TE Vwgh Erkenntnis 2002/7/25 2002/07/0059

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Veröffentlicht am 25.07.2002
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Index

L82407 Abfall Müll Sonderabfall Sondermüll Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/02 Ämter der Landesregierungen;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AdLRegOrgG 1925 §3 Abs3;
AVG §1;
AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §63 Abs1;
AVG §66 Abs4;
AWG 1990 §32 Abs1;
AWG Tir 1990 §27 Abs6;
B-VG Art10 Abs1 Z12;
B-VG Art103 Abs4;
B-VG Art15;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2002/07/0085

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Hinterwirth und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des PP in K, vertreten durch Dr. Jörg Hobmeier, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Maximilianstraße 9/II, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol sowie der Tiroler Landesregierung vom 13. März 2002, Zl. U-3976/11, betreffend Aufträge nach dem Abfallwirtschaftsgesetz und dem Tiroler Abfallwirtschaftsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörden aufgehoben.

Der Bund und das Land Tirol haben dem Beschwerdeführer zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1.088,--

binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft K (BH) erteilte mit Bescheid vom 6. Dezember 2001 dem Beschwerdeführer verschiedene Beseitigungsaufträge nach dem § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes des Bundes - AWG, BGBl. Nr. 325/1990 (Spruchpunkt I), sowie gemäß § 27 Abs. 6 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990 - TAWG, (Spruchpunkt II).

Der Beschwerdeführer erhob Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. März 2002 entschied "der Landeshauptmann von Tirol als Berufungsbehörde gemäß § 2 AVG und die Tiroler Landesregierung als Berufungsbehörde gemäß Art. 57 Abs. 1 der Tiroler Landesordnung 1989" über die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG dahingehend, dass die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der BH vom 6. Dezember 2001 unter Festlegung einer neuen Frist als unbegründet abgewiesen wurde.

In der Begründung des Bescheides wird nach Wiedergabe des kurz gefassten Inhaltes des erstinstanzlichen Bescheides, des Wortlautes der Berufung und des § 32 Abs. 1 AWG sowie des § 27 Abs. 1 lit. f und Abs. 6 des TAWG zu den inhaltlichen Berufungseinwendungen ausgeführt, es sei grundsätzlich zwischen subjektiver und objektiver Abfalleigenschaft zu unterscheiden. Aus den vorliegenden Fotos sei auch für einen Laien erkennbar, dass die ursprünglichen Eigentümer der abgelagerten Gegenstände sich dieser entledigen wollten bzw. entledigt hätten. Der subjektive Abfallbegriff sei somit sowohl hinsichtlich der gefährlichen als auch der nicht gefährlichen Abfälle jeweils erfüllt. Auch stehe aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest, dass von den Autowracks Gefahren für den Menschen und die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen ausgehen könnten und die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden könne. Die Erfassung und Behandlung als Abfall sei daher auch im öffentlichen Interesse gemäß § 1 Abs. 3 AWG geboten. Gleiches gelte auch für die abgelagerten nicht gefährlichen Abfälle, da durch diese das Ortsbild erheblich beeinträchtigt werden könne (§ 1 Abs. 3 Z. 8 AWG bzw. § 4 Abs. 2 lit. a TAWG). Es treffe auch keiner der genannten Ausnahmetatbestände des § 2 Abs. 2 AWG zu. Hiezu sei wiederum auf die im erstinstanzlichen Akt erliegenden Fotos zu verweisen, denen zweifelsfrei entnommen werden könne, dass die Gegenstände nicht mehr betriebstauglich seien. Bei den abgelagerten Materialien handle es sich sohin zweifelsfrei um Abfälle im Sinne des AWG bzw. des TAWG. Der BH sei des Weiteren kein Mangel in der Beweiswürdigung anzulasten, wenn sie davon ausgegangen sei, dass in den auf dem gegenständlichen Betriebsgelände gelagerten Autowracks umweltrelevante Mengen an gefährlichen Anteilen und Inhaltsstoffen enthalten seien. Es habe daher keiner detaillierten Untersuchung der Autowracks bedurft, um von einem derartigen Sachverhalt ausgehen zu können.

Für die Berufungsbehörde stehe aufgrund des festgestellten Sachverhaltes somit fest, dass der Beschwerdeführer gefährliche oder nicht gefährliche Abfälle übernommen und zumindest seit dem Jahr 1995 gelagert habe. Diese Lagerung sei unbefugt erfolgt, da hinsichtlich der gefährlichen Abfälle eine Genehmigung nach § 29 AWG und hinsichtlich der nicht gefährlichen Abfälle eine Genehmigung bzw. Bewilligung im Sinne von § 16 Abs. 2 TAWG erforderlich gewesen wäre. Diese Genehmigungen bzw. Bewilligungen lägen nicht vor. Dass die abgelagerten Abfälle nicht dem Betrieb der A.-OHG zuzurechnen seien, ergebe sich aus dem Umstand, dass diese Inhaberin von Gewerbeberechtigungen mit dem Gewerbewortlaut "Spirituosenerzeuger" bzw. "Erzeugung von kunstgewerblichen Gegenständen" sei. Wie den Berichten des Gendarmeriepostens K. zu entnehmen sei, würden diese Gewerbe auf dem fraglichen Betriebsgelände seit Jahren nicht mehr ausgeübt. Auch seien die auf diesem Betriebsgelände abgelagerten Autowracks und Maschinenteile in keinerlei Zusammenhang mit der Ausübung der gegenständlichen Gewerbe zu bringen, da sie für die Ausübung dieser Gewerbe weder erforderlich seien noch bei der Ausübung dieser Gewerbe anfielen. Letztlich erweise sich auch das Vorbringen, wonach aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 6 TAWG zu entnehmen sei, ein Beseitigungsauftrag sei erst dann zu erteilen, wenn als Vorfrage das Begehen einer strafbaren Handlung feststehe, sodass zumindest der Ausgang eines allfälligen Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten und das Verfahren zu unterbrechen gewesen wäre, als verfehlt. Nach der genannten Bestimmung habe die Bezirksverwaltungsbehörde einer Person, die eine Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 begangen habe, unabhängig von ihrer Bestrafung oder ihrer allfälligen Schadenersatzpflicht aufzutragen, den durch die strafbare Handlung herbeigeführten Zustand soweit wie möglich zu beseitigen. Aufgrund des Ergebnisses des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens stehe für die Berufungsbehörde fest, dass der Beschwerdeführer eine Verwaltungsübertretung gemäß § 27 Abs. 1 lit. f TAWG begangen habe, weil er unbefugt nicht gefährliche Abfälle abgelagert habe. Die BH habe daher zu Recht die Aufträge gemäß § 27 Abs. 6 leg. cit. erteilt, ohne den Ausgang eines allfällig eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahrens abzuwarten. Insgesamt erweise sich das Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers als unbegründet, weshalb seine Berufung gegen den Bescheid der BH vom 6. Dezember 2001 abzuweisen gewesen sei, wobei die Frist für die Erfüllung der erteilten Aufträge entsprechend anzupassen war.

Die Fertigungsklausel des angefochtenen Bescheides hat

folgenden Wortlaut:

"Für den Landeshauptmann:

Für die Landesregierung:

Mag. G."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die belangten Behörden legten die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragten in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die BH entschied mit ihrem Bescheid vom 6. Dezember 2001, getrennt in Spruchpunkte I und II über Aufträge gemäß § 32 Abs. 1 AWG bzw. § 27 Abs. 6 TAWG. Dazu war sie, jeweils als Behörde erster Instanz, sowohl nach AWG als auch nach dem TAWG zuständig.

Berufungsbehörde hinsichtlich des Beseitigungsauftrages gemäß § 32 Abs. 1 AWG ist der Landeshauptmann (hier: von Tirol); Berufungsbehörde hinsichtlich des Auftrages gemäß § 27 Abs. 6 TAWG hingegen die Tiroler Landesregierung.

Mit dem vorliegenden Bescheid, auf dessen Kopf sich die Bezeichnung des Geschäftsapparates "Amt der Tiroler Landesregierung" findet, sprachen beide Behörden gemeinsam in einer gemeinsamen Ausfertigung über die jeweils an sie gerichtete Berufung des Beschwerdeführers ab. Eine solche Vorgangsweise, nämlich, dass zwei in getrennten Vollzugsbereichen tätig werdende Behörden mit in einer gemeinsamen Ausfertigung enthaltenen Bescheiden über eine Berufung absprechen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich zulässig. Dann aber, wenn sich aus der gemeinsamen Ausfertigung nicht entnehmen lässt, welche Behörde worüber tatsächlich in zweiter Instanz entschieden hat, ist ein solcher Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG belastet (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 19. März 1970, Zl. 1353/68, vom 31. Mai 1976, Zl. 805/75, vom 12. Mai 1982, Zlen. 81/03/0243, 0244, vom 8. September 1982, Zlen. 81/03/0295, 0296, sowie vom 3. Juli 1991, Zl. 90/03/0233, und vom 15. November 1999, Zl. 99/10/0205).

Im angefochtenen Bescheid wird eingangs des auf Abweisung der Berufung gegen den Bescheid der BH vom 6. Dezember 2001 lautenden Spruches darauf hingewiesen, dass der Landeshauptmann von Tirol als Berufungsbehörde "gemäß § 2 AVG" und die Tiroler Landesregierung als Berufungsbehörde gemäß "Art. 57 Abs. 1 der Tiroler Landesordnung 1989" entscheide. Durch diese Hinweise wird lediglich die organisatorische Stellung der tätig werdenden Behörden als Berufungsbehörden (einerseits im Bereich des mittelbaren Bundesverwaltung, andererseits im Bereich der Landesverwaltung) umschrieben. Eine Aussage darüber, worüber der Landeshauptmann von Tirol als Berufungsbehörde bzw. die Tiroler Landesregierung als Berufungsbehörde im angefochtenen Bescheid entschieden hat, ist dem Spruch des angefochtenen Bescheides hingegen nicht zu entnehmen. Es wäre aber zumindest erforderlich gewesen, im Spruch der Entscheidung klar zum Ausdruck zu bringen, über welchen Teil der Berufung der Landeshauptmann, und über welchen Teil die Landesregierung abgesprochen hat.

Dazu kommt, dass auch der - allenfalls zur Auslegung eines unklaren Spruches heranziehbaren - Begründung des angefochtenen Bescheides eine klare Trennung der faktischen und rechtlichen Überlegungen der jeweiligen Berufungsbehörde zur Berufungsentscheidung nach dem AWG bzw. zu derjenigen nach dem TAWG nicht zu entnehmen ist. Vielmehr werden verschiedene, ineinander verflochtene Argumentationslinien einerseits zum AWG, andererseits zum TAWG ausgeführt, ohne dass eine Zuordnung dieser Überlegungen zu einer der entscheidenden Behörden erfolgt.

Da somit beide Behörden über die dem Beschwerdeführer aufgetragenen Verpflichtungen nach dem AWG bzw. dem TAWG entschieden haben, haben sie Zuständigkeiten für sich in Anspruch genommen, die nicht in ihre Kompetenz fallen und somit wechselseitig unzuständig abgesprochen. Die Unzuständigkeit der belangten Behörden ist in jeder Lage des Verfahrens, auch wenn sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde, vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmen (vgl. unter anderem das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1985, Zl. 85/02/0219).

Der angefochtene Bescheid war daher aus den dargestellten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörden aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Juli 2002

Schlagworte

Behördenorganisation Besondere Rechtsgebiete Instanzenzug Zuständigkeit Besondere Rechtsgebiete Intimation Zurechnung von Bescheiden Rechtliche Wertung fehlerhafter Berufungsentscheidungen Rechtsverletzung durch solche Entscheidungen Zurechnung von Organhandlungen sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002070059.X00

Im RIS seit

18.10.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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