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90/02 Kraftfahrgesetz;Norm
KFG 1967 §109 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des A in Wien, vertreten durch Dr. Achim Maurer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 27-28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 31. Juli 1998, Zl. UVS- 03/P/43/01490/97, betreffend Entziehung der Fahrschullehrerberechtigung und der Fahrlehrerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Landeshauptmann von Wien entzog dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 14. März 1997 gemäß § 116 Abs. 5 KFG 1967 die Fahrschullehrerberechtigung für die Gruppen A, B, C, E und gemäß § 117 Abs. 1 KFG 1967 die Fahrlehrerberechtigung für die Gruppen
B, C, E.
Mit Bescheid vom 31. Juli 1998 gab der Unabhängige Verwaltungssenat Wien gemäß § 66 Abs. 4 AVG der dagegen erhobenen Berufung keine Folge und bestätigte den erstbehördlichen Bescheid. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 11. November 1996 im Zuge der praktischen Ausbildung zweier Fahrschüler zum Erwerb der Lenk(er)berechtigung der Gruppe C eine praktische Übungseinheit auf einem nach der Adresse näher bezeichneten Parkplatz im 22. Wiener Gemeindebezirk abgehalten, und zwar mit O. als erstem Fahrschüler. Der zweite Fahrschüler Ü. sei während dieser Praxisstunde ebenso anwesend gewesen. Als die Fahrstunde des O. beendet gewesen sei, habe der Beschwerdeführer seinen Schülern mitgeteilt, er beabsichtige nunmehr, eine Pause zur Einnahme seines Abendessens zu machen, und habe seine Schüler angewiesen, sich inzwischen "weiterhin mit dem Fahrzeug vertraut zu machen". Dazu habe er den Zündschlüssel im Fahrschul-LKW belassen. In weiterer Folge habe er sich entfernt, um einen Restaurationsbetrieb aufzusuchen. Der am Lenkersitz befindliche Ü. habe während der Abwesenheit des Beschwerdeführers begonnen, bestimmte Fahrmanöver zu üben, indem er das Fahrzeug insbesondere vorwärts und rückwärts bewegt habe. Vom Beschwerdeführer sei nicht in Abrede gestellt worden, tatsächlich die Örtlichkeit verlassen zu haben, ohne dafür Sorge getragen zu haben, dass das Übungsfahrzeug vor unberechtigter Inbetriebnahme geschützt sei. In rechtlicher Hinsicht führte der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Wesentlichen aus, von einem Fahrschullehrer bzw. Fahrlehrer müsse verlangt werden können, dass er selbst die Verkehrsvorschriften einhalte und diesbezüglich insbesondere seinen Fahrschülern gegenüber ein vorbildliches Verhalten an den Tag lege. Eine solche verlässliche Persönlichkeitsstruktur könne aber einer Person, die ihren beruflichen Verpflichtungen als Fahrschullehrer bzw. Fahrlehrer insofern nicht nachkomme, als sie Fahrschüler auf öffentlichem Verkehrsgrund unbeaufsichtigt Fahrübungen durchführen lasse oder zumindest jegliche Vorsorgemaßnahmen unterlasse, um solche Übungsmöglichkeiten (oder gar eine "Spritztour" der Fahrschüler) hintanzuhalten (indem sie den Fahrschülern in ihrer Abwesenheit ohne jegliche Beaufsichtigung den Fahrzeugschlüssel überlasse), letztlich nicht "zugebilligt" werden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG beim Verfassungsgerichtshof. Nachdem dieser mit Beschluss vom 25. September 2000, B 1730/98, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hatte, wurde sie vom Beschwerdeführer ergänzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die einschlägigen Bestimmungen des KFG 1967 (in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 93/1998) lauten (auszugsweise):
"§ 109. (1) Eine Fahrschulbewilligung (108 Abs. 3) darf nur natürlichen Personen und nur Personen erteilt werden, die
...
b) vertrauenswürdig sind,
...
§ 116. (1) Die Berechtigung, als Fahrschullehrer an einer
Fahrschule theoretischen und praktischen Unterricht zu erteilen,
darf unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 2 nur Personen erteilt
werden, bei denen die im § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten
Voraussetzungen vorliegen und ... .
...
(5) Die Fahrschullehrerberechtigung ist zu entziehen, wenn
die Voraussetzungen für ihrer Erteilung nicht mehr gegeben sind;
... .
...
§ 117. (1) Die Berechtigung, als Fahrlehrer an einer Fahrschule praktischen Unterricht zu erteilen, darf nur Personen erteilt werden, die die in § 109 Abs. 1 lit. b und g angeführten Voraussetzungen erfüllen; ... . Die Fahrlehrerberechtigung ist zu entziehen, wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht mehr gegeben sind.
..."
Die Entziehung der Fahrschullehrerberechtigung bzw. der Fahrlehrerberechtigung stellt keine Strafe, sondern eine Maßnahme zum Schutze anderer Personen dar, weshalb mit der Entziehung der erwähnten Berechtigungen nur dann vorgegangen werden darf, wenn hierfür (noch) eine Notwendigkeit besteht (vgl. hinsichtlich der Fahrlehrerberechtigung ausdrücklich das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 1984, Zl. 82/11/0249). Die belangte Behörde hatte den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers an Hand des Vorfalles vom 11. November 1996, weil der Berufung nicht die aufschiebende Wirkung aberkannt worden war, demnach bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung ihres (Berufungs)Bescheides (31. Juli 1998) zu prüfen.
Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob das in Rede stehende Verhalten des Beschwerdeführers am 11. November 1996 zu diesem Zeitpunkt tatsächlich den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit bewirkt hat. Es war nämlich jedenfalls unangemessen, auch noch annähernd 21 Monate nach dem Vorfall die Vertrauenswürdigkeit des Beschwerdeführers zu verneinen. Das Verhalten des Beschwerdeführers stellte zwar eine Pflichtverletzung dar, diese vermittelt jedoch angesichts ihrer Art und Schwere sowie insbesondere der seit dem Vorfall vergangenen Zeit kein solches Charakterbild vom Beschwerdeführer, dass auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides von ihm nicht mehr erwartet werden könnte, den theoretischen und praktischen Fahrunterricht unter Einhaltung der dabei zu beachtenden kraftfahrrechtlichen und straßenpolizeilichen Vorschriften zu erteilen. Der seit dem Vorfall verstrichenen Zeit und dem Verhalten während dieser Zeit kommt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im gegebenen Zusammenhang große Bedeutung zu (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 28. September 1993, Zl. 93/11/0101, und vom 9. November 1999, Zl. 98/11/0301). Da die aufschiebende Wirkung der Berufung, wie erwähnt, nicht ausgeschlossen worden war, blieb der Beschwerdeführer im Besitz der Fahrschullehrerberechtigung und der Fahrlehrerberechtigung und konnte somit seinen Beruf weiterhin ausüben. In dieser Zeit ist nach der Aktenlage nichts gegen den Beschwerdeführer Sprechendes vorgefallen. Die belangte Behörde hat zum Verhalten des Beschwerdeführers während dieser Zeit, offenbar in Verkennung der Rechtslage, auch gar keine Feststellungen getroffen und auch nicht begründet, warum sie den Wegfall der Vertrauenswürdigkeit auch noch annähernd 21 Monate nach dem Vorfall für gegeben erachtete.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem Ersatz für pauschalierten Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz aus dem Titel der Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 4. Juli 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000110288.X00Im RIS seit
20.09.2002