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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §27;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, in der Beschwerdesache der W in W, vertreten durch Dr. Renate Sandner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Schmerlingplatz 3/11, gegen die Wiener Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Sozialhilfe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Die Beschwerdeführerin beantragte am 24. November 1992 die Übernahme von Kosten für die Durchführung einer Zahnarztleistung in Ungarn nach dem Wiener Sozialhilfegesetz. Am 26. Juli 1996 sprach die Beschwerdeführerin beim Magistrat der Stadt Wien vor und ersuchte um nachträgliche Übernahme der Kosten für den Zahnersatz vom 24. November 1992.
Der Magistrat der Stadt Wien richtete am 7. Oktober 1996 an die Beschwerdeführerin folgendes (im Folgenden anonymisiertes) Schreiben:
"SR 7/1996 ...
Antrag auf Übernahme von Zahnersatz vom 24.11.1992 ...
Sehr geehrte Frau W!
Ein Zuschuss bzw. eine Kostenerstattung für den Zahnersatz muss analog den Richtlinien der Wiener Gebietskrankenkasse binnen 42 Wochen nach Inanspruchnahme der Leistung geltend gemacht werden. Sie haben erst am 26.7.1996 um Refundierung der Kosten von S 36.000,-- für die Zahnbehandlung, die im Zeitraum vom 23.6. bis 12.11.1992 durchgeführt wurde, angesucht.
Ihr Antrag war daher abzulehnen.
Für den Abteilungsleiter:
S, AR"
Gegen die schriftliche Ablehnung ihres Antrages vom 24. November 1992 erhob die Beschwerdeführerin Berufung mit der Begründung, sie habe ihren Antrag auf Kostenrefundierung bereits am 24. November 1992 gestellt und nicht, wie in der Ablehnungsbegründung angeführt, erst am 26. Juli 1996.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 1996 stellte die Beschwerdeführerin gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht an die Wiener Landesregierung, wobei sie die Auffassung vertrat, dass bislang kein Bescheid über den von ihr am 24. November 1992 rechtzeitig "protokollarisch eingebrachten Antrag" ergangen sei.
Mit Bescheid vom 4. November 1996 wies die Wiener Landesregierung die Berufung der Beschwerdeführerin vom 14. Oktober 1996 mit der Begründung zurück, das Schreiben des Magistrats der Stadt Wien vom 7. Oktober 1996 sei lediglich als formlose Mitteilung zu werten, der Behörde habe es an jeglichem Willen gefehlt, einen Bescheid zu erlassen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die zur hg. Zl. 97/08/0111 protokollierte Beschwerde.
Mit Bescheid vom 6. April 1999 entschied die Wiener Landesregierung auf Grund des Antrags der Beschwerdeführerin vom 16. Oktober 1996 auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 Abs. 2 AVG, dass der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 24. November 1992 auf Refundierung der Kosten für Zahnbehandlung Zahnersatz in der Höhe von S 9.604,66 gewährt werde. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin die zur hg. Zl. 99/11/0271 protokollierte Beschwerde.
Mit Erkenntnis vom 21. September 1999, Zl. 97/08/0111, hob der Verwaltungsgerichtshof den die Berufung der Beschwerdeführerin zurückweisenden Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. November 1996 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und begründete dies damit, dass die Erledigung des Magistrats der Stadt Wien vom 7. Oktober 1996 entgegen der Auffassung der Wiener Landesregierung sehr wohl als Bescheid zu werten sei, weshalb sich die Zurückweisung der dagegen erhobenen Berufung als rechtswidrig darstelle. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an die Wiener Landesregierung erfolgte am 18. Oktober 1999.
Am 10. August 2000 gab die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde gemäß Art. 132 B-VG gegen die Wiener Landesregierung zur Post und brachte vor, die belangte Behörde habe innerhalb von sechs Monaten seit der Zustellung des oben erwähnten Verwaltungsgerichtshofserkenntnisses über ihre nunmehr wieder offene Berufung gegen den Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 7. Oktober 1996 nicht entschieden.
Nach Einleitung des verwaltungsgerichtlichen Vorverfahrens teilte die Wiener Landesregierung mit Note vom 6. April 2002 unter Vorlage der Verwaltungsakten mit, dass sie mit Bescheid vom 6. April 1999 "die Angelegenheit bereits erledigt" habe. Da somit das Verfahren betreffend den Antrag vom 24. November 1992 auf Refundierung der Kosten für Zahnbehandlung und Zahnersatz bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei, fehle es an einer Säumnis der belangten Behörde.
2. § 27 VwGG lautet (auszugsweise):
"§ 27. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Weg eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, ..., von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten ... in
der Sache entschieden hat. ... ."
Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde ist, dass die oberste Verwaltungsbehörde einer ihr obliegenden Entscheidungspflicht nicht fristgerecht nachgekommen ist. Diese Voraussetzung ist im Beschwerdefall nicht erfüllt.
3. Wie sich aus dem oben geschilderten Gang des Verwaltungsverfahrens ergibt, reagierte die Beschwerdeführerin auf die Erledigung des Magistrats der Stadt Wien vom 7. Oktober 1996 - offensichtlich weil sie, wie sie auch in ihrer Berufung ausführte, Zweifel an der Bescheidqualität dieser Erledigung hegte - durch Einbringung sowohl einer Berufung (vom 14. Oktober 1996) als auch eines Devolutionsantrages, gerichtet auf Übergang der Entscheidungspflicht auf die Wiener Landesregierung. Die Beschwerdeführerin gab dadurch zu erkennen, dass sie eine Entscheidung in der Sache über ihren Antrag vom 24. November 1992 auf Übernahme von Kosten für die Durchführung einer Zahnarztleistung in Ungarn durch die Wiener Landesregierung begehrte. Eine solche Entscheidung in der Sache durch die Wiener Landesregierung liegt seit deren Bescheid vom 6. April 1999, mit dem diese der Beschwerdeführerin Zahnersatz in der Höhe von
S 9.604,66 gewährte, vor. Inwieweit dieser im Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde dem Rechtsbestand angehörende und formell rechtskräftige Bescheid, welcher mit der zur hg. Zl. 99/11/0271 protokollierten Beschwerde angefochten wurde, seinerseits rechtmäßig ist, kann im vorliegenden Zusammenhang dahinstehen. Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls mit diesem ihren Antrag erledigenden Bescheid die von ihr angestrebte Entscheidung der Wiener Landesregierung in der Sache erhalten.
Vor diesem Hintergrund ist auf Grund der Umstände des Beschwerdefalles davon auszugehen, dass im Hinblick auf das Vorliegen der rechtskräftigen Entscheidung der Wiener Landesregierung in der Sache durch ihren Bescheid vom 6. April 1999 die Berufung der Beschwerdeführerin keiner neuerlichen Entscheidung in der Sache durch die belangte Behörde - auch nach der Aufhebung des seinerzeitigen Zurückweisungsbescheides durch den Verwaltungsgerichtshof - mehr zugänglich war, weshalb ungeachtet des Ablaufs von sechs Monaten seit Zustellung des erwähnten aufhebenden Erkenntnisses eine Säumnis der belangten Behörde nicht zu erkennen ist. In diesem Fall kommt § 63 Abs. 1 VwGG nicht mehr zum Tragen, die mit der Berufung angestrebte meritorische Entscheidung durch die belangte Behörde liegt bereits vor.
Die Säumnisbeschwerde war aus diesen Erwägungen mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG, vorliegenden Falls in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat, in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 51, VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 4. Juli 2002
Schlagworte
Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Diverses Verletzung der Entscheidungspflicht Allgemein Behördliche Angelegenheiten Verletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000110216.X00Im RIS seit
07.10.2002