TE Vfgh Erkenntnis 1999/9/27 B3026/97, B3027/97

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Veröffentlicht am 27.09.1999
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
ErbStG 1955 §15 Abs1 Z17

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Vorschreibung von Erbschaftssteuer an Legatarinnen trotz Annahme der Berichtigung der Legate von endbesteuertem Vermögen

Spruch

Die Beschwerdeführerinnen sind durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 20.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Am 14. April 1994 verstarb I H. Im Nachlaß waren ua. fünfzehn Sparbücher vorhanden, sohin Kapitalien, die "endbesteuert" waren, dh. einer Steuerabgeltung unterlagen, wie sie in §15 Abs1 Z17 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955 BGBl. 141 (in der Folge: ErbStG) umschrieben ist.

Den beiden Beschwerdeführerinnen hatte die Erblasserin jeweils ein Legat von S 200.000,- vermacht. Der Gerichtskommissär berichtigte die beiden Vermächtnisse aus dem Nachlaßvermögen.

Die Abgabenbehörden berücksichtigten jeweils einen Freibetrag von S 1.500,- (§14 Abs1 Z3 ErbStG) und schrieben den Beschwerdeführerinnen eine 16 %-ige Erbschaftssteuer in Höhe von jeweils S 31.760,- vor.

2. Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland wies Berufungen der Beschwerdeführerinnen als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerinnen hätten anstelle der geschuldeten Leistung (nämlich einer Geldzahlung) eine andere Leistung (nämlich Sparbücher) an Erfüllungs Statt angenommen. Es mache jedoch keinen Unterschied, ob die Barlegate durch Hingabe endbesteuerten Vermögens oder auf andere Art beglichen würden.

3. Gegen diese Berufungsbescheide richten sich die beiden vorliegenden, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden, in denen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide beantragt wird. Die Beschwerdeführerinnen berufen sich, wie schon im Verwaltungsverfahren, auf die Erbschaftssteuerbefreiung gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG.

4. Die belangte Behörde hat die Akten der Verwaltungsverfahren vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §15 Abs1 Z17 ErbStG bleibt der todeswegige Erwerb von Kapitalvermögen steuerfrei, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß §97 Abs1 erster Satz sowie §97 Abs2 erster bis dritter Satz EStG 1988 idF BGBl. 12/1993 unterliegen. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1998, G170/96 ua., ausgeführt, daß §15 Abs1 Z17 ErbStG genau den Inhalt hat, den er nach §1 Abs1 Z2 Endbesteuerungsgesetz haben muß. Die Befreiungsbestimmung erfaßt nämlich jene und nur jene Vorgänge, die gemäß dieser - in Verfassungsrang stehenden - Vorschrift des Endbesteuerungsgesetzes unter die dort vorgesehene Abgeltungswirkung fallen müssen. Die in den Beschwerden (hilfsweise) vorgebrachten Bedenken gegen §15 Abs1 Z17 ErbStG treffen daher nicht zu.

2.1. Die Beschwerdeführerinnen erachten sich durch die angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.2. Damit sind sie im Ergebnis im Recht:

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 25. Februar 1999, B128/97, (vgl. auch VfGH 7.6.1999, B318/97, und 23.6.1999, B36/98) ausführlich dargelegt, welche Erwerbsvorgänge unter die Befreiungsbestimmung des §15 Abs1 Z17 ErbStG fallen, dies (auch) unter dem Aspekt verfassungskonformer Interpretation.

Danach gilt zunächst, daß die Erbschaftssteuer insoweit abgegolten ist, als endbesteuertes Vermögen als Erbschaft anfällt oder als Vermächtnis ausgesetzt wurde. Abgegolten ist die Steuer aber auch dann, wenn in Abgeltung des Pflichtteilsanspruchs oder im Zuge der Erbauseinandersetzung endbesteuertes Nachlaßvermögen zugewiesen wird. Ebenso ist schließlich vorzugehen, wenn ein (Geld-)Vermächtnis mittels endbesteuerten Nachlaßvermögens erfüllt wird. In all diesen Fällen hängt die Steuerfreiheit freilich davon ab, daß dem Steuerpflichtigen tatsächlich endbesteuertes Vermögen zugewendet wird. Dem Erben bleibt die Begünstigung auch dann erhalten, wenn er zwecks Entrichtung von (Bar-)Vermächtnissen oder des Pflichtteils endbesteuertes Vermögen verwertet.

Übersteigt jedoch das im Nachlaß enthaltene endbesteuerte Vermögen den Wert dessen, was dem Erben (gemeinsam mit anderen Empfängern derartigen Vermögens) verbleibt, dann steht es der Steuerbefreiung nicht entgegen, wenn der Erbschaftssteuerpflichtige zwar nicht selbst endbesteuertes Vermögen erwirbt, sein Erwerb sich aber von endbesteuertem Vermögen ableitet, an seine Stelle tritt und die Leistung endbesteuerten Vermögens ersetzt; denn im Ergebnis muß der Nachlaß in jenem Umfang steuerfrei bleiben, in dem er aus endbesteuertem Vermögen besteht. Pflichtteilsberechtigte und Vermächtnisnehmer können dann den überschießenden Steuervorteil für sich in Anspruch nehmen, und zwar gleichgültig, ob und in welchem Maße der Erbe zur Erfüllung des Pflichtteils oder zur Entrichtung des Legats endbesteuertes Vermögen "realisiert" oder auf andere Nachlaßgegenstände oder nicht aus dem Nachlaß stammendes Vermögen greift. Kommen solcherart für die Abgeltungswirkung endbesteuerten Vermögens mehrere Personen in Betracht, so ist ihnen die unverbraucht gebliebene Begünstigung anteilig zu gewähren.

2.3. In den vorliegenden Fällen geht die belangte Behörde davon aus, daß die Geldlegate durch die Übergabe von Sparbüchern, somit von endbesteuertem Vermögen, berichtigt worden sind. Bei dieser Sachlage wäre aber - wie sich aus den bisherigen Darlegungen ergibt - die Erbschaftssteuer der Legatarinnen zur Gänze abgegolten. Sollten die Vermächtnisse aber, wie dies Formulierungen in den Berufungen, den Vorlageanträgen und den Beschwerden nahelegen, durch Hingabe von "Realisaten" endbesteuerten Vermögens entrichtet worden sein, so fehlt es in den Bescheiden an Feststellungen darüber, wer die endbesteuerten Vermögenswerte erhalten hat und ob die wegen der Endbesteuerung anzunehmende Abgeltung der Erbschaftssteuer zum Tragen kommt. Diese Unterlassung schließt ein Urteil darüber aus, ob der Erwerb der Beschwerdeführerinnen nach §15 Abs1 Z17 ErbStG teilweise steuerfrei zu bleiben hätte.

Die Behörde hat daher jedenfalls, als sie die angefochtenen Bescheide erließ, dem Gesetz einen Inhalt unterstellt, der gegen den Gleichheitssatz verstieße und daher verfassungswidrig wäre. Dadurch hat sie die Beschwerdeführerinnen im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

2.4. Die Bescheide waren daher aufzuheben.

3. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Beträgen sind jeweils S 3.000,- an Umsatzsteuer und jeweils der Ersatz der gemäß §17 a VerfGG zu entrichtenden Gebühr von S 2.500,- enthalten.

Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Erbschafts- und Schenkungssteuer, Steuerpflicht, Steuergegenstand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B3026.1997

Dokumentnummer

JFT_10009073_97B03026_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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