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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art11 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, in der Beschwerdesache des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 27. August 1998, Zl. VwSen-420241/5/Gf/Km, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (mitbeteiligte Partei: AA in V, vertreten durch Dr. Maximilian Hofmaninger, Rechtsanwalt in 4840 Vöcklabruck, Stadtplatz 11), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 934,16 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. August 1998 sprach die belangte Behörde aus, dass die am 12. Juli 1998 in der Zeit zwischen 19.35 Uhr und 22.30 Uhr in Königswiesen an der Person der mitbeteiligten Partei zu einem Zeitpunkt, als sich diese noch in bewusstlosem Zustand befunden habe, über Aufforderung eines Sicherheitswacheorganes von einem Gemeindearzt durchgeführte Blutabnahme als rechtswidrig festgestellt werde. Weiters wurde der Bund zur Kostentragung verpflichtet.
Dazu führte die belangte Behörde u.a. aus, im Beschwerdefall stehe unbestrittener Weise fest, dass dem sich in Folge des Verkehrsunfalles (mit mehreren schwer Verletzten) noch im Zustand der Bewusstlosigkeit befindlichen Mitbeteiligten Blut abgenommen worden sei, um auf diese Weise seine Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt bestimmen zu können. In diesem Zusammenhang habe bereits der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Dezember 1988, VfSlg. 11923/1988, ausgesprochen, dass eine derartige Vorgangsweise einen Eingriff in das durch Art. 8 Abs. 1 MRK verfassungsgesetzlich geschützte Recht auf Privatleben darstelle, wobei die Bestimmung des § 5 Abs. 6 StVO 1960 diesen nicht zu tragen vermöge. Aber auch eine andere, die Eingriffsermächtigung des Art. 8 Abs. 2 MRK ausführende gesetzliche Grundlage als Deckung für eine derartige Vorgangsweise lasse sich nicht finden. Insbesondere enthalte auch die Strafprozessordnung keine spezifische Regelung dergestalt, dass ein derartiger, zum Zweck der "Beweissicherung im gerichtlichen Strafverfahren unumgänglicher" Eingriff allein schon deshalb per se zulässig wäre, im Gegenteil: Eine solche Ermächtigung müsste - weil gegen das in Art. 90 Abs. 2 B-VG verankerte Anklageprinzip verstoßend - selbst (wie § 5 Abs. 6 StVO) im Verfassungsrang stehen (vgl. in diesem Sinne VfSlg. 11923/1988). Lasse sich somit aber keine Rechtsgrundlage im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK für den hier in Rede stehenden Eingriff - Blutabnahme im Zustand der Bewusstlosigkeit - in das Recht auf Achtung des "Familienlebens" finden, so sei der vorliegenden Beschwerde gemäß § 67c Abs. 4 AVG stattzugeben und die Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme festzustellen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie).
Sowohl die belangte Behörde als auch der Mitbeteiligte haben eine Gegenschrift erstattet.
Der beschwerdeführende Bundesminister beruft sich zu seiner "Beschwerdelegitimation" auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG, zumal es sich bei der gegenständlichen Amtshandlung um eine "Angelegenheit des Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG" gehandelt habe.
Die Beschwerde erweist sich allerdings als unzulässig:
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. in den Angelegenheiten des Art. 11 B-VG der zuständige Bundesminister Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit erheben (soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können). Eine dieser Angelegenheiten ist nach Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG die "Straßenpolizei". Damit ist für den Beschwerdeführer allerdings nichts gewonnen:
Der Beschwerdeführer beruft sich nämlich für die von ihm behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zwar - wie oben zitiert - auf die letztzitierte Bestimmung des B-VG, doch ergibt sich aus seinen folgenden Beschwerdeausführungen klar, dass er diese Rechtswidrigkeit nicht aus einer Vorschrift der "Straßenpolizei", insbesondere nicht der StVO 1960, ableitet. Vielmehr wird in der Beschwerde diesbezüglich ausgeführt, die Blutprobe sei zwar ohne richterlichen Befehl, gleichwohl aber "ohne Zweifel zur Beweissicherung im gerichtlichen Strafverfahren" (Unterstreichung durch den Verwaltungsgerichtshof) beschlagnahmt worden. Da eine Bestrafung wegen eines Alkoholdeliktes nach der Straßenverkehrsordnung neben einer Bestrafung nach dem StGB, bei der eine allfällige Alkoholisierung ebenfalls berücksichtigt worden sei, nicht in Betracht komme, habe es auch keine Zweifel daran geben können, dass die Beschlagnahme einer Blutprobe "nur der Beweissicherung in einem Strafprozess, nicht aber in einem Verwaltungsstrafverfahren nach der StVO dienen hätte können".
Da sich der beschwerdeführende Bundesminister für die Zulässigkeit der Beschwerde sohin in Wahrheit nicht auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG (in Verbindung mit Art. 11 B-VG) zu berufen vermag, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Juli 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999020316.X00Im RIS seit
07.11.2002