Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des FD in A, vertreten durch Dr. Gerda Schildberger, Rechtsanwalt in 6800 Bruck an der Mur, Mittergasse 4, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 30. November 2000, Zl. 31 3606/89-III/1 U/00- Au, betreffend Feststellung gemäß § 10 Altlastensanierungsgesetz (mitbeteiligte Partei: Bund, vertreten durch das Hauptzollamt G), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1999 stellte die Bezirkshauptmannschaft B (die Erstbehörde) gemäß den §§ 10 und 21 des Altlastensanierungsgesetzes, BGBl. Nr. 299/1989 idgF (ALSAG), über Antrag des Beschwerdeführers vom 10. Februar 1999 fest, dass eine (in der Bescheidbegründung näher beschriebene) Ablagerung im Bereich des Grundstückes Nr. 142/4, KG H, im Sinn des § 3 Abs. 1 Z 2 leg. cit. im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme eine konkrete bautechnische Funktion erfülle und deshalb keine Beitragspflicht vorliege.
Das Hauptzollamt G erklärte in seinem Schreiben vom 27. Oktober 1999 an die Erstbehörde, gegen diesen Bescheid zu berufen und die Begründung hiefür frühestens 14 Tage ab Übermittlung des (näher bezeichneten) Befundes des Amtssachverständigen nachzureichen.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark (der Berufungsbehörde) vom 19. November 1999 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG die Berufung des Hauptzollamtes G als unzulässig zurückgewiesen, weil diese keine Begründung enthalten habe.
Das Hauptzollamt G stellte mit Schreiben vom 10. Dezember 1999 bei der Berufungsbehörde den Antrag, das Verfahren gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG wiederaufzunehmen, weil Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung ermächtigten.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 1999 sprach die Berufungsbehörde aus, dass das Verfahren "betreffend die Feststellung gem. § 10 Altlastensanierungsgesetz, Berufungsbescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 19.11.1999," gemäß § 69 Abs. 1 AVG auf Antrag des Hauptzollamtes G wieder aufgenommen werde.
Nach Durchführung weiterer Erhebungen und Erstattung einer Berufungsergänzung durch das Hauptzollamt G vom 12. Juli 2000 wies die Berufungsbehörde mit Bescheid vom 13. Oktober 2000 gemäß § 66 Abs. 4 die Berufung des Hauptzollamtes G gegen den Bescheid der Erstbehörde vom 18. Oktober 1999 als unbegründet ab.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 30. November 2000 hob der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (die belangte Behörde) den Bescheid der Berufungsbehörde vom 13. Oktober 2000 gemäß § 10 Abs. 2 ALSAG zur Gänze auf.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen (u.a.) aus, dass der Beschwerdeführer der H. KG am 12. Juni 1996 einen Auftrag zum Bau eines Uferschutzes (auf seinem Grundstück) erteilt habe, nach Auftragserteilung mit den Schüttungen begonnen worden sei und die beitragsrelevanten Sachverhalte nicht nach der Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Feststellungsbescheides, sondern nach jener im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht zu beurteilen seien. Der technische Amtssachverständige sei noch am 8. März 1999, somit mehr als 2 1/2 Jahre nach Aufbringung der gegenständlichen Materialien, in seinem Gutachten zum Ergebnis gekommen, dass durch die Ablagerung öffentliche Interessen verletzt worden seien und die Ablagerung zwar als konkrete bautechnische Maßnahme beabsichtigt gewesen sei, jedoch auf Grund der unfachkundigen Ausführung eine konkrete bautechnische Funktion nicht erfülle. Wenn auch die Gutachten der Amtssachverständigen vom 9. September 1999 und 10. August 2000 zum Ergebnis gelangt seien, dass angesichts des erst nach Aufbringung der Abfälle eingeleiteten wasserrechtlichen Bewilligungsverfahrens nun doch eine konkrete bautechnische Funktion im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme vorliege, was mit der Errichtung einer Manipulationsfläche begründet werde, so könne eine Wiederverwendung oder Verwertung eine bereits entstandene Beitragsschuld nicht wieder aufheben. Die beitragspflichtige Tätigkeit sei im gegenständlichen Fall eindeutig dem Beschwerdeführer zuzurechnen, und es könne der Auffassung der Berufungsbehörde, dass keine Beitragspflicht gegeben sei, nicht gefolgt werden. Im fortzusetzenden Ermittlungsverfahren werde die Berufungsbehörde mit hinreichender Genauigkeit festzustellen haben, ob die Beitragsschuld entsprechend § 7 Abs. 1 ALSAG vor oder nach Inkrafttreten der Beitragssätze des § 6 ALSAG idF der Novelle 1996 (BGBl. Nr. 1996/201) entstanden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Der Beschwerdeführer bringt darin u.a. vor, dass eine Wiederaufnahme des Verfahrens mangels Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes im Sinn des § 69 AVG nicht hätte bewilligt werden dürfen und auch die belangte Behörde dies in dem nunmehr angefochtenen Bescheid verkannt habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Das Hauptzollamt G hat sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Mit hg. Erkenntnis vom 22. März 2001, Zl. 2001/07/0029, wurde der obgenannte Bescheid der Berufungsbehörde vom 16. Dezember 1999 mangels Vorliegens eines zulässigen Wiederaufnahmegrundes im Sinn des § 69 Abs. 1 Z. 1 bis 3 AVG gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 und Abs. 2 ALSAG in der im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung des BGBl. I Nr. 151/1998 lautet:
"§ 10. (1) Die Behörde (§ 21) hat in begründeten Zweifelsfällen auf Antrag des in Betracht kommenden Beitragsschuldners oder des Hauptzollamtes des Bundes durch Bescheid festzustellen,
1.
ob eine Sache Abfall ist,
2.
ob ein Abfall dem Altlastenbeitrag unterliegt,
3.
welche Abfallkategorie gemäß § 6 Abs. 1 oder 5 oder welcher Deponietyp gemäß § 5 Abs. 4 vorliegt,
4. ob die Voraussetzungen vorliegen, die Zuschläge gemäß § 6 Abs. 2 oder 3 nicht anzuwenden.
(2) Der Bescheid ist unverzüglich an den Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie zu übermitteln. Unbeschadet des § 68 Allgemeines Verfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, kann ein Bescheid gemäß Abs. 1 vom Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie innerhalb von sechs Wochen nach Einlangen abgeändert oder aufgehoben werden, wenn
1. der dem Bescheid zu Grunde liegende Sachverhalt unrichtig festgestellt oder aktenwidrig angenommen wurde oder
2. der Inhalt des Bescheides rechtswidrig ist."
Mit dem vorzitierten Erkenntnis vom 22. März 2001 wurde der Bescheid der Berufungsbehörde vom 16. Dezember 1999, mit dem dem Antrag des Hauptzollamtes G auf Wiederaufnahme des Verfahrens stattgegeben worden war, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, weil der von der Berufungsbehörde angenommene Wiederaufnahmegrund nicht gegeben war. Infolge der ex tunc-Wirkung des aufhebenden Erkenntnisses wurde damit allen Rechtsakten und faktischen Vollzugsakten, die auf Basis der Geltung des Bescheides vom 16. Dezember 1999 gesetzt worden waren, im Nachhinein die Rechtsgrundlage entzogen, was zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides der Berufungsbehörde vom 13. Oktober 2000 führte (vgl. in diesem Zusammenhang etwa die in H. Mayer, B-VG3, 766 f, zu § 42 VwGG Anm. VII.1. ff zitierte hg. Judikatur).
Die belangte Behörde hat diesen Grund im nunmehr angefochtenen Bescheid für die Aufhebung des Bescheides vom 13. Oktober 2000 nicht herangezogen und diesen Bescheid nicht - mangels Vorliegens einer offenen Berufung - ersatzlos behoben, sondern im Wesentlichen die Auffassung vertreten, dass den Beschwerdeführer eine Beitragsschuld nach dem ALSAG treffe. Da die in der Begründung eines auf § 10 Abs. 2 ALSAG gestützten Bescheides enthaltenen, für die Aufhebung tragenden Gründe in einem allfälligen fortgesetzten Verfahren die Unterbehörde binden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 2002, Zl. 2002/07/0014, mwN), berührt der vorliegend angefochtene Bescheid den Beschwerdeführer in subjektiven Rechten.
Demzufolge war jener gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. Juli 2002
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001070008.X00Im RIS seit
07.11.2002