TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/7 2002/08/0133

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Veröffentlicht am 07.08.2002
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §123 Abs2 Z2;
ASVG §123 Abs2 Z3;
ASVG §123 Abs2 Z4;
ASVG §123 Abs4;
ASVG §51d Abs3 Z2;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/08/0192 E 7. August 2002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. Friedrich J. Reif-Breitwieser, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Hegergasse 10, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Juni 2001, Zl. MA 15-II-J 71/2001, betreffend Zusatzbeitrag gemäß § 51d ASVG (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, 1103 Wien, Wienerbergstraße 15-19), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer steht in einem Beschäftigungsverhältnis zu einer näher umschriebenen GmbH. Er erzielt ein monatliches Bruttoeinkommen von etwa S 43.200,-- (14 mal jährlich). Er unterliegt der Krankenversicherung nach dem ASVG. Seine Ehefrau hat als Angehörige (§ 123 Abs. 2 Z. 1 ASVG) Anspruch auf die Leistungen dieser Krankenversicherung. Weder der Beschwerdeführer noch seine mitversicherte Ehefrau beziehen Pflegegeld. Die Ehefrau des Beschwerdeführers widmet sich weder derzeit der Kindererziehung noch hat sie sich ihr jemals mindestens vier Jahre hindurch gewidmet.

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer verpflichtet, für seine Ehefrau gemäß § 51d ASVG einen Zusatzbeitrag für Angehörige in bestimmter Höhe für das Kalenderjahr 2001 zu leisten. Die Voraussetzungen hiefür seien auf Grund des unstrittigen Sachverhaltes gegeben. Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit, wonach von der Einhebung des Zusatzbeitrages abzusehen oder dieser herabzusetzen sei, sei nicht behauptet worden. Die Berechnung des Zusatzbeitrages durch die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse sei nicht bestritten worden. Die Bestimmung sehe keinen Ausnahmetatbestand bei ungewollter Kinderlosigkeit vor.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte deren Behandlung ab (Beschluss vom 2. März 2002, B 1191/01) und trat sie über nachträglichen Antrag dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 2. Mai 2002).

Vor dem Verwaltungsgerichtshof begehrt der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er stellt den eingangs dargestellten Sachverhalt außer Streit und macht geltend, die Beitragspflicht für seine Ehefrau habe auf Grund der speziellen Familiensituation zu entfallen. Die unverschuldete Kinderlosigkeit sei unter die "Schutzbestimmung" des § 51d Abs. 4 ASVG zu subsumieren. In den vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger nach dieser Bestimmung erlassenen Richtlinien werde die Befreiung vom Zusatzbeitrag für Angehörige wegen finanzieller Schutzbedürftigkeit normiert (§ 2 der Richtlinien). § 3 dieser Richtlinien sehe eine Befreiung in besonderen Einzelfällen vor, wenn eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit gegeben sei. Diese Bestimmung knüpfe nicht an die finanziellen Verhältnisse des Versicherten an, sondern die erwähnte Schutzbedürftigkeit könne auch in einem anderen denkbaren sozialen Härtefall ihren Ursprung haben. Ein derartiger extremer sozialer Härtefall sei gegeben, weil ihm und seiner Ehefrau die Dispositionsmöglichkeit bezüglich des Kinderwunsches fehle. Die belangte Behörde habe es unterlassen, festzustellen, dass es bei seiner Ehefrau in den Jahren 1986 und 1993 zu Eileiterschwangerschaften, 1991 es zu einem Abortus gekommen sei und schließlich 1995 zwei In-Vitro-Vertilisationsversuche fehlgeschlagen seien.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Durch Art. 66 Z. 7 des Budgetbegleitgesetzes 2001, BGBl. I

Nr. 142/2000, wurde der am 1. Jänner 2001 in Kraft getretene § 51d

ASVG eingefügt; dieser lautet wie folgt:

"Zusatzbeitrag für Angehörige

§ 51d. (1) Für Angehörige (§ 123) ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 3,4 % der für den Versicherten (die Versicherte) heranzuziehenden Beitragsgrundlage (Pension) zu leisten, für deren Ermittlung § 21 AlVG sinngemäß anzuwenden ist. Der Zusatzbeitrag entfällt zur Gänze auf den (die) Versicherte(n).

(2) Alle für die Beiträge zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung geltenden Rechtsvorschriften sind, sofern nichts anderes bestimmt wird, auf den Zusatzbeitrag nach Abs. 1 anzuwenden. Der (die) Versicherte schuldet jedoch den Zusatzbeitrag selbst und hat ihn auf seine (ihre) Gefahr und Kosten selbst einzuzahlen.

(3) Kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 ist einzuheben

1.

für Personen nach § 123 Abs. 2 Z. 2 bis 6 und Abs. 4;

2.

wenn und solange sich der (die) Angehörige der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 123 Abs. 4 erster Satz widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat;

              3.              wenn und solange der (die) Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat;

              4.              wenn und solange der (die) Angehörige den Versicherten (die Versicherte) mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze pflegt.

(4) Der Versicherungsträger hat bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des (der) Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§ 31 Abs. 5 Z. 16a) von der Einhebung des Zusatzbeitrages nach Abs. 1 abzusehen oder diesen herabzusetzen. Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn das Nettoeinkommen im Sinne des § 292 des (der) Versicherten den Richtsatz nach § 293 Abs. 1 lit. a aa nicht übersteigt."

Die §§ 2 und 3 der vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger erlassenen Richtlinien für die Befreiung vom Zusatzbeitrag für Angehörige lauten samt Überschrift wie folgt:

"Befreiung bei sozialer Schutzbedürftigkeit

§ 2. Der Zusatzbeitrag für Angehörige ist vom Krankenversicherungsträger nicht einzuheben, wenn

1.

der Versicherte Präsenzdiener oder Zivildiener ist;

2.

der Versicherte wegen seiner sozialen Schutzbedürftigkeit von der Rezeptgebühr befreit ist;

              3.              das Nettoeinkommen (§§ 292 ASVG, 149 GSVG, 140 BSVG) des Versicherten den Ausgleichszulagenrichtsatz für Ehepaare (§§ 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa ASVG, 150 Abs. 1 lit. a sublit. aa GSVG, 141 Abs. 1 lit. a sublit. aa BSVG) nicht übersteigt. Dieser Richtsatz ist gegebenenfalls entsprechend der Bestimmungen in den §§ 293 Abs. 1 zweiter Satz ASVG, 150 Abs. 1 zweiter Satz GSVG und 141 Abs. 1 zweiter Satz BSVG zu erhöhen.

Befreiung in besonderen Einzelfällen

§ 3. In anderen als den im § 2 genannten Fällen kann eine Befreiung vom Zusatzbeitrag über Antrag des Versicherten bewilligt werden, wenn sich nach Prüfung der Umstände im Einzelfall herausstellt, dass eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit gegeben ist."

Der Beschwerdeführer geht zutreffend davon aus, dass der unstrittige Sachverhalt nicht expressis verbis von einem der gesetzlichen Ausnahmetatbestände des § 51d Abs. 3 ASVG erfasst wird. Seiner Auffassung, die ungewollte Kinderlosigkeit führe als "besondere soziale Schutzbedürftigkeit" zur Befreiung vom Zusatzbeitrag für Angehörige kann nicht gefolgt werden. § 51d Abs. 4 ASVG sieht vor, dass bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des (der) Versicherten von der Einhebung des Zusatzbeitrages nach Abs. 1 abzusehen oder dieser herabzusetzen ist. Die Voraussetzungen der besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit sind nach dieser Bestimmung vom Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger durch Richtlinien (§ 31 Abs. 5 Z. 16a ASVG) zu erlassen. Diese Gesetzesstelle legt weiters fest, dass eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit jedenfalls dann vorliegt, wenn das Nettoeinkommen im Sinne des § 292 des (der) Versicherten den Richtsatz des § 293 Abs. 1 lit. a sublit. aa leg. cit. nicht übersteigt.

Der Beschwerdeführer ist hinsichtlich seines Vorbringens an § 51d Abs. 3 Z. 2 ASVG zu erinnern, wonach kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 einzuheben ist, wenn und solange sich der Angehörige der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 123 Abs. 4 erster Satz ASVG widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat. Das Gesetz knüpft demnach an eine bestimmte Dauer der Erziehung von Kindern im Sinne des § 123 Abs. 4 erster Satz ASVG an. Unter Kindern sind die in § 123 Abs. 2 Z. 2 bis 4 aufgezählten Personen zu verstehen. Auf die Kinderlosigkeit an sich, ob gewollt oder ungewollt, stellt § 51d ASVG nicht ab (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0127, und das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 4. Dezember 2001, B 998/01).

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Wien, am 7. August 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080133.X00

Im RIS seit

29.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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