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60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AuslBG §1 Abs2 litl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des S G in W, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ditscheinergasse 4, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 23. Oktober 1998, Zl. 10/13116/861 015, betreffend Widerruf einer Arbeitserlaubnis nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Arbeitsmarktservice hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Oktober 1998 wurde die dem Beschwerdeführer über seinen Antrag vom 25. Februar 1998 gemäß § 14a Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) für den Zeitraum 26. Februar 1998 bis 25. Februar 2000 für den Geltungsbereich Wien vom Arbeitsmarktservice Handel-Transport-Verkehr-Landwirtschaft Wien ausgestellte Arbeitserlaubnis - die von der genannten Ausstellungsbehörde mit Bescheid vom 27. August 1998 "wegen rechtskräftiger Nichtigerklärung der Ehe gemäß §§ 14f Abs. 1 und 20 Abs. 5 iV. mit § 15 Abs. 1 Ziff 2 AuslBG" widerrufen worden war - gemäß § 14f Abs. 1 Z 1 AuslBG widerrufen und damit der erstinstanzliche Widerrufbescheid bestätigt.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde nach Darlegung des Verfahrensverlaufes und der maßgebenden Rechtslage im Wesentlichen aus, die (nunmehr widerrufene) Arbeitserlaubnis sei dem Beschwerdeführer über seinen Antrag vom 25. Februar 1998 "aufgrund der zum damaligen Zeitpunkt erhobenen Beschäftigungszeiten" ausgestellt worden. Dem Beschwerdeführer sei - aufgrund der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger - gemäß § 15 Abs. 1 Z 2 AuslBG ein Befreiungsschein für den Zeitraum 26. Februar 1993 bis 25. Februar 1998 ausgestellt worden. "Bei der Ausstellung" (Anmerkung: damit ist offenbar der Antrag vom 25. Februar 1998 betreffend die Arbeitserlaubnis gemeint) habe der Beschwerdeführer verschwiegen, dass mit Urteil des Bezirksgerichtes Hernals, GZ 1 C x, seine Ehe mit 20. Februar 1998 rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei. Aufgrund dieser Nichtigerklärung seiner Ehe erfülle der Beschwerdeführer die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG nicht; seine zurückgelegten Beschäftigungszeiten seien demnach weder für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis noch die eines Befreiungsscheines zu berücksichtigen. Wäre der Ausstellungsbehörde jedoch die genannte Nichtigerklärung der Ehe bei Antragstellung (am 25. Februar 1998) bekannt gewesen, dann wäre dem Beschwerdeführer die (nunmehr widerrufene) Arbeitserlaubnis niemals ausgestellt worden, weil die Erteilungsvoraussetzung einer erlaubten Beschäftigung (§ 2 Abs. 2 AuslBG) nicht vorgelegen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, dass seine Arbeitserlaubnis ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 14f AuslBG nicht widerrufen wird. Er beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 14a Abs. 1 AuslBG ist einem Ausländer auf Antrag eine Arbeitserlaubnis auszustellen, wenn der Ausländer in den letzten 14 Monaten insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet im Sinne des § 2 Abs. 2 mit einer dem Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Tätigkeit erlaubt beschäftigt war.
Die Arbeitserlaubnis ist zufolge § 14f Abs. 1 AuslBG zu widerrufen, wenn 1. der Ausländer im Antrag auf Ausstellung der Arbeitserlaubnis über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht hat oder solche Tatsachen verschwiegen hat, oder
2. der Ausländer während der Geltungsdauer der Arbeitserlaubnis seinen Aufenthalt im Bundesgebiet länger als sechs Monate im Kalenderjahr unterbricht, es sei denn, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis gemäß § 14a Abs. 1 vorliegen.
Gemäß § 16 Abs. 1 AuslBG ist der Befreiungsschein zu widerrufen, wenn der Ausländer im Antrag auf Ausstellung eines Befreiungsscheines über wesentliche Tatsachen wissentlich falsche Angaben gemacht oder solche Tatsachen verschwiegen hat.
Voraussetzung für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis ist zufolge § 14a Abs. 1 AuslBG somit, dass der Antragsteller innerhalb eines Zeitraumes von 14 Monaten, rückgerechnet ab dem Tag seiner Antragstellung (arg ... "in den letzten ..."), insgesamt 52 Wochen im Bundesgebiet erlaubt beschäftigt war. Die Verweisung auf § 2 Abs. 2 AuslBG bedeutet, dass Beschäftigungszeiten, die nicht in einem Arbeitsverhältnis (sondern etwa in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis) zurückgelegt wurden, ebenfalls zu berücksichtigen sind. Demnach kann - wie der Verwaltungsgerichtshof zur insoweit vergleichbaren Bestimmung des § 15 Abs. 1 Z. 1 AuslBG in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat (vgl. in dieser Hinsicht etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1999, Zl. 97/09/0146, und die darin angegebene Judikatur) -
auch für die Ausstellung einer Arbeitserlaubnis nur eine behördlich genehmigte oder sonst rechtmäßige Beschäftigung die Grundlage sein. Ausdrücklich nicht zu berücksichtigen sind die unter Z. 1 bis Z. 5 des § 14a Abs. 1 AuslBG genannten Beschäftigungszeiten. Dass der Beschwerdeführer derartige Beschäftigungszeiten (im Sinne der Z. 1 bis Z. 5 leg. cit.) aufweise, hat die belangte Behörde nicht festgestellt.
Als Grundlage einer erlaubten Beschäftigung kommt u.a. (auch) ein nach dem AuslBG ausgestellter Befreiungsschein in Betracht, gewährt dieser seinem Inhaber doch mit konstitutiver Wirkung (vgl. §§ 3 Abs. 1 und 28 Abs. 1 AuslBG) das Recht, jede Beschäftigung auszuüben bzw. auch ohne das Erfordernis der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung den Arbeitsplatz zu wechseln (vgl. hiezu § 6 AuslBG). Dass der Beschwerdeführer unverändert Inhaber eines derartigen Befreiungsscheines ist, hat die belangte Behörde festgestellt. Da dieser Befreiungsschein unbestrittenermaßen nicht widerrufen wurde, gehört er (als individuell-konkrete Norm) dem Rechtsbestand an.
Die belangte Behörde vertritt jedoch die Auffassung, dass dieser dem Beschwerdeführer ausgestellte Befreiungsschein und die auf seiner Grundlage von ihm zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht zu berücksichtigen seien. Für diese Ansicht vermag die belangte Behörde allerdings keine Rechtsgrundlage anzugeben. Der Hinweis der belangten Behörde auf das Ehenichtigkeitsurteil des Bezirksgerichtes Hernals ist verfehlt, weil normativer Abspruch dieses rechtskräftigen Urteils ausschließlich die Nichtigkeit der genannten, vor dem Standesamt A geschlossenen Ehe ist. Den dem Beschwerdeführer ausgestellten Befreiungsschein hat bzw. konnte das Bezirksgericht Hernals mit seinem Ehenichtigkeitsurteil nicht widerrufen. Es besteht aber auch keine gesetzliche Regelung, wonach ein Ehenichtigkeitsurteil die unmittelbare Rechtswirkung habe, dass damit ein nach dem AuslBG ausgestellter Befreiungsschein als widerrufen zu gelten habe. Auch die im angefochtenen Bescheid im Ergebnis dargelegte Ansicht, der Beschwerdeführer habe "auf Grund der Scheinehe" Beschäftigungszeiten zurückgelegt, ist insoweit verfehlt, als die (persönlichen) Rechtswirkungen einer Ehe nicht darin bestehen bzw. bestanden, dass Ehegatten derart eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Ausübung einer behördlich genehmigte Beschäftigung nach dem AuslBG erlangen, wurde diese Erlaubnis doch von der zuständigen Verwaltungsbehörde mit dem ausgestellten Befreiungsschein mit konstitutiver Wirkung erteilt.
Anders als etwa in dem Beschwerdefall, der dem hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1999, Zl. 98/09/0144, zu Grunde lag, wurde der dem Beschwerdeführer ausgestellte Befreiungsschein einem Widerrufsverfahren (nach dem AuslBG) nicht unterzogen. Mangels (rechtskräftigen) Widerrufs des dem Beschwerdeführer ausgestellten Befreiungsscheines durch die nach dem AuslBG zuständige Verwaltungsbehörde ist vorliegend nicht zu untersuchen, ob der ausgestellte Befreiungsschein (angesichts eines ergangenen Ehenichtigkeitsurteiles) hätte widerrufen werden können bzw. welche Rechtswirkungen ein Widerrufsbescheid - wäre ein solcher von der zuständigen Behörde erlassen worden - in zeitlicher Hinsicht gehabt hätte.
Blieb die dem Beschwerdeführer durch den ihm ausgestellten Befreiungsschein mit konstitutiver Wirkung erteilte Erlaubnis, jede Beschäftigung nach dem AuslBG erlaubt auszuüben, aufrecht, dann hat die belangte Behörde, wenn sie zu dem Ergebnis gelangte, die vom Beschwerdeführer auf der Grundlage seines Befreiungsscheines zurückgelegten Beschäftigungszeiten wären bei der Ausstellung der Arbeitserlaubnis am 26. Februar 1998 nicht zu berücksichtigen gewesen, die Rechtslage verkannt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2000, Zl. 98/09/0145).
Für das über die am 26. Februar 1998 ausgestellte Arbeitserlaubnis durchgeführte vorliegende Widerrufsverfahren bedeutet dies, dass der von den Behörden herangezogene Widerrufsgrund des § 14f Abs. 1 Z 1 AuslBG, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag vom 25. Februar 1998 die Nichtigerklärung seiner Ehe "verschwiegen, schon deshalb nicht vorliegt, weil die ihm ausgestellte (und nunmehr widerrufen) Arbeitserlaubnis ihre Grundlage sachverhaltsbezogen nur in den aufgrund seines Befreiungsscheines zurückgelegten Vorbeschäftigungszeiten im Sinne des § 14a Abs. 1 AuslBG und nicht in der Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger (bzw. der darauf aufbauenden Ausnahmeregelung des § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG) haben konnte. Dass der Beschwerdeführer über seine Vorbeschäftigungszeiten im Sinne des § 14a Abs. 1 AuslBG "wissentlich falsche Angaben gemacht" oder diese Beschäftigungszeiten betreffend "Tatsachen verschwiegen hat", hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht festgestellt. Ausgehend von den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen ist somit der Tatbestand des herangezogenen Widerrufsgrundes nach § 14f Abs. 1 Z 1 AuslBG nicht vorgelegen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 18. Juli 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999090044.X00Im RIS seit
18.09.2002