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L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Burgenland;Norm
AVG §58 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der M AG in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang W. Richter, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1/16, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 14. Juli 2000, Zl. 5-N-B1660/4-2000, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Burgenland hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1998 beantragte die beschwerdeführende Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Oberwart (BH) unter Anschluss einer Baubeschreibung und von Plänen die naturschutzbehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Mobilfunkstation auf dem Grundstück Nr. 692 der KG Siget in der Wart.
Die BH holte das Gutachten eines Amtssachverständigen für Landschaftsschutz ein. Diesem zufolge befindet sich der Standort der beantragen Anlage auf einem als "Grünland-Sport" gewidmeten Grundstück am südlichen Ortsrand von Siget in der Wart und zwar im Bereich des Sportplatzes neben zwei Kabinengebäuden. Großräumig gesehen liege der Standort im südburgenländischen Hügel- und Terrassenland. Das Bild der Landschaft werde geprägt durch flache Täler, die in der Regel landwirtschaftlich genutzt würden und durch Bäche in diesen Tälern, wie dem Zickenbach, meist durchgehend von beidseitigen Gehölzstreifen begleitet. Die niedrigen Hügelzüge am Rande der Täler seien zum größten Teil bewaldet, die Siedlungen lägen zumeist in den Talbereichen und stellten kleine Dörfer dar, die meist eingeschossige Bebauung aufwiesen und gegen die freie, unbebaute Landschaft klar abgegrenzt seien. Dass dominierende Element im Erscheinungsbild dieser Dörfer sei in der Regel der Kirchturm, der die Ortssilhouette überrage und ein charakteristisches Element im Landschaftsbild darstelle. Dieses Bild biete sich auch dem Betrachter südlich der Ortschaft Siget in der Wart, wobei hier zwei kleine Kirchtürme die Ortssilhouette beherrschten. Etwa 500 m südlich führe die 380 kV-Freileitung vorbei und quere das Zickenbachtal. Das Erscheinungsbild der kleinräumigen Landschaft werde durch die groß dimensionierte Freileitung empfindlich gestört. Die geplante Mobilfunkanlage bestehe aus einem Stahlrohrmast mit einer Höhe von ca. 35 m und einem Blechcontainer. Der Mast solle am Fuß einen Durchmesser von ca. 90 cm aufweisen und sich bis zur Spitze auf ca. 25 cm verjüngen. Er werde auf Grund seiner Höhe die Ortssilhouette und damit auch die beiden Kirchtürme wesentlich (ca. um die Hälfte) überragen. Das traditionelle Erscheinungsbild der Ortschaft, das im Landschaftsbild ein prägendes Elemente darstelle, werde solcher Art durch das technische Element des Stahlrohrmastes, das dann das dominierende Element der Ortssilhouette sein werde, nachteilig beeinflusst. Die Errichtung der beantragten Anlage werde eine wesentliche Beeinträchtigung des vorherrschenden Landschaftsbildes bewirken.
Mit Bescheid der BH vom 3. November 1999 wurde der Bewilligungsantrag der beschwerdeführenden Partei mit der Begründung abgewiesen, die Errichtung der Anlage würde eine wesentliche Beeinträchtigung des vorherrschenden Landschaftsbildes bewirken und es bestehe kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Anlage, zumal der Ort Siget an das öffentliche Telefonnetz angeschlossen und Feuerwehren und Gendarmerien darüberhinaus jeweils untereinander per Funk erreichbar seien.
Die beschwerdeführende Partei erhob Berufung, in der sie darauf verwies, dass der schmale Mast gegenüber zwei Kirchtürmen nicht dominierend in Erscheinung treten könne und in der sie öffentliche Interessen am Mobilfunknetzausbau im Einzelnen darstellte.
Die beschwerdeführende Partei legte weiters ein von ihr eingeholtes Gutachten eines staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers vor, in dem dargelegt wurde, der Sendemast zeige sich - entgegen der groß dimensionierten Freileitung - als dünne, gegen Himmel strebende Nadel, die keinerlei Beeinträchtigung des betroffenen Landschaftsraumes mit sich bringe. Im Übrigen sollte bei der Beurteilung des Landschaftsbildes eine Verbindung von Landschafts- und Ortsbild vermieden werden.
Der daraufhin nochmals befasste Amtssachverständigen erklärte, das von ihm abgegebene Gutachten bleibe unverändert aufrecht. Ergänzend legte er eine Fotomontage und ein Foto bei, auf dem der geplante Mast eingezeichnet sei und verwies darauf, dass die Höhe des Mastes das Neunfache der Höhe der Umkleidekabine neben dem Standort betrage und dass der Durchmesser von 90 cm der Breite einer Hauseingangstüre entspreche.
Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 14. Juli 2000 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei als unbegründet abgewiesen und der Erstbescheid bestätigt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften im Wesentlichen ausgeführt, die Sendeanlage stelle auf Grund der Stahlkonstruktion, ihrer Breite und ihrer Höhe ein störendes Landschaftselement dar. Der Mast trete im betroffenen Landschaftsbereich deutlich in Erscheinung und sei auch aus weiterer Entfernung sichtbar. Er stelle neben der 380 kV-Leitung, die ebenfalls das Landschaftsbild wesentlich beeinträchtige, ein zusätzlich störendes Landschaftselement dar. Eine Bewilligung könnte daher nur erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an der Sendeanlage unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten wäre, als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen. Dies sei jedoch nicht der Fall. Vielmehr seien die öffentlichen Interessen an der Bewahrung von Natur und Landschaft höher zu bewerten, weil das Vorhaben in einem trotz bestehender störender Eingriffe weitgehend naturräumlich geprägten Gebiet verwirklicht werden solle und es das Landschaftsbild auf Grund seiner Ausführung mit Stahlteilen und seiner Höhe nachteilig beeinträchtige. Die von der beschwerdeführenden Partei aufgezeigte Unbrauchbarkeit von allfälligen Ersatzstandorten sei, ohne dass eine fachliche Begründung gegeben worden wäre, bloß behauptet worden; im Übrigen würde der Mangel an Alternativen nicht die Zerstörung eines weitgehend unbeeinträchtigten Landschaftsraumes rechtfertigen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 5 lit. a Z. 1 Bgld. Naturschutzgesetz 1990 (NatSchG) bedürfen auf Flächen, die im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der Gemeinde nicht als Wohn-, Dorf-, Geschäfts-, Industrie- und Betriebsgebiete, gemischte Baugebiete oder als Verkehrsflächen (§§ 14 Abs. 3 lit. a bis f, 15 Bgld. Raumplanungsgesetz, LGBl. Nr. 18/1969) ausgewiesen sind, die Errichtung und Erweiterung von Gebäuden und anderen hochbaulichen Anlagen mit Ausnahme von Folienhäusern (Folientunnels) im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes, Baustelleneinrichtungen für eine bestimmte Zeit, Anlagen im Rahmen einer Veranstaltung für längstens zwei Wochen, Einrichtungen zur Wartung oder Kontrolle behördlich genehmigter Anlagen, Hochständen und Ansitzen, die üblicher Weise zur rechtmäßigen Ausübung der Jagd erforderlich sind, künstlerisch wertvollen Skulpturen, historischen Denkmalen und Kapellen einer Bewilligung.
Bewilligungen im Sinne des § 5 sind gemäß § 6 Abs. 1 NatSchG zu erteilen, wenn durch das Vorhaben oder die Maßnahme einschließlich des Verwendungszweckes nicht
a)
das Landschaftsbild nachteilig beeinflusst wird,
b)
das Gefüge des Haushaltes der Natur im betroffenen Lebensraum nachteilig beeinträchtigt wird oder dies zu erwarten ist oder
c) der Charakter des betroffenen Landschaftsraumes nachteilig beeinträchtigt wird.
Eine Bewilligung im Sinne des § 5 kann gemäß § 6 Abs. 5 NatSchG entgegen den Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 erteilt werden, wenn das öffentliche Interesse an den beantragten Maßnahmen unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohles höher zu bewerten ist als das öffentliche Interesse an der Bewahrung der Natur und der Landschaft vor störenden Eingriffe. Als öffentliche Interessen gelten insbesondere solche der Landesverteidigung, des Umweltschutzes, der Volkswirtschaft und des Fremdenverkehrs, der Bodenreform und der Landwirtschaft, des Schulwesens, der überörtlichen Raumplanung, des Verkehrswesens, der öffentlichen Sicherheit, der Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln oder Energie, der Gesundheit, der Wissenschaft und Forschung, des Denkmalschutzes, der wasserwirtschaftlichen Gesamtplanung und des Bergbaues.
In jenen Fällen, in denen eine Bewilligung unter Heranziehung des Abs. 5 erteilt wird, ist gemäß § 6 Abs. 6 NatSchG bei Vorliegen der Voraussetzungen durch Auflagen zu bewirken, dass die nachteiligen Wirkungen des Vorhabens möglichst gering gehalten werden.
Die beschwerdeführende Partei wendet sich gegen die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegende Auffassung, die beantragte Sendeanlage werde das Landschaftsbild nachteilig beeinflussen. Die belangte Behörde habe aus der bloßen Wahrnehmbarkeit der Anlage auf die nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes geschlossen, obwohl im Privatgutachten dargelegt worden sei, dass dies nicht der Fall sei und obwohl die 380 kV-Leitung einen wesentlich stärkeren Eingriff mit sich bringe.
Die belangte Behörde hat - dem Gutachten des Amtssachverständigen für Landschaftsschutz folgend - auf Grund des Umstandes, dass der Sendemast zufolge seiner technisch wirkenden Stahlkonstruktion ein fremdes Landschaftselement darstelle und überdies zufolge seiner Höhe die Ortssilhouette mit den beiden Kirchtürmen deutlich überragen werde, eine nachteilige Beeinflussung des Landschaftsbildes angenommen. Sie hat es allerdings unterlassen, konkret und nachvollziehbar darzulegen, ob und insbesondere mit welchem Gewicht das in der technisch wirkenden Stahlkonstruktion liegende fremde Landschaftselement und die Höhe des Mastes auf jene das Landschaftsbild prägenden Elemente verändernd so einwirken, dass von einer nachteiligen Beeinflussung des gesamten Bildes der Landschaft gesprochen werden kann. Der Umstand, dass der Mast in der Landschaft wahrzunehmen wäre und die Kirchtürme an Höhe überragen würde, bedeutet nicht notwendiger Weise eine nachteilige Veränderung der - nach Auffassung des Amtssachverständigen - das Bild der Landschaft prägenden Ortssilhouette. Entsprechender Darlegungen hätte es umso mehr bedurft, als im von der beschwerdeführenden Partei vorgelegten Privatgutachten ein solcher Einfluss verneint und insbesondere der Auffassung entgegengetreten wird, es werde statt der Kirchtürme in Hinkunft der Sendemast das dominierende Element der Ortssilhouette sein.
Mit Blick auf die nach § 6 Abs. 5 NatSchG vorzunehmende Interessenabwägung ist weiters auf die hg. Judikatur zu verweisen, wonach in der Bescheidbegründung in qualitativer wie quantitativer Hinsicht nachvollziehbare Feststellungen über jene Tatsachen enthalten sein müssen, von denen Art und Ausmaß der verletzten Interessen des Naturschutzes abhängt, über jene Auswirkungen des Vorhabens, in denen eine Verletzung dieser Interessen zu erblicken ist und über jene Tatsachen, die das öffentliche Interesse ausmachen, dessen Verwirklichung die beantragte Maßnahme dienen soll (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 2002, Zl. 99/10/0188, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Zufolge des oben erwähnten Mangels an Darlegungen fehlt allerdings eine taugliche Grundlage sowohl für die Annahme einer nachteiligen Beeinflussung des Landschaftsbildes im Sinne des § 6 Abs. 1 lit. a NatSchG als auch für die Annahme, das öffentliche Interesse an der Bewahrung von Natur und Landschaft vor störenden Eingriffen sei höher zu bewerten, als das an der Errichtung der beantragten Sendeanlage bestehende öffentliche Interesse. Zum öffentlichen Interesse an der Versorgung mit Dienstleistungen der Telekommunikation und dessen Ermittlung wird auf die Ausführungen im zitierten Erkenntnis vom 18. Februar 2002 hingewiesen.
Aus den dargestellten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 27. August 2002
Schlagworte
Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2000100135.X00Im RIS seit
14.10.2002