben betreffend Hinweise über die Versäumung von Fristen erhalten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. Die Notstandshilfe gebühre ab dem Tag der Geltendmachung. Der Anspruch sei vom Antragsteller persönlich geltend zu machen. Davon sei erst dann auszugehen, wenn das Antragsformular innerhalb der von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzten Frist persönlich abgegeben werde. Weiters sei festzuhalten - so die Bescheidbegründung weiter -, dass Leistungsbezieher immer eine Mitteilung erhalten, wenn der Leistungsbezug nach einer Unterbrechung (z.B. Krankenstand) fortgesetzt werde; außerdem erhalten sie ca. 2 Wochen vor Leistungsende ein Informationsschreiben, dass ein neuerlicher Antrag zu stellen wäre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Zuerkennung von Notstandshilfe für die Zeit vom 26. Juli 2001 bis 22. August 2001 verletzt. Er habe am 9. Juli 2001 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vorgesprochen und seinen Willen, den Weiterbezug der Notstandshilfe geltend zu machen, zum Ausdruck gebracht. Trotz Nichtaushändigung eines Antragsformulares durch die in Vertretung tätige Betreuerin des AMS sei dieser Tag als Geltendmachung des Weiterbezuges ab dem 26. Juli 2001 anzusehen.
Der von der belangten Behörde bestätigte erstinstanzliche Bescheid spricht dem Beschwerdeführer lediglich den Notstandshilfeanspruch ab dem 23. August 2001 zu, ohne den davor liegenden Teil des geltend gemachten Anspruches, nämlich vom 26. Juli bis 22. August 2001, formell abzuweisen. In der Begründung wird allerdings darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer den Antrag auf Arbeitslosengeld erst am 23. August 2001 persönlich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend gemacht habe. Der Wortlaut des - durch den angefochtenen Bescheid mit einer entsprechenden Begründung übernommenen - Spruches des erstinstanzlichen Bescheides ist daher im Sinne einer Abweisung des Anspruches auf Notstandshilfe für den Zeitraum vom 26. Juli bis 22. August 2001 zu verstehen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshof es vom 31. Mai 2000, 98/08/0387).
Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist nicht strittig, dass dem Beschwerdeführer der Anspruch auf Notstandshilfe bis 25. Juli 2001 zuerkannt worden ist und er vom 26. Juni bis 6. Juli 2001 Krankengeld bezogen hat. Die belangte Behörde geht davon aus, dass dieser Krankengeldbezug eine Unterbrechung des Leistungsbezuges bewirkt hat und die Weitergewährung "veranlasst" worden sei.
Nach § 16 Abs. 1 lit. a AlVG ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während des Bezuges von Krankengeld. Diese Bestimmung gilt gemäß § 38 AlVG auch für den Bezug der Notstandshilfe. Das Vorliegen eines Ruhenstatbestandes bewirkt zwar eine Unterbrechung des Leistungsbezuges, es kommt aber zu keiner Verringerung der Anspruchsdauer. Dem Beschwerdeführer war Notstandshilfe vom 28. Juli 2000 bis 25. Juli 2001, also gemäß § 35 AlVG für die Dauer von 52 Wochen zuerkannt worden. Diese Dauer ist allerdings durch die Unterbrechung des Leistungsbezuges infolge des Krankengeldbezuges nicht ausgeschöpft worden. Die Anspruchsdauer ist um die Dauer des Krankengeldbezuges zu verlängern. Auf Grund des ausdrücklichen Antrages des Beschwerdeführers, Notstandshilfe über den 25. Juli 2001 hinaus zu beziehen, hätte die belangte Behörde bei Bestimmung des Endes des dem Beschwerdeführer vom 28. Juli 2000 bis 25. Juli 2001 gewährten Notstandshilfebezuges die Dauer des dazwischen liegenden Krankengeldbezuges berücksichtigen müssen. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid diesbezüglich mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Soweit der Beschwerdeführer seine Vorsprache am 9. Juli 2001 bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice als Geltendmachung des Weiterbezuges auf Grund des am 23. August 2001 ausgefolgten Antragsformulares ansehen will, kann ihm hingegen nicht gefolgt werden.
Gemäß § 38 AlVG i.V.m. § 17 Abs. 1 leg. cit. gebührt die Notstandshilfe, sofern sämtliche Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt sind und der Anspruch nicht gemäß § 16 AlVG ruht, ab dem Tag der Geltendmachung. Nach § 38 AlVG i.V.m. § 46 Abs. 1 leg. cit. ist der Anspruch auf Notstandshilfe vom Arbeitslosen persönlich bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle geltend zu machen. Für die Geltendmachung des Anspruches ist das hiefür bundeseinheitlich aufgelegte Antragsformular zu verwenden. Der Anspruch gilt erst dann als geltend gemacht, wenn das Antragsformular innerhalb der von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzten Frist bei der regionalen Geschäftsstelle persönlich abgegeben wurde. Hat der Arbeitslose die von der regionalen Geschäftsstelle festgesetzte Frist zur Abgabe des Antrages ohne triftigen Grund versäumt, so ist der Anspruch erst ab dem Tag zu beurteilen, an dem der Antrag bei der regionalen Geschäftsstelle abgegeben wurde. Über die Abgabe des Antrages ist dem Antragsteller eine Bestätigung auszustellen.
Nach dem klaren Wortlaut des § 46 Abs. 1 AlVG kommt es für die Qualifizierung des Sachgeschehens als "Geltendmachung des Anspruches", an die das Gesetz den Beginn des Bezuges von Leistungen nach dem AlVG knüpft, auf die persönliche Abgabe des Antrages bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice unter Verwendung des hiefür bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulars innerhalb der genannten Fristen an (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, 97/08/0428, m.w.N.). § 46 AlVG stellt eine umfassende Regelung der Rechtsfolgen fehlerhafter oder unterlassener fristgerechter Antragstellungen dar. Infolge dieser abschließenden Normierung ist der Arbeitslose in jenen Fällen, in denen er auf Grund einer von einem Organ des Arbeitsmarktservice schuldhaft erteilten unrichtigen Auskunft einen Schaden erleidet, der durch Anwendung des § 46 AlVG nicht abgewendet werden kann, auf die Geltendmachung allfälliger Amtshaftungsansprüche verwiesen. Die dem Beschwerdevorbringen letztlich zu Grunde liegende Rechtsauffassung, dass die auf einer unrichtigen Rechtsauskunft des zuständigen Sachbearbeiters beruhende Unterlassung einer dem § 46 Abs. 1 AlVG entsprechenden Antragstellung einer Geltendmachung im Sinne dieser Bestimmung mit der Rechtswirkung des § 17 Abs. 1 leg. cit. gleichzuhalten sei, findet in den genannten Bestimmungen keine Deckung (vgl. auch hiezu das oben zitierte Erkenntnis). Der Auffassung des Beschwerdeführers, der 9. Juli 2001 als Tag seiner Vorsprache sei trotz Nichtaushändigung eines Antragsformulars als Tag der Geltendmachung anzusehen, ist nicht zu folgen. Die Geltendmachung besteht in der persönlichen Abgabe des Antrages, nämlich des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulares bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle. Falls dieses Formular bei der ersten Vorsprache nicht bereits vollständig ausgefüllt und unterschrieben abgegeben wird, kann die regionale Geschäftsstelle hiefür eine Frist bestimmen. Die bloß mündliche Antragstellung reicht nicht aus, selbst wenn der Arbeitslose trotz Kenntnis von seinem Begehren ohne Ausfolgung eines Formulares weggeschickt worden sein sollte (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 10. März 1998, 97/08/0517).
Da § 46 AlVG eine abschließende Regelung enthält, geht die Berufung des Beschwerdeführers auf die Bestimmungen über die Kontrollmeldung des § 49 Abs. 1 AlVG sowie auf Verletzung des Rechtes auf Rechtsbelehrung gemäß § 13 a AVG ins Leere.
Der Verwaltungsgerichtshof verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass der Beschwerdeführer durch den Umstand, dass ihm von der regionalen Geschäftsstelle am 9. Juli 2001 ungeachtet des bevorstehenden Auslaufens seines Geldanspruchs ein Kontrolltermin für den 23. August 2001 vorgeschrieben wurde, in Irrtum geführt werden konnte: die regionale Geschäftstelle hätte nämlich davon ausgehen müssen, dass der laufende Leistungsanspruch des Beschwerdeführers zu diesem Zeitpunkt bereits erloschen gewesen ist, sodass die Vorschreibung eines Kontrolltermins nur unter der Voraussetzung in Betracht kam, dass der Beschwerdeführer vorher einen neuen Leistungsantrag gestellt hätte und die Leistungsvoraussetzungen auch vorlägen. Es war daher - anders als dies die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift sieht - rechtswidrig, dem Beschwerdeführer einen Kontrolltermin zu einem Zeitpunkt vorzuschreiben, zu welchem diese Voraussetzung (Antragstellung auf die Leistung) noch nicht erfüllt gewesen ist, und für einen Zeitpunkt, zu dem - jedenfalls aus der Sicht des 7. Juli - kein Leistungsanspruch mehr bestehen würde. Durch die Vorschreibung dieses Kontrolltermins konnte beim Beschwerdeführer andererseits der Eindruck entstehen, sein Leistungsanspruch werde bis zu diesem Zeitpunkt noch aufrecht und eine Antragstellung betreffend eine weitere Leistung zum Zeitpunkt des Kontrolltermins daher rechtzeitig sein. Das Gesetz lässt jedoch - wie oben dargelegt wurde - eine Berücksichtigung von Gründen für die Versäumung der rechtzeitigen Antragsstellung nur im Rahmen des § 46 AlVG zu und berücksichtigt insbesondere nicht den Fall, dass ein Arbeitsloser durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der regionalen Geschäftsstelle des AMS zu Schaden kommt. Der Verwaltungsgerichtshof vermag diese fehlende Regelung auch nicht im Wege der Auslegung zu substituieren, weil der Gesetzgeber Probleme bei der Antragstellung an sich gesehen, auf eine bestimmte (den hier allenfalls vorliegenden Fall nicht berücksichtigenden) Weise geregelt hat und § 46 AlVG insoweit auch verfassungsrechtlich unbedenklich ist: Sofern alle Voraussetzungen hiefür vorliegen (womit sich der Verwaltungsgerichtshof hier nicht weiter zu beschäftigen hat), bleibt in solchen Fällen nämlich der Weg der Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen unbenommen.
Aus den oben angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 sowie § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 3. Juli 2002
Schlagworte
Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der RechtskraftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001080227.X00Im RIS seit
21.11.2002