Index
L94059 Ärztekammer Wien;Norm
ÄrzteG 1998 §109 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. W in W, vertreten durch Dr. Thomas Würzl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bauernmarkt 6/2/2, gegen den Bescheid des (im verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9, vertretenen) Beschwerdeausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien vom 15. Juni 2000, Zl. B 38/00, betreffend Nachlass des Fondsbeitrages für 1998, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat der Ärztekammer für Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit Bescheid vom 14. Mai 1999 setzte der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien den Beitrag des Beschwerdeführers zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 1998 gemäß Abschnitt I der Beitragsordnung für den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (BO) mit S 36.980,-- fest. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
Mit Schreiben vom 13. Dezember 1999 ersuchte der Beschwerdeführer aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation um Erlass des Fondsbeitrages 1998 gemäß § 10 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden: Satzung).
Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien wies den Antrag auf Erlass des offenen Fondsbeitrages 1998 mit Bescheid vom 2. Mai 2000 gemäß §10 Abs. 3 der Satzung iVm § 111 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) ab. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe bereits im Jahre 1991 bei der Gründung seiner ersten Ordination eine Ermäßigung der Fondsbeiträge unter Hinweis auf die Ordinationseröffnung in Anspruch genommen. Der Verwaltungsausschuss habe folglich die Fondsbeiträge in den ersten drei Praxisjahren mit einem ermäßigten Nominalsatz festgelegt. Dem Beschwerdeführer sei ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden, um seine Ordination aufzubauen und Gewinne zu erwirtschaften. So sei es dem Beschwerdeführer im Mai 1997 beispielsweise möglich gewesen, eine zweite Ordination zu eröffnen. Letztendlich sei es die persönliche Risikoentscheidung jedes einzelnen Arztes, eine (zweite) Ordination zu eröffnen. Dies müsse vor allem für jene Fälle gelten, in denen, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, eine seit Jahren bestehende Ordination an eine andere Adresse verlegt wird. Hierbei sei anzumerken, dass der Beschwerdeführer auch in der Phase der Praxisverlegung über eine aufrechte zweite Ordination und entsprechende Einnahmemöglichkeiten verfügt habe. Jeder Arzt müsse selbst entscheiden, ob eine Ordinationsgründung oder Praxisverlegung für ihn wirtschaftlich vertretbar ist, weshalb das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes nicht angenommen werden könne. Die im Zuge einer Ordinationsgründung oder Praxisverlegung anfallenden Verluste würden ohnehin bei der Fondsbeitragsabrechnung der kommenden Jahre berücksichtigt werden und dann die Bemessungsgrundlage entsprechend verringern.
Mit Bescheid vom 15. Juni 2000 wies der Beschwerdeausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien die dagegen erhobene Beschwerde ab und bestätigte den Bescheid des Verwaltungsausschusses. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vom Verwaltungsausschuss angestellten Überlegungen seien nachvollziehbar. Es sei tatsächlich nicht einleuchtend, dass eine seit Jahren bestehende Ordination, die sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung bereits "eingelaufen" haben müsste, nicht nur geschlossen werde, sondern dass im Gefolge sogar zwei Ordinationen eröffnet werden, was auch angesichts der Fachgebiete des Beschwerdeführers (Kieferchirurgie) naturgemäß einen entsprechenden Investitionsaufwand bedeute. Diese unternehmerische Entscheidung habe jedoch ausschließlich der Beschwerdeführer selbst zu vertreten, sodass vom Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung nicht gesprochen werden könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Der Beschwerdeführer erstattete eine Äußerung zur Gegenschrift.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
2.1. § 111 ÄrzteG 1998 lautet:
"Ermäßigung der Fondsbeiträge
§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfondsbeiträge vorsehen."
§ 10 der von der Vollversammlung der Ärztekammer für Wien in ihrer Sitzung vom 14. Dezember 1999 beschlossenen und mit Wirkung vom 1. Jänner 1999 in Kraft getretenen Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (kundgemacht in Wiener Arzt 7/8a ex 2000) lautet (auszugsweise):
"Ermäßigung und Nachlass des Fondsbeitrages
§ 10. ...
(2) Der Verwaltungsausschuss kann auf Antrag für die Dauer
a)
des Präsenzdienstes,
b)
des Zivildienstes,
c)
des Karenzurlaubes nach den Bestimmungen des Mutterschutzgesetzes,
d)
des Karenzurlaubes nach dienstrechtlichen Vorschriften,
e)
im Falle einer über 30 Tage währenden Berufsunfähigkeit,
den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen. ...
(3) Der Verwaltungsausschuss kann ferner bei Vorliegen sonstiger berücksichtigungswürdiger Umstände über Antrag des Fondsmitgliedes den Fondsbeitrag ermäßigen oder zur Gänze erlassen.
..."
2.2. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, die Schließung einer Ordination und der mit der Eröffnung zweier Ordinationen verbundene Investitionsaufwand seien berücksichtigungswürdige Umstände im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung.
Diese Rechtsansicht wird vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt.
Den in § 10 Abs. 2 der Satzung aufgezählten Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Erlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was regelmäßig einen Einkommensverlust zur Folge hat (die Einbeziehung von Karenzurlauben in die Aufzählung ist als Ausfluss einer rechtspolitischen Wertung zu verstehen). Im Lichte dieser grundsätzlichen Überlegung ist nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes auch § 10 Abs. 3 der Satzung auszulegen. Von einem berücksichtigungswürdigen Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung wird nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden können, das in ihrer Schwere und ihren Auswirkungen den im Abs. 2 aufgezählten vergleichbar ist und Auswirkungen auf die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit und somit auch auf das Einkommen hat.
In seinem Erkenntnis vom 17. Dezember 1998, Zl. 98/11/0176, hat der Verwaltungsgerichtshof etwa das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung bejaht, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von etwa S 100.000,-- ergibt (ungeachtet seiner grundsätzlicher Bejahung des Vorliegens eines berücksichtigungswürdigen Grundes nahm der Verwaltungsgerichtshof freilich an, dass der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn ausreichend Ersparnisse vorhanden sind oder das Fondsmitglied trotz seiner eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarerweise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte). In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall war das Fondsmitglied durch ein außergewöhnliches Ereignis, das außerhalb seiner Sphäre lag, nämlich eine Krankheit, daran gehindert, sich in vollem Umfang der ärztlichen Tätigkeit zu widmen, wodurch ein erheblicher Einkommensverlust entstanden war.
Die Gründung einer Ordination wie im Falle des Beschwerdeführers hingegen beruht auf einer wirtschaftlichen Entscheidung, die allein das Fondsmitglied zu treffen und - was ihre finanziellen Auswirkungen anlangt -zu verantworten hat. Auf die Motive für diese unternehmerische Entscheidung kommt es nicht an. Da im Zuge einer Ordinationsgründung regelmäßig hohe Ausgaben für Investitionen auftreten, kann darin kein unerwartet eintretendes, mithin außergewöhnliches Ereignis erblickt werden (vgl. in diesem Sinn auch das hg. Erkenntnis vom 29. Oktober 1996, Zl. 95/11/0406, ergangen zu § 20 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg). Auch wird das Fondsmitglied durch die damit verbundene wirtschaftliche Belastung typischer Weise - anders als in den in § 10 Abs. 2 der Satzung genannten Fällen - nicht gehindert, weiterhin in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit nachzugehen.
Der Beschwerdeführer hat seine wirtschaftliche Situation selbst zu verantworten. Die Gründung einer zweiten Ordination und die Verlegung einer bereits bestehenden Ordination sind nicht unerwartet mit einem hohen Investitionsaufwand verbunden. Dabei handelt es sich um kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne der bisherigen Ausführungen, das den Beschwerdeführer daran gehindert hat, sich in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit zu widmen. Ein berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinne des § 10 Abs. 3 der Satzung liegt daher nicht vor.
Im Übrigen werden allfällige Verluste, die im Zuge der Gründung einer Ordination entstehen, ohnedies in den folgenden Jahren bei der Festsetzung des Fondsbeitrages berücksichtigt, weil die Bemessungsgrundlage dadurch entsprechend verringert wird. Als Bemessungsgrundlage wird nämlich gemäß Abschnitt IV Abs. 5 BO das Einkommen des dem laufenden Jahr drittvorangegangenen Kalenderjahres herangezogen. Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht, dass es durch diese zeitliche Verzögerung zur Vorschreibung (subjektiv) als zu hoch empfundener Beiträge kommen kann, wenn das Einkommen eines Fondsmitglieds in der Zwischenzeit zurückgegangen ist. Dennoch wird durch diese Bestimmung, wenn auch mit Verzögerung, über einen längeren Zeitraum gerechnet ausreichend auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des § 109 Abs. 2 ÄrzteG 1998 Bedacht genommen.
Der Beschwerdeführer übersieht, dass seine Rechtsauffassung im Ergebnis dazu führte, dass Fondsmitglieder mit - über einen mehrjährigen Zeitraum betrachtet - im Wesentlichen gleichen Jahreseinkommen und folglich im Großen und Ganzen unveränderten Beitragsvorschreibungen auf längere Sicht mehr an Beiträgen zu leisten hätten als solche Fondsmitglieder, deren Jahreseinkommen als Folge ihrer unternehmerischer Entscheidungen starken Schwankungen unterliegt. Letztere könnten dann nicht nur darauf vertrauen, dass einkommensschwächere Jahre mit (dreijähriger ) Verzögerung zu entsprechend niedrigeren Vorschreibungen führen, sondern auch noch zumindest zum Teil die Leistung derjenigen Beiträge vermeiden, für deren Berechnung ihre (unter Umständen deutlich) höheren Jahreseinkünfte aus früheren Jahren als Bemessungsgrundlage heranzuziehen sind. Ein derartiges Verständnis des Beitragssystems kann dem Verordnungsgeber nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zugesonnen werden.
Darüber hinaus ist zu bedenken, dass dem Beschwerdeführer während der Jahre seiner höheren Einkünfte bekannt sein musste, dass diese Einkünfte erst zu einem späteren Zeitpunkt für die Berechnung der von ihm zu leistenden Beiträge ausschlaggebend sein würden. Er hätte demnach sein wirtschaftliches Verhalten darauf einstellen können.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.
Wien, am 8. August 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000110227.X00Im RIS seit
07.10.2002