Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer über die Beschwerde der R, (geb. 1966), vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 8, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. September 1998, Zl. SD 649/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. September 1998 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Sri Lanka, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Die Beschwerdeführerin sei ihren eigenen Angaben zufolge am 10. Mai 1992 mit ihrem Kind über Wien-Schwechat nach Österreich eingereist und habe lediglich für den Zeitraum von zwei Monaten über einen Sichtvermerk verfügt. Nach Ablauf dieses Sichtvermerkes am 11. Juli 1992 habe die Beschwerdeführerin weder einen Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsberechtigung besessen. Erst ungefähr drei Jahre später habe sie einen Asylantrag gestellt, der vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 8. Mai 1995 abgewiesen worden sei. Wie aus diesem Bescheid unter anderem hervorgehe, habe sich die Beschwerdeführerin deshalb erst zu diesem Zeitpunkt entschlossen, eine Asylantrag zu stellen, weil sie keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich besitzen würde und ihren Sohn hier zur Schule schicken wollte. Der dagegen erhobenen Berufung habe der Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 5. Juli 1995 keine Folge gegeben. Der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wurde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt (Beschluss vom 23. April 1996). In weiterer Folge habe sich die Beschwerdeführerin mit ihrer Familie unangemeldet in Wien aufgehalten. Am 28. Juni 1998 sei sie schließlich im Zug einer fremdenpolizeilichen Kontrolle in Wien angetroffen worden. Vor der Erstbehörde habe sie am 30. Juni 1998 niederschriftlich zu Protokoll gegeben, dass sie über keinerlei Barmittel verfügte. Sie würde ab und zu Geld von ihrem Schwager und ihrer Schwägerin bekommen, des Weiteren würde ihr Mann gelegentlich arbeiten. Sie wäre weder kranken- noch sozialversichert und würde in Österreich keiner Beschäftigung nachgehen.
Die Erstbehörde sei daher zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG erfüllt sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes obliege es dem Fremden, von sich aus (initiativ) den Nachweis für den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt zu erbringen. Mit ihrer bloßen Behauptung, Zuwendungen von Verwandten zu erhalten, vermöge die Beschwerdeführerin einen solchen Nachweis aber nicht zu erbringen. Mit dieser Behauptung werde weder nachgewiesen noch zumindest glaubhaft gemacht, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich diese Zuwendungen erhalte, noch habe sie dargelegt, in welchem Umfang diese angeblichen Leistungen erfolgen würden, sodass nicht zu erkennen sei, inwiefern dadurch der laufende Unterhalt der Beschwerdeführerin gesichert sein sollte, zumal auch jegliche Angabe über die Leistungsfähigkeit ihrer Verwandten fehlen würde. Auch in der Berufung sei vom rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführerin ein solcher Nachweis nicht erbracht worden. Wenn die Beschwerdeführerin nun vorbringe, ihr Asylverfahren wäre derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig und sie besitzte auf Grund ihres Asylantrages das vorläufige Aufenthaltsrecht in Österreich, muss ihr entgegengehalten werden, dass das Asylgesetz der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes selbst dann nicht entgegenstehe, wenn der Beschwerdeführerin tatsächlich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 des Asylgesetzes 1991 (nunmehr: § 19 Abs. 1 Asylgesetz 1997) zukomme. Im Hinblick darauf, dass sich die Beschwerdeführerin nach Ablauf ihres Sichtvermerkes illegal im Bundesgebiet aufgehalten habe, unangemeldet wohnhaft gewesen und überdies nicht in der Lage sei, die Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen, bestehe kein Zweifel, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin die öffentliche Ordnung im Sinn des § 36 Abs. 1 FrG gefährde. In einem solchen Fall seien die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unter dem Vorbehalt der §§ 37 und 38 FrG gegeben.
Auf Grund der Tatsache, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Mann und ihrem Kind im gemeinsamen Haushalt lebe und sich ihr Schwager und ihre Schwägerin im Bundesgebiet befänden, sei von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in ihr Privat- und Familienleben auszugehen. Dieser Eingriff werde jedoch nicht nur dadurch relativiert, dass sie mit ihren Verwandten nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, sondern auch dadurch, dass gegen ihren Mann bereits im April 1997 ein Aufenthaltsverbot wegen Mittellosigkeit erlassen worden sei. Abgesehen davon sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots auf Grund des Dringend-geboten-Seins dieser Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Die Beschwerdeführerin habe durch ihr bisheriges Verhalten dokumentiert, dass sie keinerlei Bedenken habe, sich über die für sie maßgebenden - fremdenrechtlich bedeutsamen - Rechtsvorschriften, wie etwa auch das Meldegesetz, hinwegzusetzen. Ihre Mittellosigkeit berge überdies die Gefahr, dass sie allenfalls durch strafbares Verhalten ihren Lebensunterhalt finanzieren können würde. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei sohin zur Wahrung eines geordneten Fremdenwesens als dringend geboten zu erachten.
Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG gebotenen Interessenabwägung sei auf den mehrjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Im Hinblick darauf, dass sie nach ihrer Einreise lediglich für einen Zeitraum von zwei Monaten über einen Sichtvermerk verfügt habe und sich danach mehrere Jahre unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe, könne sich die Beschwerdeführerin nicht mit Erfolg auf einen relevanten Grad ihrer Integration berufen. Diesen - solcherart geschmälerten - privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin stünden die genannten hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zu der Auffassung gelangt, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin keinesfalls schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Vor diesem Hintergrund müsse die der Behörde zustehende Ermessensentscheidung zu Ungunsten der Beschwerdeführerin ausfallen.
Die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes entspreche den Umständen, die zur Erlassung geführt hätten, insbesondere dem mehrjährigen illegalen Aufenthalt und der Tatsache, dass wohl nicht eher zu erkennen sei, dass die Beschwerdeführerin ihr Verhalten den österreichischen Rechtsvorschriften anpassen werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtete die Beschwerdeführerin zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der diese nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat (Beschluss vom 6. Oktober 1999, B 1968/98). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren machte die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragte, den Bescheid aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin bringt in ihrer an den Verfassungsgerichtshof gerichteten, mit der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nach Abtretung ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erstatteten Beschwerdeergänzung eine Einheit darstellenden (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa den hg. Beschluss vom 22. Oktober 1996, Zl. 96/08/0227) und daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren (auch) maßgeblichen Beschwerde vor, dass sie am 28. März 1995 beim Bundesasylamt einen Asylantrag gestellt habe, der am 5. Juli 1995 (rechtskräftig mit 10. Juli 1995) in zweiter Instanz abgewiesen worden sei. Ihre gegen diesen abweisenden Bescheid eingebrachte Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sei vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. April 1998 zurückgewiesen worden, das Asylverfahren sei in das Stadium vor Erlassung des angefochtenen Asylbescheides zurückgetreten und beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig. Sie verfüge über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach § 19 des Asylgesetzes 1997.
2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Nach Ausweis des Aktes Zl. 96/20/0197 des Verwaltungsgerichtshofs wurde die genannte Beschwerde der Beschwerdeführerin mit Beschluss vom 2. April 1998, Zl. 96/20/0197, gemäß § 44 Abs. 3 des Asylgesetzes 1997 zurückgewiesen, nachdem das Asylverfahren mit Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 am 1. Jänner 1998 in das Stadium vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zurückgetreten war. Aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. September 1999, B 1687/98 (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 7. August 2001, Zl. 98/18/0310), ergibt sich, dass der in § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999 enthaltene Verweis auf § 36 Abs. 2 Z. 8 FrG richtigerweise als auf § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gerichtet zu lesen und § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 (schon) in der Fassung vor der besagten Novelle in dieser berichtigten Form anzuwenden ist. § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 ist daher ab seinem Inkrafttreten mit 1. Jänner 1998 (§ 42 Abs. 2 leg.cit.) so zu verstehen, dass auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung, bei denen die in Z. 1 bzw. Z. 2 genannten weiteren Voraussetzungen vorliegen, § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG nicht zur Anwendung kommen darf. Die belangte Behörde hatte daher im Beschwerdefall zu prüfen, ob die Beschwerdeführerin die im § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 statuierten Voraussetzungen dahingehend erfüllte, dass gegen sie ein Aufenthaltsverbot nicht auf § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG gestützt werden durfte. Dies hat die belangte Behörde verkannt, wenn sie den Hinweis der Beschwerdeführerin auf ihr derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängiges Asylverfahren und auf ihre vorläufige Aufenthaltsberechtigung im Asylverfahren als nicht zielführend erachtet hat, weil das Asylgesetz der Erlassung des Aufenthaltsverbotes selbst dann nicht entgegenstünde, wenn der Beschwerdeführerin tatsächlich eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukommen würde. Sie hat es von daher unterlassen, im angefochtenen Bescheid Feststellungen betreffend die für die Anwendung des § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 maßgeblichen Umstände zu treffen.
3. Der angefochtene Bescheid war somit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwandersatz ein gesonderter Ersatz von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist.
Wien, am 24. Juli 2002
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Diverses VwRallg3/5 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999180403.X00Im RIS seit
29.10.2002