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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §34 Abs1 AlVG mit E v 09.06.99, G48-55/99.Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales) ist schuldig der Beschwerdeführerin die mit S 18.000 bestimmten Prozeßkosten zu Handen ihres Rechtsvertreters binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Vorarlberg wurde die beantragte Gewährung von Notstandshilfe mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §34 Abs1 Arbeitslosenversicherungsgesetz in der durch
BGBl. I 1998/55 in Kraft gesetzten Fassung 1997 abgelehnt.
In der vorliegenden Beschwerde wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Nichtdiskriminierung im Sinne des Art14 EMRK iVm Art1 von dessen (1.) Zusatzprotokoll, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz oder Gleichbehandlung der Fremden untereinander und auf Entscheidung durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt.
II. Die Beschwerde ist begründet.
Mit Erkenntnis vom 9. Juni 1999, G48-55/99, hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß anderer Beschwerden §34 Abs1 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, BGBl. 609, idF der Novelle BGBl. I 1997/78 als verfassungswidrig aufgehoben.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren
(VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren G48-55/99 fand am 9. Juni 1999 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof vor diesem Zeitpunkt eingelangt und war daher schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000 enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B229.1999Dokumentnummer
JFT_10009375_99B00229_00