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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AlVG 1977 §36 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der L in T, vertreten durch Dr. Helmut Steiner, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Kaiser-Franz-Ring 13, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 29. März 2000, Zl. LGS NÖ/JUR/12181/2000, betreffend Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Am 25. Juni 1999 hat die Beschwerdeführerin bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einen Antrag auf Zuerkennung von Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses gemäß § 23 AlVG gestellt. Zuvor bezog die Beschwerdeführerin nach einer im Akt liegenden Bescheinigung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 14. Mai 1999 bis 24. Juni 1999 Krankengeld in der Höhe von S 276,90 täglich.
Mit Schreiben vom 3. August 1999 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Bescheiderlassung, da ihre Pensionsbevorschussung ohne Begründung von S 274,-- auf 200,-- täglich gekürzt worden sei, was sie bekämpfen wolle.
Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 18. August 1999 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß § 33 AlVG und § 2 Notstandshilfeverordnung Notstandshilfe in den Zeiträumen vom 25. Juni 1999 bis 30. Juni 1999 in der Höhe von S 207,50 und vom 1. Juli 1999 bis 8. Juli 1999 in der Höhe von S 200,40 täglich gebühre. Begründend wurde ausgeführt, auf Grund des Einkommens des Ehemannes der Beschwerdeführerin aus einem Dienstverhältnis im Mai und Juni 1999 ergebe sich der im Spruch genannte Tagessatz. Ab 9. Juli 1999 liege keine Anrechnung mehr vor.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich vom 25. Februar 2000 keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid vom 18. August 1999 wurde dahingehend abgeändert, dass gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 33 Abs. 2 AlVG und § 2 Notstandshilfeverordnung festgestellt wurde, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses für die Zeit vom 25. Juni 1999 bis 30. Juni 1999 in Höhe von S 207,50 täglich und in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 in Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Ab 1. August 1999 gebühre die Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses ohne Anrechnung.
Nach dem Vorbringen im Verfahrenshilfeantrag der Beschwerdeführerin zwecks Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den genannten Bescheid vom 25. Februar 2000 wurde dieser Bescheid im Februar 2000 (ohne nähere Datumsangabe) zugestellt. Dieser Bescheid war Gegenstand des hg. Verfahrens zur Zl. 2002/08/0010.
2. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 29. Februar 2000 wurde gemäß § 38 iVm § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt. Begründend wurde ausgeführt, eine Neubeurteilung für den genannten Zeitraum habe ergeben, dass auf Grund der monatlichen Anrechnung von S 2.542,-- und der Anrechnung für den Familienzuschlag von S 149,-- die Notstandshilfe in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre.
Der am 1. März 2000 gegen den zuletzt genannten Bescheid eingebrachten Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem nunmehr beschwerdegegenständlichen Bescheid keine Folge gegeben. Der erstinstanzliche Bescheid wurde dahingehend abgeändert, dass die Bemessung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses rückwirkend gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 24 Abs. 2 AlVG dahingehend berichtigt werde, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses in der Zeit vom 9. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice habe ursprünglich mit Bescheid vom 18. August 1999 festgestellt, dass gemäß § 33 AlVG iVm § 2 Notstandshilfeverordnung die Notstandshilfe für die Zeit vom 25. Juni 1999 bis 30. Juni 1999 in Höhe von S 207,50 täglich und vom 1. Juli 1999 bis 8. Juli 1999 in Höhe von S 200,40 täglich auf Grund des Einkommens des Ehemannes gebühre. In der Begründung sei dargelegt worden, dass ab 9. Juli 1999 keine Anrechnung erfolge. Der Berufung gegen den Bescheid vom 18. August 1999 sei mit dem Bescheid der belangten Behörde vom 25. Februar 2000 keine Folge gegeben worden. Der erstinstanzliche Bescheid sei dahingehend abgeändert worden, dass nunmehr festgestellt worden sei, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses für die Zeit vom 25. Juni 1999 bis 30. Juni 1999 in Höhe von S 207,50 täglich und in der Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 in Höhe von S 188,40 täglich gebühre, wobei richtig eine Zuerkennung nur bis 8. Juli gewesen wäre. Da über den Zeitraum vom 9. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 erstinstanzlich noch nicht abgesprochen gewesen sei, habe die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 29. Februar 2000 erlassen. Mit diesem sei die Bemessung der Notstandshilfe ohne Betragsangabe für die Zeit vom 1. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 berichtigt bzw. widerrufen worden. Lediglich in der Bescheidbegründung sei angeführt worden, dass ein Leistungssatz von S 188,40 täglich gebühre. Die belangte Behörde habe die Berechnung der Leistung für den Zeitraum vom 9. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwendungen überprüft und den Betrag von S 188,40 für korrekt befunden. Ein Grund für eine amtswegige Aufhebung bzw. Abänderung des rechtskräftigen Berufungsbescheides der belangten Behörde vom 25. Februar 2000 im Sinne des § 68 Abs. 2 AVG liege nicht vor.
Gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 29. März 2000 richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses in der Zeit vom 9. Juli 1999 bis 31. Juli 1999 in der Höhe von S 188,40 täglich gebühre. Hinsichtlich dieses Zeitraumes erfolgte bereits ein Abspruch der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 25. Februar 2000, wobei ebenfalls S 188,40 täglich als Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses festgesetzt wurden.
Der Bescheid vom 25. Februar 2000 wurde mit hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 2002/08/0010, hinsichtlich seines Ausspruches für den Zeitraum vom 9. bis 31. Juli 1999 aufgehoben. Die Beschwerdeführerin kann daher im hier gegenständlichen Verfahren jedenfalls nicht mehr dadurch beschwert sein, dass die belangte Behörde in derselben Sache zweimal entschieden hat.
Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass Kreditrückzahlungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin bei der Festsetzung der Notstandshilfe in Form eines Pensionsvorschusses zu berücksichtigen gewesen wären, ist gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf die Begründung des soeben genannten hg. Erkenntnisses vom 7. August 2002, Zl. 2002/08/0010, zu verweisen.
Gemäß § 36 Abs. 5 AlVG in der Fassung BGBl. I Nr. 6/1998 kann eine Erhöhung der bei Anrechnung des Einkommens des Ehepartners maßgebenden Freibeträge in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie z. B. Krankheit, Schwangerschaft, Niederkunft, Todesfall, Hausstandsgründung und dergleichen, nach Anhörung des Regionalbeirates im Rahmen der vom Arbeitsmarktservice festgelegten Richtlinien erfolgen.
Hinsichtlich der in der Beschwerde angesprochenen Mietrückstände gilt das im hg. Erkenntnis vom 7. August 2002, Zl. 2002/08/0010, zu Kreditrückzahlungen Ausgeführte, dass diese nämlich nicht unter die genannten berücksichtigungswürdigen Gründe fallen. Sie sind in der Richtlinie des Arbeitsmarktservice idF Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 24. Mai 1995, abgedruckt auch bei Dirschmied, AlVG, 1. Lieferung, S. 487 ff., auch nicht enthalten.
Die Beschwerde richtet sich ferner dagegen, dass Kosten, die auf Grund von Amalgamvergiftungen entstanden seien, seitens der belangten Behörde keine Beachtung im Hinblick auf eine mögliche Freigrenzenerhöhung erfahren hätten. Damit wird eine Krankheit angesprochen; Krankheiten stellen berücksichtigungswürdige Gründe für eine Freigrenzenerhöhung im Sinne der zuvor genannten Bestimmungen des § 36 Abs. 5 AlVG und der Richtlinie des Arbeitsmarktservice dar. Ein diesbezügliches Vorbringen, dass sowohl sie als auch ihr Ehemann an kostenverursachender Amalgamvergiftung litten, hat die Beschwerdeführerin, wenn auch nicht detailliert, bereits in der Berufung erstattet. Die belangte Behörde hat in ihrer Bescheidbegründung lediglich festgestellt, dass die Kosten wegen Amalgamvergiftung nicht nachgewiesen worden seien.
Die belangte Behörde hat es jedoch unterlassen, die Beschwerdeführerin aufzufordern, diese Kosten näher nachzuweisen. Erst wenn die Beschwerdeführerin einer derartigen Aufforderung im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen wäre (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1992, Zl. 92/08/0023), hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht erfüllt. Hätte die belangte Behörde aber ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt, hätte sie auch zu einem anderen Bescheid kommen können. Da die Angaben der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung auch in zeitlicher Hinsicht unbestimmt waren, ist das Argument der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, die Kosten seien laut Berufung zu im Verfahren nicht maßgebenden Zeiten angefallen, nicht zur Rechtfertigung der Vorgangsweise der belangten Behörde geeignet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 9. August 2002
Schlagworte
Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Verfahrensbestimmungen Amtswegigkeit des Verfahrens Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002080011.X00Im RIS seit
29.11.2002Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008