Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BAO §116 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Sellner, über die Beschwerde der G in W, vertreten durch Dr. Erich Hirt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rudolfsplatz 5/26, gegen den Bescheid der Vorsitzenden des Berufungssenates Ia der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. März 2002, Zl. RV/343-15/2001, betreffend Aussetzung der Entscheidung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Wie der Beschwerdeschrift, der ihr angeschlossenen Ablichtung des angefochtenen Bescheides und einer ihr gleichfalls angeschlossenen Ablichtung einer von der belangten Behörde aufgenommenen Niederschrift vom 8. Februar 2002 entnommen werden kann, hatte die Beschwerdeführerin gegen Bescheide des Finanzamtes über Umsatzsteuer für das Jahr 1992 und Einkommensteuer für die Jahre 1992 bis 1997 Berufungen erhoben, deren Inhalte u. a. Gegenstand einer am 8. Februar 2002 von der Vorsitzenden des Berufungssenates im Beisein eines weiteren Organes der Berufungsbehörde mit dem steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin durchgeführten mündlichen Erörterung waren. Nach dem Inhalt der darüber aufgenommenen Niederschrift wurde der steuerliche Vertreter der Beschwerdeführerin von der Vorsitzenden des Berufungssenates dabei wiederholt mit ihrer Absicht konfrontiert, die Entscheidung über die anhängigen Berufungen bis zum Abschluss eines beim Landesgericht Krems seit geraumer Zeit anhängigen, sehr aufwändigen Strafverfahrens gemäß § 281 BAO auszusetzen. Vom steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin wurde ein Vorbringen zur Sache des Berufungsverfahrens erstattet und auf die Vorgeschichte und den aktuellen Stand des angesprochenen Strafverfahrens Bezug genommen. Abschließend kündigte die Vorsitzende des Berufungssenates an, sich nach nochmaliger Prüfung der Aktenlage beim steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin zu "melden", um ihm den Entschluss der Behörde über den weiteren Verfahrensablauf mitzuteilen.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Vorsitzenden des Berufungssenates wurde die Entscheidung über die Berufungen der Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 281 in Verbindung mit § 282 BAO bis zur Beendigung des beim Landesgericht Krems an der Donau zur näher genannten Aktenzahl schwebenden Strafverfahrens ausgesetzt. Begründet wurde der angefochtene Bescheid damit, dass der Ausgang des im Spruch genannten Strafverfahrens für die Frage, ob den in Streit stehenden Rechnungen Leistungen zu Grunde lägen und in der Folge die Voraussetzungen für einen Vorsteuerabzug beim Leistungsempfänger erfüllt gewesen seien, von wesentlicher Bedeutung sei. Der Aussetzung stünden überwiegende Interessen der Partei nicht entgegen, wie sich aus dem Umstand ergebe, dass trotz Vorhalts vom 20. Februar 2002 Gründe für ein Unterbleiben der Aussetzung nicht bekannt gegeben worden seien.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann nach § 281 Abs. 1 BAO die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegen stehen.
Nach § 281 Abs. 2 Satz 1 BAO ist eine Aussetzung der Entscheidung gemäß Abs. 1 von der Abgabenbehörde zweiter Instanz auszusprechen.
Zufolge der Bestimmung des § 282 Abs. 1 BAO werden die den Abgabenbehörden zweiter Instanz gemäß den §§ 278, 279 und 281 eingeräumten Rechte, wenn die Berufungsentscheidung gemäß § 260 Abs. 2 durch einen Berufungssenat zu fällen ist, zunächst vom Vorsitzenden des Senates ausgeübt, welchem auch die Leitung des Berufungsverfahrens obliegt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, sind als überwiegende Interessen der Partei, die nach § 281 Abs. 1 BAO einer Aussetzungsmaßnahme entgegen stehen könnten, nur solche zu verstehen, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben, während der bloße Eintritt von Rechtsfolgen, die der Gesetzgeber allgemein vorsieht, ohne Hinzutreten besonderer Umstände kein entgegen stehendes Interesse der Partei begründen kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, 98/14/0108, mit weiterem Nachweis, ebenso wie auch das hg. Erkenntnis vom 26. April 1994, 91/14/0129, 93/14/0015, 0082).
Eine solche Sachverhaltskonstellation wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Dass die "mit dem Strafverfahren verbundenen Nachteile" weitaus höher zu bewerten seien als die Feststellung des Abgabenanspruches, was die Beschwerdeführerin mit eingehenden Hinweisen auf die Verteidigungskosten zu untermauern versucht, ist ein Beschwerdevorbringen, das ein Interesse der Beschwerdeführerin am Unterbleiben einer Aussetzung der Entscheidung über ihre Berufungen mit dem in § 281 Abs. 1 BAO geforderten Gewicht nicht einsichtig macht, weil nicht zu erkennen ist, weshalb das Unterbleiben einer Aussetzung der Entscheidung über die Berufungen der Beschwerdeführerin geeignet sein könnte, die "mit dem Strafverfahren verbundenen Nachteile" von sich abzuwenden. Insoweit die Beschwerdeführerin vorträgt, der von ihr beklagte Verfahrensaufwand im Strafverfahren hätte deswegen eingespart werden können, weil im Falle "einer positiven Berufungsentscheidung der Staatsanwaltschaft für eine Fortsetzung des Verfahrens der Boden entzogen" sei, scheint sie von der irrigen Auffassung auszugehen, das Strafgericht sei an eine rechtskräftige Abgabenfestsetzung durch die Abgabenbehörde gebunden, was aber nicht der Fall ist (siehe das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1993, 90/13/0155, Slg. NF Nr. 6784/F, S. 341 des Sammlungsbandes, ebenso wie die Ausführungen von Fellner, Kommentar zum Finanzstrafgesetz I6 in den Anmerkungen zur aufgehobenen Gesetzesbestimmung des § 55 FinStrG). Wie das Strafgericht an eine im Berufungsverfahren der Beschwerdeführerin vorgenommene (andere) Abgabenfestsetzung durch die Berufungsbehörde nicht gebunden wäre, so wäre dementsprechend auch von der Anklagebehörde im gerichtlichen Strafverfahren keineswegs zwingend zu erwarten, dass sie eine pflichtgemäße Strafverfolgung allein deswegen fallen lassen würde, weil die Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren zweiter Instanz ein für sie günstigeres Ergebnis erzielt haben sollte. Angesichts des von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellten Präjudizialitätsfaktors des gerichtlichen Strafverfahrens für den Ausgang der Abgabenfestsetzung entsprach gerade auch im Hinblick auf die - umgekehrt nämlich bestehende - Bindung der Abgabenbehörde an die einer rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung zu Grunde gelegten Sachverhaltsfeststellungen (siehe hiezu die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1999, 93/13/0170, vom 22. Oktober 1997, 95/13/0036, und vom 24. September 1996, 95/13/0214, Slg. NF Nr. 7123/F) einem evidenten verwaltungsökonomischen Interesse.
Soweit die Beschwerdeführerin rügt, dass die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides ihr Schweigen auf einen Vorhalt zu ihrem Nachteil gewürdigt habe, obwohl dieser Vorhalt verfehlterweise nicht ihrem steuerlichen Vertreter, sondern ihr persönlich zugestellt worden sei, wäre ein darin zu erblickender Verfahrensmangel nur im Falle seiner Wesentlichkeit geeignet, zur Bescheidaufhebung zu führen (siehe nochmals das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 27. November 2001, 98/14/0108). Welches einer Aussetzung der Entscheidung entgegen stehende überwiegende Interesse die Beschwerdeführerin ins Treffen geführt hätte, zeigt sie nicht auf und stellt damit keine Relevanz eines allfälligen Verfahrensmangels dar. Wie sie in der Beschwerde kein überwiegendes Interesse am Unterbleiben einer Aussetzung der Entscheidung einsichtig macht, so hatte schon ihr steuerlicher Vertreter in der Erörterung der Angelegenheit vor der belangten Behörde am 8. Februar 2002 der ihm angekündigten Absicht zur Aussetzung der Entscheidung trotz weitwendiger Ausführungen kein solches Interesse der Beschwerdeführerin im Sinne des § 281 Abs. 1 BAO darzustellen vermocht.
Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren abzuweisen, was der Verwaltungsgerichtshof zufolge Vorliegens beider Tatbestände des § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG in einem nach dieser Gesetzesstelle gebildeten Senat beschlossen hat.
Wien, am 31. Juli 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002130092.X00Im RIS seit
08.11.2002