TE Vwgh Erkenntnis 2002/8/7 2002/08/0100

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Veröffentlicht am 07.08.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §10 Abs1;
AlVG 1977 §9;
AVG §45 Abs2;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. Gerhard Eckert, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 1b, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 20. Dezember 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlVG/1218/56/2001-7568, betreffend Verlust des Anspruches auf Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 25. Oktober 2001 hat das Arbeitsmarktservice Versicherungsdienste ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 AlVG für den Zeitraum vom 24. September 2001 bis 4. November 2001 den Anspruch auf Arbeitslosengeld verloren habe. Eine Nachsicht werde nicht erteilt. Die Entscheidung ist damit begründet worden, dass der Beschwerdeführer eine ihm vom Arbeitsmarktservice zugewiesene zumutbare Beschäftigung nicht angenommen habe. Berücksichtigungswürdige Gründe für eine Nachsicht lägen nicht vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben. In der Bescheidbegründung wird nach Wiedergabe der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmungen und des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides ausgeführt, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung vorgebracht, beim Vorstellungstermin sei von einer Sekretärin sein Reisepass mit dem Visum kopiert worden. Er sei gefragt worden, ob er einen Befreiungsschein besitze. Er habe dies bestätigt. Den Befreiungsschein habe er jedoch nicht mitgehabt. Er habe aber erklärt, ihn nachbringen zu können. Weiters sei der Beschwerdeführer gefragt worden, ob er über Englisch-, Französisch- , Latein- sowie Computerkenntnisse verfüge. Dies habe er verneint. Die Sekretärin habe die kopierten Unterlagen dem Chef vorgelegt, der ihr mitgeteilt habe, dass er den Beschwerdeführer nicht brauchen könne. Er habe keine Chance zu einem Vorstellungsgespräch erhalten. Er habe keinesfalls eine vom Arbeitsmarktservice zugewiesene und zumutbare Beschäftigung nicht angenommen.

Im Zuge des Berufungsverfahrens habe der Beschwerdeführer angegeben, dass er den Reisepass vorgelegt und gesagt habe, einen Befreiungsschein zu besitzen. Den Befreiungsschein habe er nicht mitgehabt. Er könne sich die Angaben der Firma, wonach er gesagt hätte, er hätte keinen Befreiungsschein, nicht erklären. Er wisse auch nicht, welche Arbeiter die Firma gesucht habe. Zum vorgehaltenen Stelleninserat habe er keine Stellungnahme abgegeben. Er habe darauf verwiesen, dass er nie mit dem Chef selbst, sondern nur mit dem jungen Mädchen gesprochen habe. Meinungsverschiedenheiten habe es nicht gegeben.

Dieser Berufung sei - wie die belangte Behörde weiter ausführt - keine Folge zu geben. Am 19. September 2001 sei dem Beschwerdeführer über die Firma M. als Personalverleiher eine Beschäftigung als Bestücker oder Löter angeboten worden. Laut Mitteilung der Firma habe der Beschwerdeführer angegeben, keinen Befreiungsschein zu besitzen. Er habe deshalb nicht eingestellt werden können. Bei der angebotenen Stelle handle es sich um eine Anlerntätigkeit, Vorkenntnisse wären nicht erforderlich. Sprach- oder EDV-Kenntnisse seien dazu nicht nötig gewesen. Der Beschwerdeführer verfüge über keine abgeschlossene Fachausbildung. Es handle sich daher um eine Beschäftigung, die der Ausbildung des Beschwerdeführers entsprochen habe und kollektivvertraglich entlohnt werde. Es sei somit eine zumutbare Beschäftigung im Sinne der gesetzlichen Bestimmung vorgelegen. Der Beschwerdeführer sei dazu verpflichtet, sich nachhaltig um ein Zustandekommen des Dienstverhältnisses zu bemühen und seine Arbeitsbereitschaft zu zeigen.

In dem dem Beschwerdeführer ausgefolgten Stelleninserat sei ausdrücklich angegeben gewesen, dass ausländische Staatsbürger nur mit vorhandenem Befreiungsschein angestellt werden können. Da der Beschwerdeführer rumänischer Staatsbürger sei, habe ihm bewusst sein müssen, dass die Vorlage des Befreiungsscheines ein Erfordernis für eine allfällige Anstellung sei. Es sei davon auszugehen, dass der Wortlaut des Stelleninserates dem Beschwerdeführer bekannt gewesen sei. Er habe trotz Vorhalt des Stelleninserates im Berufungsverfahren keine Angaben dazu gemacht und andererseits sich bei der Firma laut diesem Inserat vorgestellt. Der Beschwerdeführer habe jedenfalls bestätigt, den Befreiungsschein zum Vorstellungstermin nicht mitgenommen zu haben. Die belangte Behörde habe keine Veranlassung, die weiter gehenden Angaben der Firma, wonach der Beschwerdeführer mitgeteilt hätte, dass er keinen Befreiungsschein besitze, anzuzweifeln. Die Firma habe kein Interesse am Ausgang des Verfahrens. Der Beschwerdeführer sei hingegen über die Vorlage des Befreiungsscheines als Einstellungserfordernis informiert gewesen. Er habe die Angaben des Dienstgebers nicht entkräften können. Durch die Aussage über das Fehlen des Befreiungsscheines habe der Beschwerdeführer jedenfalls ein Verhalten gesetzt, das den potenziellen Dienstgeber von einer Einstellung abhalte. Darüber hinaus wäre aber auch die fehlende Mitnahme des Befreiungsscheines durchaus geeignet gewesen, eine Einstellung zu verhindern.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 10 Abs. 1 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der sich weigert, eine ihm von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene und zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, jedenfalls aber für die Dauer der auf die Weigerung folgenden sechs (unter näher umschriebenen Voraussetzungen: acht) Wochen den Anspruch auf Arbeitslosengeld.

Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, 99/08/0136, und vom 30. April 2002, 2002/08/0004) sind die Bestimmungen der §§ 9 ff AlVG Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung auch anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein.

Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten (und daher unverzüglich zu entfaltenden) aktiven Handelns des Arbeitslosen, andererseits (und deshalb) aber auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern.

Das Nichtzustandekommen eines den Zustand der Arbeitslosigkeit beendenden (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen somit auf zwei Wegen verschuldet (d.h. dessen Zustandekommen vereitelt) werden:

nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermines, Nichtantritt der Arbeit, etc.) oder aber, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage tretenden) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potenziellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht.

Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt erreicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht hin (vgl. auch hiezu aus der ständigen Rechtsprechung etwa das oben zitierte hg. Erkenntnis vom 30. April 2002, 2002/08/0004, m.w.N.).

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass die zugewiesene Beschäftigung zumutbar im Sinne des § 9 AlVG gewesen ist.

Die belangte Behörde hat entgegen der Annahme des Beschwerdeführers nicht angenommen, dass der Beschwerdeführer keinen Befreiungsschein besitze, sondern dass er gegenüber dem präsumtiven Dienstgeber angegeben habe, keinen zu besitzen. Die belangte Behörde hat auch die Gründe für diese ihre Annahme dargelegt. Damit hat die belangte Behörde aber einen Akt der Beweiswürdigung gesetzt. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bedeutet, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt zwar eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen. Bedenken gegen die Schlüssigkeit der diesbezüglichen Erwägungen der belangten Behörde sind beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden. Solche kann die Beschwerde aber auch nicht aufzeigen:

Einerseits hat der potenzielle Dienstgeber berichtet, der Beschwerdeführer habe keinen Befreiungsschein, während der Beschwerdeführer in der mit ihm aufgenommenen Niederschrift vom 2. Oktober 2001 selbst einräumt, der Sachbearbeiterin zwar sein Visum, nicht aber den Befreiungsschein ausgehändigt zu haben, weil dieser sie nichts anginge. Eine solche Verweigerungshaltung konnte aber den Eindruck erwecken, dass der Beschwerdeführer nicht im Besitz eines Befreiungsscheines sei, jedenfalls aber musste dem Beschwerdeführer angesichts des ihm bekannten, in einem Inserat ausdrücklich formulierten Einstellungserfordernisses der Innehabung eines Befreiungsscheines bewusst sein, dass die von ihm zur Schau getragene Haltung in dieser Frage geeignet war, die Einstellung zu vereiteln. Die belangte Behörde durfte daher davon ausgehen, dass der Beschwerdeführer zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Es kann offen bleiben, ob eine Vereitelungshandlung auch schon dann anzunehmen gewesen wäre, wenn der Beschwerdeführer dem potenziellen Dienstgeber mitgeteilt hätte, den Befreiungsschein nicht mit sich zu führen, aber bereit zu sein, ihn für den Fall eines konkreten Einstellungsinteresses kurzfristig nachbringen zu können, da die belangte Behörde von einem solchen Sachverhalt nicht ausgegangen ist.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Kostenzuspruch stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 7. August 2002

Schlagworte

Sachverhalt Beweiswürdigung freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002080100.X00

Im RIS seit

29.11.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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