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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in L, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Bräuergasse 3, als gemäß Beschluss der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 10. Juli 2002, Zl. 287/02, bestellter mittlerweiliger Stellvertreter für Dr. M, Rechtsanwalt in E, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 16. August 2000, Zl. 4/1280/Nr. 0685/00-1, betreffend Wiederaufnahme eines die Aberkennung von Notstandshilfe betreffenden Verfahrens, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 26. August 1997 wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice L. vom 16. Juni 1997, mit dem dem Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. Juni 1997 bis 12. Juli 1997 aberkannt und eine Nachsicht nicht erteilt worden war, gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. In der Begründung wurde u.a. Folgendes ausgeführt:
"Im Bezug der Notstandshilfe stehend haben Sie sich selbst eine Stelle bei der Firma G in L. gesucht. Laut Aktenvermerk des Arbeitsmarktservice L. vom 3.3.1997 haben Sie diese Stelle anschließend aus Gründen, die das Arbeitsmarktservice L. nicht als berücksichtigungswürdig ansieht, nicht angenommen. Laut Vorlage beim Unterausschuß des Regionalbeirates beim Arbeitsmarktservice L. vom 21.2.1997 ist dies nach § 10 AlVG ab dem Zeitpunkt des möglichen Arbeitsantrittes zu sanktionieren. Dieser Tag wäre der 1.6.1997 gewesen.
Am 18.2.1997 gaben Sie niederschriftlich vor dem Arbeitsmarktservice L. an, daß Sie zwar bei der Firma G am 1.6.1997 zu arbeiten beginnen hätten können, Sie jedoch von einer Arbeitsaufnahme Abstand genommen hätten, weil bei einer Wochenarbeitszeit von 45 Stunden (8.00 bis 18.30 Uhr) mit einer Bruttoentlohnung von S 19.000,-- keine Überstunden vergütet worden wären. Außerdem wären Sie als Arbeiter versichert worden, bisher wären Sie immer als Angestellter versichert gewesen. Sie hätten sich diesen Schritt gut überlegt, möchten diese Tätigkeit außerdem nicht ausüben, weil Sie das Strafzettelschreiben in gewisser Weise als 'Vernaderung' empfinden würden. Berücksichtigungswürdige Umstände machten Sie keine geltend.
...
Laut einer telefonischen Rücksprache mit der Firma G vom 3.7.1997 sind dort die Arbeitsbedingungen keinesfalls unzumutbar. Vor Übernahme der Überwachungsdienste wurden die Arbeitsbedingungen und auch sonst die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen vom Magistrat der Stadt L. überprüft und werden dies auch laufend. Bezahlt wären Sie nach dem Kollektivvertrag für Wachpersonal worden, und zwar ca. S 19.000,-- bei einer 40-Stunden-Woche, 5-Tage-Woche, jeweils von 8.00 bis 18.00 Uhr, inklusive drei Pausen zu je 30 Minuten. Da auch samstags überwacht wird, wäre immer ein Tag in der Woche frei. Sie wären als Arbeiter eingestuft worden, ohne Anrechnung der Vordienstzeiten. Eventuell angeordnete Überstunden wären bezahlt worden. Sie wären eingestellt worden, wenn Sie die Stelle angenommen hätten.
..."
Mit Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 9. April 1998 wurde dem Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 2. März 1998 betreffend das mit dem oben genannten Bescheid vom 26. August 1997 rechtskräftig abgeschlossene Verfahren nicht stattgegeben. Begründend wurde vor allem ausgeführt, dass im Wiederaufnahmeantrag des Beschwerdeführers vom 2. März 1998 auf einen Artikel der Oberösterreichischen Nachrichten vom 28. Februar 1998 verwiesen werde, in welchem vor Jobs gewarnt werde, deren Nichtannahme für das Arbeitsmarktservice als ausreichend betrachtet worden sei, dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe zu sperren. Laut diesem Artikel ("Finger weg von Wunderjobs") sei u.a. Vorsicht geboten, wenn keine Vorkenntnisse verlangt würden. Dabei könne es sich nur um schlecht bezahlte Hilfsarbeiterjobs handeln. Bei diesem Artikel handle es sich weder um das Hervorkommen einer neuen Tatsache, die sich auf den konkreten Sachverhalt beziehe, noch um ein neues Beweismittel.
Den Bescheid vom 9. April 1998 hob der Verwaltungsgerichtshof infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde mit Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 98/08/0199, auf. Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine Entscheidung damit, dass der Bescheid vom 9. April 1998 von der Landesgeschäftsstelle durch den Ausschuss für Leistungsangelegenheiten hätte erlassen werden müssen. Er sei aber ohne Befassung des Ausschusses von der Landesgeschäftsstelle durch einen vom Landesgeschäftsführer als deren monokratischem Leitungsorgan dazu ermächtigten Abteilungsleiter erlassen worden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 2. März 1998 auf Wiederaufnahme des Verfahrens mit gleicher Begründung wie im Bescheid vom 9. April 1998 abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2
VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der die Wiederaufnahme des Verfahrens regelnde § 69 Abs. 1
AVG, soweit hier von Bedeutung, lautet:
"§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:
1.
...
2.
neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder
3. ... ."
Eine der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist somit die Entscheidungswesentlichkeit der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 95/20/0041). Diese Voraussetzung ist im gegebenen Fall aus folgenden Gründen nicht erfüllt:
Der Zeitungsartikel "Finger weg von Wunderjobs", der im Akt einliegt und auf den der Beschwerdeführer seinen Wiederaufnahmeantrag gestützt hat, beschäftigt sich ausschließlich mit abstrakten Merkmalen von "Jobangeboten", die nach Meinung des Verfassers als "unseriös" zu qualifizieren wären. Der Artikel nimmt aber nicht auf jenes konkrete Arbeitsangebot des Unternehmens G, das der Beschwerdeführer nicht angenommen hat, Bezug. Er kann folglich nicht für die entscheidungswesentliche Beurteilung der Zumutbarkeit dieses konkreten Angebotes beweiskräftig sein. Die belangte Behörde hat den Wiederaufnahmeantrag somit zu Recht abgewiesen. Damit erübrigt es sich auch, auf die Frage einzugehen, ob der Zeitungsartikel überhaupt ein "neu hervorgekommenes" Beweismittel sein könnte.
Soweit der Beschwerdeführer bemängelt, dass der angefochtene Bescheid wiederum "für den Landesgeschäftsführer" und nicht vom Ausschuss für Leistungsangelegenheiten unterfertigt worden sei, ist ihm entgegenzuhalten, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Unterfertigung der Bescheide, die im Ausschuss für Leistungsangelegenheiten beschlossen wurden, durch den Landesgeschäftsführer oder eine dazu ermächtigte Person rechtmäßig ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 2002/08/0007). Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass der angefochtene Bescheid vom Ausschuss für Leistungsangelegenheiten beschlossen worden ist, wie dies auch im Spruch des Bescheides zum Ausdruck kommt. Somit ist aber jene Unzuständigkeit der belangten Behörde, die der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 98/08/0199, von Amts wegen aufzugreifen hatte, im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte des Art. 4 Abs. 2 MRK, des Art. 6 MRK, des Art. 5 StGG und des Art. 83 Abs. 2 B-VG anspricht, ist er darauf zu verweisen, dass für die Entscheidung über derartige Rechtsverletzungen nicht der Verwaltungsgerichtshof, sondern gemäß Art. 144 B-VG der Verfassungsgerichtshof zuständig ist.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 7. August 2002
Schlagworte
Behördenbezeichnung Behördenorganisation Intimation Zurechnung von BescheidenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002080043.X00Im RIS seit
29.11.2002