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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §18 Abs4 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der MK in M, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 29. August 2000, Zlen. VwSen-106479/2/Kei/La und VwSen-106480/2/Kei/La, betreffend Wiedereinsetzung in Angelegenheit Übertretungen des KFG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Ried im Innkreis vom 15. Juni 1999 wies diese Anträge der Beschwerdeführerin vom 26. Mai 1999 betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einspruchsfrist hinsichtlich zweier näher angeführter Strafverfügungen ab (Spruchteil I) und die Einsprüche der Beschwerdeführerin vom 10. Mai 1999 gegen die näher angeführten Strafverfügungen als verspätet eingebracht zurück (Spruchteil II).
Die belangte Behörde gab der dagegen erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin mit ihrem Bescheid vom 29. August 2000 mit der Maßgabe, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides statt "§ 68 Abs. 1 AVG" zitiert wird "§ 68 Abs. 1 AVG iVm § 24 VStG" keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.
Der Verfassungsgerichtshof lehnte mit Beschluss vom 3. Oktober 2001, B 1611/00-3, die Behandlung der dagegen zunächst an ihn gerichteten Beschwerde ab und trat sie in der Folge mit Beschluss vom 27. November 2001 über Antrag der Beschwerdeführerin gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Dieser hat über die - ergänzte - Beschwerde erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich im Sinne des § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG in ihrem Recht verletzt, "dass die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Einsprüche gegen die Strafverfügungen" nicht bewilligt worden sei (Beschwerdepunkt); die Zurückweisung der Einsprüche als verspätet ist daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof.
Soweit die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof die Rechtsansicht vertritt, zur Entscheidung über einen Wiedereinsetzungsantrag sei nicht das Einzelmitglied des unabhängigen Verwaltungssenates sondern die Kammer zuständig, genügt es auf die ständige hg. Rechtsprechung zu verweisen. Danach ist zur Entscheidung über die Berufung das Einzelmitglied zuständig, weil die Erledigung von Berufungen gegen verfahrensrechtliche Bescheide (wie hier gegen die Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages) jedenfalls in die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes fällt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1993, Zl. 92/18/0175, und vom 10. Oktober 1997, Zl. 96/02/0352, mit weiteren Nachweisen auch aus der Lehre); daran hat auch die Novelle BGBl. Nr. 158/1998 nichts geändert. Die Beschwerdeausführungen geben keinen Anlass von dieser ständigen Rechtsprechung abzugehen.
Zutreffend erweist sich jedoch die Rüge der Beschwerdeführerin, der bekämpfte Bescheid leide an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften:
Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des VStG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 lauten:
"Öffentliche mündliche Verhandlung (Verhandlung)
§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung entfällt, wenn
1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;
2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn
1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder
2.
sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder
3.
im angefochtenen Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder
4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet
und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl. Nr. 210/1958, entgegen steht.
(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
..."
Da die Beschwerdeführerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Berufung beantragt hat, war die belangte Behörde im Beschwerdefall verpflichtet, eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen, was die Beschwerdeführerin zu Recht rügt.
Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie in dieser Hinsicht in dieser Hinsicht den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Beschwerdeführerin äußert in diesem Zusammenhang Bedenken im Hinblick auf die Bestimmung des § 49 Abs. 1 VwGG gegen die Festlegung des Schriftsatzaufwandes in der genannten Verordnung mit EUR 908,--. Diese Bedenken lassen sich dahin zusammenfassen, dass mit der erwähnten Verordnung im Wesentlichen nur eine Umrechnung der bereits seit 1994 bestehenden Schillingbeträge in Euro vorgenommen worden sei; in der Zwischenzeit seien jedoch die Ansätze des Rechtsanwaltstarifes wesentlich gestiegen, sodass dies bei der Neuregelung hätte berücksichtigt werden müssen. Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen, handelt es sich bei diesen Kosten doch um solche, die gemäß § 49 Abs. 1 VwGG in einem "durchschnittlichen" Ausmaß mit einem "Pauschbetrag" festzusetzen sind.
Wien, am 26. Juli 2002
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 FertigungsklauselEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001020257.X00Im RIS seit
07.10.2002