TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/19 2002/11/0051

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Veröffentlicht am 19.07.2002
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §13 Abs1;
FSG-GV 1997 §3 Abs1 Z1;
FSG-GV 1997 §5 Abs1 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde der M in H, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 7. Februar 2002, Zl. 20504- 17/228/2-2002, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 27. November 2001 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung ein Bericht des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. vom 25. November 2001 ein, in dem es um einen Vorfall vom 1. November 2001 geht, bei dem die Beschwerdeführerin nach ihren Angaben von ihrem Ehemann leicht verletzt wurde, nachdem sie "spaßeshalber" zwei Schlüssel von seinem Schlüsselbund genommen und versteckt hatte.

Im Zuge der Ermittlungen wurde unter anderem S.H., die Tochter der Beschwerdeführerin, vernommen. Sie gab an, die Beschwerdeführerin habe ihren Ehemann auf die wiederholt gestellte Frage, ob sie die Schlüssel habe, angegrinst. Ihr Vater habe dann versucht, der Beschwerdeführerin ein "Nierentascherl" zu entreißen, welches diese am Riemen festgehalten habe. Ob sich die Beschwerdeführerin dabei verletzt habe, könne sie nicht sagen. Einen Fußtritt habe ihr Vater der Beschwerdeführerin jedenfalls nicht versetzt. Das ganze Problem bestehe darin, dass ihre Mutter seit ca. vier Jahren an einer Krankheit leide, die man als manischschizophren bezeichne. Sie glaube die Dinge, die sie sich einbilde, und erkenne sich nicht als krank.

Im Bericht des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. vom 25. November 2001 wird weiters mitgeteilt, die Beschwerdeführerin habe am 12. November 2001 in einem Telefonat mit der Bezirksleitstelle Anif wirr geredet. Bei einem Telefonat am 13. November 2001 habe sie sich beim Gendarmerieposten Henndorf a. W. erkundigt, was sie mit einem Lamm, das sie vor 10 Tagen im Pongau gekauft habe, machen solle. Am 24. November 2001 (um 23 Uhr) habe der Ehemann der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie Selbstmordabsichten geäußert und das Haus verlassen habe. Nach kurzer Zeit habe er mitgeteilt, sie sei zurückgekehrt und habe sich im Keller verschanzt. In den letzten Jahren seien dem Gendarmerieposten mehrere Vorfälle betreffend die Beschwerdeführerin bekannt geworden - "Haus voll beleuchtet, blaue Gewänder mit einem Kruzifix tragend, um so die bösen Geister zu vertreiben ..., in der Kirche aus dem Weihwasserkessel trinken ..., laufend Beschuldigungen gegenüber ihrem Ehegatten, dass dieser zu seinen Kindern äußerst brutal sein soll ...". Die Aussage der Tochter, die in Innsbruck studiere, entspreche demnach offenbar den Tatsachen.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2001 forderte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung die Beschwerdeführerin gemäß § 24 Abs. 4 Führerscheingesetz - FSG auf, binnen vier Monaten ein amtsärztliches Gutachten vorzulegen. Der Bescheid enthält die Hinweise, dass die Lenkberechtigung entzogen werden müsse, falls die Beschwerdeführerin der Aufforderung keine Folge leiste, dass vor dem Erscheinen beim Amtsarzt ein Termin vereinbart werden müsse und vor der Untersuchung der Betrag von S 650,-- (EUR 47,30) einzuzahlen und der Einzahlungsabschnitt mitzubringen sei. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, auf Grund der Mitteilung des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. vom 25. November 2001 bestünden Bedenken, ob die Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen weiterhin geeignet sei.

In der dagegen erhobenen Berufung wurden Begründungsmängel hinsichtlich der Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung geltend gemacht und die Auffassung vertreten, dass genügend begründete Bedenken nicht vorlägen. Auf die Behauptungen in der Anzeige des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. könne mangels Kenntnis nicht eingegangen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung der Lenkberechtigung wegen des Fehlens der gesundheitlichen Eignung seien nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes begründete Bedenken gegen die weitere gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen erforderlich. Dem Gendarmerieposten Henndorf a. W. sei aus dem Familienkreis der Beschwerdeführerin bekannt geworden, dass die Beschwerdeführerin seit ca. vier Jahren an bipolaren Störungen leide. Die Beschwerdeführerin bilde sich Dinge ein und erkenne sich nicht als krank. Dazu passten die im Bericht des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. geschilderten Vorfälle vom 12. und 13. November 2001 sowie die bereits aus den letzten Jahren bekannten absonderlichen Vorfälle. Auf Grund der Angaben und Vorfälle bestehe der begründete Verdacht, dass die Beschwerdeführerin nicht ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG maßgebend:

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. Das ärztliche Gutachten darf im Zeitpunkt der Entscheidung nicht älter als ein Jahr sein und ist von einem im örtlichen Wirkungsbereich der Behörde, die das Verfahren zur Erteilung der Lenkberechtigung durchführt, in die Ärzteliste eingetragenen sachverständigen Arzt für Allgemeinmedizin zu erstellen.

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

...

Sonderfälle der Entziehung

§ 26. ...

(5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen."

Weiters sind die folgenden Bestimmungen der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV von Bedeutung:

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinne des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

Gesundheit

§ 5. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen hinreichend gesund gilt eine Person, bei der keine der folgenden Krankheiten festgestellt wurde:

...

4. schwere psychische Erkrankungen gemäß § 13 sowie:

...

Psychische Krankheiten und Behinderungen

§ 13. (1) Als ausreichend frei von psychischen Krankheiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 1 gelten Personen, bei denen keine Erscheinungsformen von solchen Krankheiten vorliegen, die eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lassen. Wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht einer psychischen Erkrankung ergibt, der die psychische Eignung zum Lenken eines Kraftfahrzeuges einschränken oder ausschließen würde, ist eine psychiatrische fachärztliche Stellungnahme beizubringen, die die kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfunktionen mitbeurteilt.

..."

Voraussetzung für die Einleitung eines Verfahrens zur Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung sind begründete Bedenken, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung noch gegeben sind. Ein Bescheid, mit dem der Besitzer einer Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens aufgefordert wird, darf daher nur dann erlassen werden, wenn begründete Bedenken gegen das Vorliegen der gesundheitlichen Eignung des Betreffenden bestehen (siehe dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 10. November 1998, Zl. 98/11/0120, vom 14. März 2000, Zl. 99/11/0185, und vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0113).

Die belangte Behörde hat in der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheides den Verdacht einer bei der Beschwerdeführerin bestehenden, von Wahnideen gekennzeichneten psychischen Erkrankung und damit Bedenken gegen ihre gesundheitliche Eignung im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Z. 1, § 5 Abs. 1 Z. 4 und § 13 Abs. 1 FSG-GV geäußert. Diese Bedenken sind auf Grund des Berichtes des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. vom 25. November 2001, insbesondere der Aussage der Tochter der Beschwerdeführerin und der im Bericht bezeichneten Vorfälle, begründet.

Von Wahnideen gekennzeichnete psychische Störungen können Auswirkungen auf die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen haben (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2002, Zl. 2001/11/0067, mwN). Ob sich die genannten begründeten Bedenken letztlich im Ergebnis als berechtigt erweisen und inwieweit eine allenfalls festgestellte psychische Krankheit eine Beeinträchtigung des Fahrverhaltens erwarten lässt, kann erst nach Vorlage jenes Gutachtens, zu dessen Beibringung die Beschwerdeführerin mit dem angefochtenen Bescheid aufgefordert wurde, beurteilt werden.

Die Beschwerdeführerin rügt mit Recht, dass ihr zum konkreten Inhalt des Berichtes des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. vom 25. November 2001 kein Parteiengehör im Sinne des § 37 und § 45 Abs. 3 AVG gewährt wurde und dadurch Verfahrensvorschriften verletzt wurden. Der Beschwerde ist aber nicht zu entnehmen, was die Beschwerdeführerin im Falle der Gewährung des Parteiengehörs konkret vorgebracht hätte und inwiefern die Behörde dadurch zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können. Die allgemein gehaltene Behauptung der Beschwerdeführerin, sie hätte bei Gewährung des Parteiengehörs die im Bericht des Gendarmeriepostens Henndorf a. W. enthaltenen Behauptungen bestreiten "bzw. den Hintergrund des Anrufes bei der Gendarmerie" darstellen können, ist nicht geeignet, die Relevanz des der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensfehlers aufzuzeigen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich dagegen, dass sie vor der Untersuchung den Betrag von EUR 47,30 einzahlen müsse, und vertritt die Auffassung, § 23 Abs. 2 FSG-GV biete dafür keine Grundlage.

Auf dieses Beschwerdevorbringen brauchte schon deshalb nicht näher eingegangen zu werden, weil der im erstinstanzlichen Bescheid unter der Überschrift "Hinweis" enthaltene Satz betreffend die Verpflichtung zur Zahlung der Untersuchungsgebühr schon nach der Gliederung des Bescheides nicht zum Bescheidspruch gehört und damit keinen normativen Gehalt hat.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Da die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall keinen Anspruch auf Aufwandersatz hat, brauchte auf die von

ihr vorgebrachten Normbedenken gegen den Passus "908 Euro" in § 1 Z. 1 lit. a der zitierten Verordnung nicht näher eingegangen zu werden.

Wien, am 19. Juli 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002110051.X00

Im RIS seit

20.09.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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