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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
ASchG 1994 §130 Abs1 Z19 idF 1999/I/012;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des AK in S, vertreten durch Dr. Leonhard Ogris, Rechtsanwalt in 8530 Deutschlandsberg, Grazer Straße 21, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 21. November 2001, Zl. UVS 303.15-29/2001- 17, betreffend Übertretung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg legte in ihrem Straferkenntnis vom 6. Juni 2001 dem Beschwerdeführer zur Last, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und Gesellschafter einer näher angeführten GmbH, somit als im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Person, in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber nicht dafür gesorgt, dass beim Arbeitseinsatz der Arbeitnehmer der GmbH die Bestimmungen des "Arbeitnehmerschutzgesetzes" eingehalten worden seien; anlässlich einer Kontrolle durch ein Organ des Arbeitsinspektorates für den
11. Aufsichtsbezirk am 11. März 1999 zu einer näher angegebenen Uhrzeit auf einer der Anschrift nach konkretisierten Baustelle sei festgestellt worden, dass von drei namentlich bezeichneten Arbeitnehmern auf der südseitigen Dachfläche des Wohnhauses 7 bei einer Absturzhöhe von 4 m und einer Dachneigung von 44 Grad Dacheindeckungsarbeiten durchgeführt worden seien, obwohl keine geeigneten Schutzeinrichtungen vorhanden gewesen seien, die den Absturz von Menschen, Materialien und Geräten in sicherer Weise verhindert hätten. Geeignete Schutzeinrichtungen gemäß den Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung wären Dachschutzblenden und Dachfanggerüste. Der Beschwerdeführer habe dadurch § 87 Abs. 3 Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994 in der geltenden Fassung (in der Folge: BArbSchV), verletzt, weshalb über ihn gemäß § 130 Abs. 1 Z. 19 "Arbeitnehmerschutzgesetz", BGBl. Nr. 450/1994 in der geltenden Fassung, eine Geldstrafe in der Höhe von S 40.000,-- (EUR 2.906,91; im Falle der Uneinbringlichkeit zehn Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom 21. November 2001 wies diese die Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe ab, dass die Ersatzarreststrafe auf vier Tage herabgesetzt und der Tatvorwurf hinsichtlich des Namens eines der betroffenen Arbeitnehmer berichtigt wurde.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 130 Abs. 1 Z. 19 ASchG (in der Fassung durch BGBl. I Nr. 12/1999) begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen ist, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Gestaltung von Arbeitsvorgängen oder die Gestaltung oder Einrichtung von Arbeitsplätzen verletzt; eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,-- zu bestrafen ist, begeht nach § 130 Abs. 5 Z. 1 leg. cit., wer als Arbeitgeber/in den nach dem 9. Abschnitt weiter geltenden Bestimmungen zuwiderhandelt. § 118 ASchG ist eine Bestimmung des 9. Abschnittes dieses Gesetzes.
Dass im Beschwerdefall eine Bestrafung nach § 130 Abs. 1 Z. 19 und nicht nach § 130 Abs. 5 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz, BGBl. Nr. 450/1994, erfolgte (zur Heranziehung der Sanktionsnorm des § 130 Abs. 5 leg. cit. vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1998, Zl. 98/02/0147, sowie vom 23. November 2001, Zl. 2000/02/0022), verletzt den Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten, weil die jeweils heranzuziehenden Strafsätze gleich sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1994, Zl. 92/04/0276).
Das sowohl unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch der Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerdevorbringen lässt sich - ausgenommen die Ausführungen zur Strafbemessung - dahin zusammenfassen, dass die belangte Behörde zu Unrecht dem Beschwerdeführer ein mangelhaftes Kontrollsystem angelastet habe; die belangte Behörde habe weiters keine Feststellungen betreffend die Bestellung einer namentlich genannten Person als verantwortlicher Beauftragter getroffen.
Der Beschwerdeführer hat jedoch mit seinem Vorbringen nicht hinreichend konkret dargelegt, wie dieses Kontrollsystem im Einzelnen auf der beschwerdegegenständlichen Baustelle funktionieren hätte sollen.
Hiezu wäre es - wie der Verwaltungsgerichtshof in ähnlichen Fällen ausgeführt hat - erforderlich gewesen aufzuzeigen, welche Maßnahmen im Einzelnen der unmittelbar Übergeordnete im Rahmen des Kontrollsystems zu ergreifen verpflichtet war, um durchzusetzen, dass jeder in das Kontrollsystem eingebundene Mitarbeiter die arbeitnehmerschutzrechtlichen Vorschriften auch tatsächlich befolgt und welche Maßnahmen der an der Spitze der Unternehmenshierarchie stehende Anordnungsbefugte vorgesehen hat, um das Funktionieren des Kontrollsystems insgesamt zu gewährleisten, das heißt sicherzustellen, dass die auch der jeweils übergeordneten Ebene erteilten Anordnungen (Weisungen) zur Einhaltung arbeitnehmerschutzrechtlicher Vorschriften auch an die jeweils untergeordnete, zuletzt also an die unterste Hierarchieebene gelangen und dort auch tatsächlich befolgt werde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. September 1998, Zl. 98/02/0148 = Slg. Nr. 14.981/A, mwN.). Insbesondere entspricht es auch der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 96/02/0052, mwN.), dass die bloße Erteilung von Weisungen keine ausreichende Kontrolle im beschriebenen Sinne darstellt. Auch genügt nach der hg. Judikatur der Hinweis auf die Betrauung Dritter mit Kontrollaufgaben und auf stichprobenartige Überprüfungen nicht den Anforderungen an ein wirksames Kontrollsystem (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 23. November 2001, Zl. 2000/02/0022, mwN.). Sohin konnte auch die als Verfahrensmangel gerügte Unterlassung der Einvernahme der Zeugen, insbesondere des AR, unterbleiben, hat dieser doch nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 21. November 2001 nur stichprobenartige Überprüfungen durchgeführt.
Soweit das Beschwerdevorbringen dahin verstanden werden kann, dass der Beschwerdeführer deshalb nicht zur Verantwortung gezogen werden könnte, weil ein verantwortlich Beauftragter bestellt worden sei, ist dem zu entgegnen, dass § 23 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993, BGBl. Nr. 27/1993, die Bestellung von verantwortlich Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 und 3 VStG für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften (wie im Beschwerdefall) erst dann als rechtswirksam erklärt, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dass eine derartige schriftliche Mitteilung über die Bestellung beim Arbeitsinspektorat eingelangt wäre, ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen.
Der Beschwerde ist dennoch Erfolg beschieden:
Es entspricht nämlich der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 96/02/0052, mwN.), dass mehrere Straftaten vorliegen, wenn sich die rechtswidrigen Angriffe - wie im Beschwerdefall - gegen die Gesundheit mehrerer Dienstnehmer richten.
Die belangte Behörde hat das erstinstanzliche Straferkenntnis in der Schuldfrage bestätigt und damit - trotz der namentlichen Nennung der beschäftigten Arbeitnehmer - den Beschwerdeführer lediglich einer Verwaltungsübertretung für schuldig befunden; sie hat dadurch gegen das in § 22 VStG normierte Kumulationsgebot verstoßen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Juli 2002
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATION Strafnorm Mängel im SpruchEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002020037.X00Im RIS seit
29.10.2002