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82/02 Gesundheitsrecht allgemein;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des G in I, vertreten durch Dr. Heribert Schar und andere Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Leopoldstraße 31a, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. Mai 2002, Zl. IIb2-3-7-1-777/2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der Beschwerde und der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ergibt sich Folgendes:
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit im Sinne des § 7 Abs. 2 leg. cit. für die Dauer von 36 Monaten, gerechnet ab der Zustellung des Mandatsbescheides vom 13. Dezember 2001, entzogen.
In der Begründung führte die belangte Behörde aus, über den Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 8. Februar 2001 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 und des Verbrechens nach § 28 Abs. 1, 2 und 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren verhängt worden. Diese Freiheitsstrafe sei im Berufungsweg vom Oberlandesgericht Innsbruck mit Urteil vom 30. Mai 2001 auf drei Jahre herabgesetzt worden. Der Beschwerdeführer sei schuldig erkannt worden, er habe zwischen Sommer 1999 und dem 18. November 2000 an verschiedenen Orten den Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zuwider Suchtgift in einer großen Menge (ca. 6000 Stück Ecstasy-Tabletten) durch teilweise kostenlose Weitergabe, größtenteils jedoch durch gewerbsmäßigen Verkauf in Verkehr gesetzt, sowie Kokain und Amphetamine erworben und zum Teil kostenlos mehreren Personen weiter gegeben, weiters geringe Mengen an Haschisch und Ecstasy-Tabletten konsumiert und einen anderen in mehreren Fällen zum Kokainkonsum eingeladen. Damit liege eine bestimmte Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG vor. Der gewerbsmäßige Verkauf von Suchtmitteln in großen Mengen stelle eine besonders verwerfliche Tatbegehung dar. Der Beschwerdeführer habe die Möglichkeit der Suchtgiftabhängigkeit und des Siechtums einer für ihn nicht überschaubaren Zahl von Menschen vorsätzlich in Kauf genommen. Das strafbare Verhalten des Beschwerdeführers habe mehr als ein Jahr gedauert und habe nur durch seine Inhaftierung bzw. die Verurteilung durch das Gericht ein Ende gefunden. Die festgesetzte Entziehungsdauer sei erforderlich, um beim Beschwerdeführer eine Änderung seines Charakters zu bewirken.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG maßgebend:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7.
...
(2) Als nicht verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 4) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart sich weiterer schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden.
...
(4) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 2 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand
...
5. eine strafbare Handlung gemäß § 12 Suchtgiftgesetz 1951, BGBl. Nr. 160/1952, begangen hat.
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder ...
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung."
Vorauszuschicken ist, dass zufolge § 46 Suchtmittelgesetz - SMG der im § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG enthaltene Verweis auf § 12 Suchtgiftgesetz 1951 mit dem Inkrafttreten des SMG (1. Jänner 1998) auf § 28 SMG zu beziehen ist (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 20. September 2001, Zl. 2000/11/0235, mwN). Auf Grund der Bindung der belangten Behörde an das rechtskräftige Strafurteil hatte sie davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen, derentwegen er verurteilt wurde, begangen hat. Sie hat daher mit Recht das Vorliegen einer bestimmten Tatsache im Sinne des § 7 Abs. 4 Z. 5 FSG angenommen.
Der Beschwerdeführer hält die Auffassung der belangten Behörde, ihm fehle auf Grund seines einmaligen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz die Verkehrszuverlässigkeit gemäß § 7 Abs. 2 FSG, für verfehlt. Soweit er in diesem Zusammenhang behauptet, er habe nur eine Straftat begangen, ist ihm zu erwidern, dass er das Verbrechen nach dem Suchtmittelgesetz, dessentwegen er verurteilt wurde, während eines langen Zeitraums, in zahlreichen Tathandlungen und an verschiedenen Tatorten begangen hat. Von einem einmaligen Fehlverhalten kann daher keine Rede sein. Die Auffassung der belangten Behörde, beim Beschwerdeführer bestehe eine Sinnesart im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG kann im Hinblick auf die Art und Schwere seines strafbaren Verhaltens nicht als rechtswidrig erkannt werden. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Beschwerdeführer während der Verbüßung der über ihn verhängten Freiheitsstrafe keine konkrete Gelegenheit hat, strafbare Handlungen zu begehen, die durch das Lenken von Kraftfahrzeugen erleichtert werden. Für die Festsetzung der Entziehungsdauer ist die Prognose, wann der Beschwerdeführer die Sinnesart im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG überwunden haben wird, maßgebend. Die Annahme, dass dies erst nach Ablauf der festgesetzten Entziehungsdauer der Fall sein wird, begegnet insbesondere im Hinblick auf die gewerbsmäßige Begehung des Verbrechens nach § 28 SMG keinen Bedenken.
Der Beschwerdeführer rügt die Verletzung des Parteiengehörs, führt aber in der Beschwerde nicht konkret aus, wozu ihm die Behörde Parteiengehör hätte gewähren müssen und was er im Falle der Gewährung des Parteiengehörs vorgebracht hätte. Der behauptete Verfahrensmangel liegt demnach nicht vor. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass im Hinblick auf die Bindung an die rechtskräftige Bestrafung des Beschwerdeführers die belangte Behörde davon auszugehen hatte, dass der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen, derentwegen er verurteilt wurde, begangen hat. Ein Ermittlungsverfahren dazu, in dessen Rahmen dem Beschwerdeführer Parteiengehör gemäß § 45 Abs. 3 AVG zu gewähren gewesen wäre, war daher nicht erforderlich.
Die belangte Behörde hat die Verkehrsunzuverlässigkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 7 Abs. 2 FSG angenommen und die Entziehung der Lenkberechtigung nicht darauf gestützt, es sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand Kraftfahrzeuge lenken werde. Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers, der eine derartige Befürchtung als Hypothese bezeichnet, geht daher ins Leere.
Der Hinweis des Beschwerdeführers auf sein bisheriges Wohlverhalten in der Strafhaft ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers während der festgesetzten Entziehungsdauer (und damit auch während des Vollzuges der Freiheitsstrafe) ist vielmehr Voraussetzung dafür, dass nach Ablauf der Entziehungsdauer wieder von der Verkehrszuverlässigkeit des Beschwerdeführers ausgegangen werden kann.
Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe sein Wohlverhalten seit der Beendigung der strafbaren Handlungen am 18. November 2000 bis zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht berücksichtigt. Dem ist entgegenzuhalten, dass die belangte Behörde (auf Seite 5 Mitte der Bescheidausfertigung) ausdrücklich berücksichtigt hat, dass der Beschwerdeführer seit der Strafanzeige vom 18. November 2000 in Bezug auf Suchtmitteldelikte nicht mehr auffällig geworden ist, und in diesem Zusammenhang seinen Aufenthalt in der Strafvollzugsanstalt genannt hat. Das Wohlverhalten des Beschwerdeführers während der Anhängigkeit des gerichtlichen Strafverfahrens und in der Folge in Strafhaft ist aber im Rahmen der Wertung gemäß § 7 Abs. 5 FSG und der anhand der in dieser Gesetzesstelle genannten Wertungskriterien zu erstellenden Prognose betreffend die Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit von so geringem Gewicht, dass es nicht geeignet ist, eine für den Beschwerdeführer günstigere Entscheidung herbeizuführen.
Da nach dem Gesagten bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 8. August 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002110136.X00Im RIS seit
07.10.2002