TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/4 2001/11/0015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2002
beobachten
merken

Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z1;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §3 Abs1;
FSG-GV 1997 §5 Abs1 Z4 lita;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 7. Dezember 2000, Zl. 11- 39-1055/00-4, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Graz vom 28. Februar 2000 wurde gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 FSG die dem Beschwerdeführer erteilte Lenkberechtigung für die Klassen A, B, C, F und G mangels gesundheitlicher Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen entzogen und gemäß § 25 Abs. 2 FSG ausgesprochen, dass ihm vor Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid erschöpft sich in folgender Begründung:

"Mit dem angefochtenen Bescheid wurde Herrn P die Lenkberechtigung der Klassen A, B, C, F und G mangels der gesundheitlichen Eignung entzogen.

Grundlage für die angefochtene Entscheidung bildete das Gutachten des Amtsarztes der Bundespolizeidirektion Graz, welches unter Berücksichtigung des verkehrspsychologischen Befundes des Kuratoriums für Verkehrssicherheit vom 14. Februar 2000 und des CDT-Wertes des Institutes für med.-chem. Laboratoriumsdiagnostik vom 10. Dezember 1999 den Berufungswerber zum Lenken von Kraftfahrzeugen der vorangeführten Klassen als nicht geeignet beurteilte.

Im Zuge des Berufungsverfahrens wurde eine neuerliche Untersuchung durch einen ärztlichen Sachverständigen der Berufungsbehörde angeordnet. Aufgrund des Ergebnisses dieser Untersuchung und der beigebrachten Befunde, sowie des psychiatrischen Facharztgutachtens vom 7. September 2000 wurde der Berufungswerber vom ärztlichen Sachverständigen der Berufungsbehörde in seinem Gutachten vom 11. Oktober 2000, als derzeit gesundheitlich nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen beurteilt. Dieses Gutachten wurde dem Berufungswerber zH der ausgewiesenen Vertreter nachweislich zur Kenntnis gebracht und wurde hiezu keine Stellungnahme abgegeben.

Da vorzitiertes Gutachten schlüssig und nachvollziehbar ist, wurde es der ha Berufungsentscheidung zu Grunde gelegt und war daher die Berufung abzuweisen."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG ist eine der allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges. Ist diese Voraussetzung nicht mehr gegeben, ist dem Besitzer der Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs. 1 FSG die Lenkberechtigung zu entziehen (Z. 1) oder die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken (Z. 2).

Für den Beschwerdefall sind darüber hinaus die folgenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung (FSG-GV) von Bedeutung:

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1.

die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

2.

die nötige Körpergröße besitzt,

3.

ausreichend frei von Behinderungen ist und

4.

aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

Kraftfahrzeuglenker müssen die für ihre Gruppe erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen gemäß den nachfolgenden Bestimmungen erfüllen. Um die gesundheitliche Eignung nachzuweisen, ist der Behörde ein ärztliches Gutachten gemäß § 8 Abs. 1 oder 2 FSG vorzulegen.

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

a)

Alkoholabhängigkeit oder

b)

andere Abhängigkeiten, die das sichere Beherrschen des Kraftfahrzeuges und das Einhalten der für das Lenken des Kraftfahrzeuges geltenden Vorschriften beeinträchtigen könnten,

...

(2) Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung zur Feststellung der Gesundheit gemäß Abs. 1 Z. 1 ein krankhafter Zustand ergibt, der die Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken und ausschließen würde, ist gegebenenfalls eine fachärztliche Stellungnahme einzuholen; bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 2, 3, und 4 ist eine entsprechende fachärztliche Stellungnahme einzuholen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitzubeurteilen hat. Bei Erkrankungen gemäß Abs. 1 Z. 4 lit. a und b ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme einzuholen."

Mit Recht verweist der Beschwerdeführer darauf, dass der angefochtene Bescheid nicht hinreichend begründet und das ihm zugrunde liegende Sachverständigengutachten nicht schlüssig nachvollziehbar ist.

Die Behörde stützt sich auf ein Sachverständigengutachten vom 11. Oktober 2000. Darin verwies die Sachverständige auf beigebrachte Befunde, nach denen der CDT-Wert am 21. Juli 2000 10,3 % und am 4. September 2000 3,6 % betragen hat. Ferner verwies die Sachverständige darin auf ein ihr offensichtlich vorliegendes "psychiatrisches Facharztgutachten vom 7.9.2000", nach welchem es sich "in Übereinstimmung mit dem Laborbefund unter Einbeziehung des klinischen Status um eine derzeit als kompensiert zu bezeichnende Alkoholgefährdung" handle und eine bedingte Führerscheintauglichkeit zur Zeit vorliege. Die medizinische Amtssachverständige erstattete folgendes Gutachten:

"Bei Herrn P, geb. 12.12.1957, liegt eine - laut Aktenlage ersichtlich - periodische Tendenz zur Alkoholabusus vor. Bereits vor 22 Jahren konnte die erste Alkoholisierung am Steuer festgestellt werden. Weiters 1988 und 1993. Der letzte Führerscheinentzug erfolgte wegen erheblicher Alkoholisierung am Steuer (2,2 Promille Blutalkohol).

Die vorgelegten Laborparameter, insbesonders noch der vorletzte CDT-Wert von Ende Juli 2000 weisen auf einen deutlich erhöhten Alkoholkonsum, zumindest bis zu diesem Zeitpunkt, hin.

Die erste psychiatrische Untersuchung betreffend chronischen Alkoholmissbrauch fand am 18.7.2000 statt. Laut Facharztgutachten haben dahingehende Kontrollen am 24.7. und am 6.9.2000 stattgefunden. In der Initialphase bestanden deutliche Hinweise für ein labiles Verhalten bezüglich periodischen Alkoholabusus.

Erst der CDT-Wert vom 6.9.2000 lag mit 3,6 % im Normbereich, d. h. es liegt zur Zeit ein Beobachtungszeitraum von 2 Monaten mit geringerem Alkoholkonsum vor.

Man kann von beginnenden kompensatorischen Mechanismen und beginnender Einsichtsfähigkeit sprechen.

Aufgrund der langen Vorgeschichte und dem hohen Alkoholisierungsgrad bei dem letzten Alkoholvorfall reicht der zur Zeit sehr kurze Beobachtungszeitraum (CDT-Wert am 21.7.00 10,3 %) nicht aus, um schon von einer gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen sprechen zu können.

Herr P, geb. 12.12.1957, ist daher zum Lenken von KFZ

gesundheitlich

nicht geeignet.

Wir empfehlen eine Nachuntersuchung in 1 Jahr, wobei wie begonnen, regelmäßige mindestens 3monatige fachärztliche Kontrollen als Begleittherapie und regelmäßige, d.h. 3monatige Kontrollen des CDT-Wertes, in diesem Beobachtungszeitraum durchzuführen sind. Nach Ablauf eines Jahres kann bei Stabilisierung des Gesundheitszustandes dann unter Umständen von einer entsprechenden Kompensation und Einsichtsfähigkeit gesprochen werden."

Abgesehen davon, dass in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur das Ergebnis des Sachverständigengutachtens, dass der Beschwerdeführer "derzeit gesundheitlich nicht geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen" sei, dargestellt und sonst hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers keinerlei Feststellungen getroffen werden, ist auch das zitierte Sachverständigengutachten nicht nachvollziehbar. Die Sachverständige selbst verweist in ihrem am 11. Oktober 2000 verfassten Gutachten auf einen CDT-Wert vom 4. September 2000 von 3,6 % und darauf, dass dieser im Normbereich liege. Ferner übernimmt sie zwar das Ergebnis der vom Beschwerdeführer beigebrachten fachärztlichen Stellungnahme vom 7. September 2000, wonach die Alkoholgefährdung des Beschwerdeführers als kompensiert zu bezeichnen und seine Führerscheintauglichkeit (bedingt) gegeben sei, lässt jedoch jede eingehende Auseinandersetzung mit dieser Stellungnahme vermissen, auch die belangte Behörde hat sich nicht damit auseinander gesetzt. Der diese Stellungnahme (die im Verwaltungsakt erliegt) verfassende Facharzt für Psychiatrie und Neurologie und allgemein beeidete gerichtliche Sachverständige kommt darin zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer ein regelrechter neuropsychiatrischer Status gegeben sei und aus nervenärztlicher Sicht und auch im Hinblick auf die Normalisierung des CDT-Wertes eine (bedingte) "Führerscheintauglichkeit" gegeben sei, wobei regelmäßige neuropsychiatrische Kontrollen und CDT-Kontrollen durchgeführt werden sollten.

Die dem amtsärztlichen Gutachten und dem angefochtenen Bescheid offenbar zu Grunde liegende Auffassung, der Beschwerdeführer sei (immer noch) alkoholabhängig (§ 5 Abs. 1 Z. 4 lit. a FSG-GV), bedarf einer entsprechenden Begründung.

Das amtsärztliche Sachverständigengutachten ist somit ohne eingehende Begründung - der bloße Hinweis auf einen "sehr kurzen Beobachtungszeitraum" hinsichtlich des CDT-Wertes alleine reicht nicht aus - im Hinblick auf das von der fachärztlichen Stellungnahme abweichende Ergebnis nicht nachvollziehbar.

Verfehlt ist auch die Behauptung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer nach Kenntnisnahme von der Beweisaufnahme keine Stellungnahme abgegeben habe. Der angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer nach der Aktenlage und nach dem Vorbringen in der Beschwerde am 29. Dezember 2000 zugestellt und damit erlassen. Bereits am 1. Dezember langte bei der belangten Behörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein, in welcher er auf seinen "stabilisierten Gesundheitszustand" und auf die fachärztliche Stellungnahme vom 7. September 2000 verweist. Wenn die belangte Behörde (in der Gegenschrift) auf eine "am 27.12.2000 eingelangte Befundvorlage" verweist, ist ihr zu entgegnen, dass auch diese noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erfolgte.

Da der Sachverhalt somit in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf, und Verfahrensvorschriften durch die belangte Behörde außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 4. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001110015.X00

Im RIS seit

19.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten