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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ASVG §111;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der X Rechtsanwalts-KEG in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 26. Mai 1999, Zl. MA 15-II-BZ 40/99/P93, betreffend Beitragszuschlag (mitbeteiligte Partei: Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlengasse 30), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat mit Bescheid vom 16. Dezember 1998 der Beschwerdeführerin einen Beitragszuschlag von S 600,-- vorgeschrieben. In der Begründung wurde dazu ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe als Dienstgeber die mit 1. September 1998 wirksam gewordene Gehaltsänderung zweier Dienstnehmer nicht innerhalb der gesetzlichen bzw. der in der Satzung der Gebietskrankenkasse festgesetzten Meldefrist, sondern erst am 8. Oktober 1998 erstattet. Die Dienstgeber hätten während des Bestandes der Pflichtversicherung gemäß § 34 ASVG jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung, insbesondere jede Änderung der Beitragsgrundlage binnen sieben Tagen zu melden. Beitragszuschläge könnten gemäß § 113 Abs. 1 ASVG bis zum Doppelten der näher umschriebenen Beiträge vorgeschrieben werden. Der Beitragszuschlag dürfe jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 ASVG für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären. Der mitbeteiligten Kasse sei durch die Meldeversäumnisse und die nachträgliche Verrechnung von Beiträgen ein zusätzlicher Aufwand entstanden. Bei Festsetzung der Höhe des Beitragszuschlages sei auf die wirtschaftliche Situation der Beschwerdeführerin sowie auf den Umstand, dass ihr wegen eines Meldeverstoßes ein Beitragszuschlag bereits vorgeschrieben worden sei, Bedacht genommen worden.
In dem dagegen erhobenen Einspruch hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, die Meldung der in Rede stehenden bedeutsamen Änderungen sei am 6. Oktober 1998 zur Post gegeben worden. Da es sich bei der Frist des § 34 Abs. 1 ASVG um eine verfahrensrechtliche handle, genüge zu deren Einhaltung die Postaufgabe. Ein Verwaltungsmehraufwand könne der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse bei einem Meldeverzug um nur einen Tag nicht entstanden sein. Dies ergebe sich daraus, dass die Gebietskrankenkasse die Festsetzung des Beitragszuschlages in der doppelten Höhe der zuletzt erfolgten Vorschreibung eines Beitragzuschlages vorgenommen habe.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat den Einspruch der belangten Behörde vorgelegt und im Begleitschreiben vom 15. Februar 1999 dazu ausgeführt, die betreffende Meldung sei zweifellos verspätet bei ihr eingelangt. Ein Beitragszuschlag hätte bis zum doppelten Ausmaß der nachzuverrechnenden Beiträge vorgeschrieben werden können. Die sich ergebende Beitragsdifferenz betrage im vorliegenden Fall S 2.829,60. Verzugszinsen seien im gegenständlichen Fall nicht angefallen.
Für die gesonderte Bearbeitung jeder verspätet erstatteten Meldung entstehe der Kasse ein Verwaltungsmehraufwand von zumindest S 523,--.
Bei Festsetzung der Höhe des Beitragszuschlages sei berücksichtigt worden, dass die Beschwerdeführerin bereits wiederholt gegen die Meldebestimmungen verstoßen habe. Es sei auch auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Dienstgebers als auch auf die Dauer des Meldeverzuges Bedacht genommen worden.
Die belangte Behörde übermittelte das Begleitschreiben der Beschwerdeführerin zur allfälligen Stellungnahme. Die Beschwerdeführerin hat keine Stellungnahme abgegeben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch teilweise Folge gegeben und den Beitragszuschlag auf S 300,-- herabgesetzt. In der Begründung wird hiezu nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens ausgeführt, gemäß § 33 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 ASVG haben die Dienstgeber jeden von ihnen Beschäftigten, in der Krankenversicherung nach diesem Bundesgesetz Pflichtversicherten, unverzüglich nach Beginn der Pflichtversicherung beim zuständigen Träger der Krankenversicherung anzumelden und während des Bestandes der Pflichtversicherung jede für diese Versicherung bedeutsame Änderung im Beschäftigungsverhältnis, wie Änderung der Beitragsgrundlage, Unterbrechung und Wiedereintritt des Entgeltanspruches, innerhalb siebentägiger Frist beim genannten Versicherungsträger zu melden. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin hat die belangte Behörde ausgeführt, die Beschwerdeführerin als Dienstgeberin sei verpflichtet, für die fristgerechte Erstattung der Meldungen und die ordnungsgemäße Einhaltung der Meldevorschriften in ausreichendem Maße Sorge zu tragen. Bediene sich der Dienstgeber zur Beförderung der Meldungen der Post, so gehe die Versendung auf seine Gefahr. Er müsse dabei auch auf die Möglichkeit einer Verspätung oder sogar eines Verlustes der Sendung auf dem Postweg Bedacht nehmen. Eine Meldung gelte nicht schon durch die bloße Postaufgabe, sondern erst mit dem nachweislichen Einlangen beim Versicherungsträger als erstattet. Im gegenständlichen Fall seien die Meldungen bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse erst am 8. Oktober 1998 und somit nicht fristgerecht eingelangt.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Nach den Beschwerdeausführungen sei es unbestritten, dass die Änderungsanzeige am 7. Tag nach der Änderung der Beitragsgrundlage zur Post gegeben worden und die Meldung bei der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse am 8. Tag eingelangt sei. Gemäß § 357 ASVG seien für das Verfahren vor den Versicherungsträgern in Leistungssachen und in Verwaltungssachen unter anderem die §§ 32 und 33 AVG über Fristen anzuwenden. § 33 AVG bestimme, dass Tage des Postenlaufes in Fristen nicht eingerechnet werden. Der angefochtene Bescheid verletze das Gesetz im Grunde des § 357 ASVG und des § 33 Abs. 3 AVG.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat ebenfalls eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem Vorbringen auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Mai 1985, Slg. Nr. 11.776/A, und vom 27. April 1989, 87/08/0085, und die darin zitierte Vorjudikatur hinzuweisen. Danach erfolgt die Anmeldung des Versicherten verspätet (im Sinne des § 113 Abs. 1 und 2 ASVG), wenn sie nach Ablauf der Meldefrist nach § 33 Abs. 1 ASVG bzw. nach der Kassensatzung beim Versicherungsträger einlangt. § 33 Abs. 3 AVG, wonach der Postenlauf in (verfahrensrechtliche) Fristen nicht einzurechnen ist, findet keine Anwendung. Die Wahl des Beförderungsmittels erfolgt auf Gefahr des Meldepflichtigen.
Im vorliegenden Fall ist die Meldung bei der mitbeteiligten Kasse unstrittig am 8. Oktober, einem Donnerstag, eingelangt. Die Fristenablaufhemmung durch einen Samstag, Sonntag oder Feiertag kommt daher nicht zum Tragen.
Es liegt kein Grund für ein Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in diesen Belangen vor.
Der angefochtene Bescheid leidet aber an einer vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen aufzugreifenden Rechtswidrigkeit des Inhaltes:
§ 113 ASVG lautet:
"Beitragszuschläge
§ 113. (1) Beitragszuschläge können den in § 111 genannten Personen (Stellen) in folgenden Fällen vorgeschrieben werden:
1. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht erstattet worden ist oder wenn das Entgelt nicht gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Anmeldung bzw. bis zur Feststellung des Entgeltes durch den Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.
2. Wenn eine Anmeldung zur Pflichtversicherung verspätet erstattet worden ist oder wenn das Entgelt verspätet gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten jener Beiträge, die auf die Zeit ab Beginn der Pflichtversicherung bis zum Eintreffen der verspäteten Anmeldung bzw. bis zum Eintreffen der verspäteten Meldung des Entgeltes beim Versicherungsträger entfallen, vorgeschrieben werden.
3. Wenn ein zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist, kann ein Beitragszuschlag bis zum Doppelten der Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben, und den zu entrichtenden Beiträgen vorgeschrieben werden.
Bei der Festsetzung des Beitragszuschlages hat der Versicherungsträger insbesondere die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beitragsschuldners und die Art des Meldeverstoßes zu berücksichtigen. Der Beitragszuschlag darf jedoch die Höhe der Verzugszinsen nicht unterschreiten, die ohne seine Vorschreibung auf Grund des § 59 Abs. 1 für die nachzuzahlenden Beiträge zu entrichten gewesen wären.
(2) Werden vereinbarte oder satzungsmäßig festgesetzte Fristen für die Vorlage von Versicherungs- oder Abrechnungsunterlagen nicht eingehalten, kann ein Beitragszuschlag bis zur Höhe des Zehnfachen der jeweils nach § 45 Abs. 1 in Geltung stehenden Höchstbeitragsgrundlage vorgeschrieben werden.
(3) Der Beitragszuschlag wird vom Versicherungsträger, an den die Meldung zu erstatten ist oder dem die Unterlagen vorzulegen sind, vorgeschrieben; er berührt die Verpflichtung zur Bezahlung der fälligen Beiträge nicht.
(4) Die gemäß Abs. 1 vorgeschriebenen Beitragszuschläge sind auf die beteiligten Versicherungsträger und sonstigen Stellen schlüsselmäßig nach Maßgabe des auf den einzelnen Versicherungsträger entfallenden Gesamtbeitragsrückstandes am Ende des Vormonates aufzuteilen. Die gemäß Abs. 2 vorgeschriebenen Beitragszuschläge fließen dem einhebenden Versicherungsträger zu.
(5) § 83 und § 112 Abs. 3 gelten entsprechend."
§ 113 Abs. 1 ASVG lässt zunächst erkennen, dass nicht jede
Meldepflichtverletzung mit Auswirkungen auf die Höhe der zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge mit einem Beitragszuschlag (wohl aber allenfalls gemäß § 111 ASVG verwaltungsstrafrechtlich) sanktioniert ist, und zwar auch dann nicht, wenn sie dem Sozialversicherungsträger zusätzlichen Verwaltungsaufwand verursachen kann. Dies gilt insbesondere für die Meldung zu hoher Arbeitsverdienste.
Darüber hinaus unterscheiden sich die Z. 1 und 2 des § 113 Abs. 1 ASVG von der Z. 3 darin, dass sie nur Meldevergehen bei Beginn der Pflichtversicherung sanktionieren: Dies ergibt sich nicht nur aus der jeweiligen Umschreibung des Tatbildes der Meldepflichtverletzung, sondern auch aus der jeweiligen Sanktion, deren Berechnungsbasis jeweils die Beitragsschuld vom Beginn der Pflichtversicherung bis zur Feststellung des Fehlens der Meldung bzw. bis zum verspäteten Eintreffen der Meldung darstellt. Die Unterlassung oder verspätete Erstattung einer Änderungsmeldung während des weiteren Verlaufes der Pflichtversicherung ist daher weder nach Z. 1 noch nach Z. 2 des § 113 Abs. 1 ASVG umfasst.
Während also die Z. 1 und 2 des § 113 ASVG die Unterlassung und verspätete Meldungen sanktionieren (und in beiden Fällen nur dann, wenn sie bei Beginn der Pflichtversicherung geschehen), betrifft § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG den Fall, dass ein "zu niedriges Entgelt gemeldet worden ist", wobei der Tatbestand nicht auf ein Verhalten anlässlich des Beginns der Pflichtversicherung eingeschränkt ist. Die Meldung eines zu niedrigen Entgelts kann aber nicht nur dadurch herbeigeführt werden, dass ein in der Meldung genanntes Entgelt niedriger ist, als das tatsächlich ausgezahlte oder als das tatsächlich gebührende (§ 49 Abs. 1 ASVG), sondern der Tatbestand kann auch dadurch erfüllt werden, dass die Meldung einer Erhöhung des Ist- bzw. Anspruchslohns unterbleibt. Eine unrichtige Meldung im letztgenannten Sinne liegt aber nicht allein schon dann vor, wenn die Meldung der Entgelterhöhung verspätet erfolgt, da die bloße Verspätung (wie der Unterschied zum Wortlaut des § 113 Abs. 1 Z. 2 ASVG zeigt) nicht tatbildlich ist. Vielmehr muss es zusätzlich zu einer zu niedrigen Beitragsvorschreibung gekommen sein oder der Dienstgeber zumindest einen Beitrag in unrichtiger Höhe entrichtet haben.
Dies ergibt sich aus der Sanktion in § 113 Abs. 1 Z. 3 ASVG, deren Bemessungsgrundlage die "Differenz zwischen den Beiträgen, die sich aus dem zu niedrig gemeldeten Entgelt ergeben und den zu entrichtenden Beiträgen" darstellt, was voraussetzt, dass sich die Unrichtigkeit der Meldung in zumindest einer unrichtigen Beitragsentrichtung ausgewirkt hat.
Im vorliegenden Fall wurde unbestrittenermaßen keine falsche Meldung erstattet; es ist vielmehr eine erforderliche und auch erstattete Änderungsmeldung, deren Richtigkeit auch nicht bestritten wird, um einen Tag verspätet beim Sozialversicherungsträger eingelangt. Dies allein berechtigt nach dem Gesagten nur dann zur Vorschreibung eines Beitragszuschlages, wenn es zu Beginn der Pflichtversicherung geschieht (§ 113 Abs. 1 Z. 2 ASVG). Ein solcher Sachverhalt liegt hier aber nicht vor.
Da die belangte Behörde auf Grund einer unzutreffenden Rechtsauffassung die Vorschreibung des Beitragszuschlages allein auf die Verspätung der Meldung um einen Tag gestützt, zu den weiteren Voraussetzungen seiner Vorschreibung jedoch keine Ermittlungen angestellt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes; dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenausspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war zufolge der im § 110 ASVG verankerten sachlichen Abgabenfreiheit abzuweisen. Wien, am 7. August 2002
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999080103.X00Im RIS seit
05.12.2002Zuletzt aktualisiert am
04.05.2011