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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31965L0065 idF 31989L0341 Arzneimittel-RL Art1 Nr2 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des Mag. pharm. Dieter G in Judenburg, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Frauenangelegenheiten und Verbraucherschutz vom 28. Mai 1999, 332.421/2-VI/B/12a/99, betreffend Untersagung des Inverkehrbringens eines als Verzehrprodukt angemeldeten Produktes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 12. März 1999 hatte der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde das Produkt "Inconturina SR" gemäß § 18 LMG als Verzehrprodukt angemeldet. Als Verpackungstext sei u.a. die Aufschrift "Inconturina SR. Flüssigkeit zum Einnehmen. Nahrungsergänzung bei Blasenschwäche" vorgesehen.
Mit Bescheid vom 16. März 1999 hatte die belangte Behörde das Inverkehrbringen des Produktes als Verzehrprodukt untersagt; die Behörde hatte die Auffassung vertreten, es stelle einen Untersagungsgrund gemäß § 18 Abs. 2 LMG dar, dass auf der Verpackung die verbotene gesundheitsbezogene Angabe "bei Blasenschwäche" aufscheinen solle.
Mit Eingabe vom 2. April 1999 meldete der Beschwerdeführer das Produkt "Inconturina SR" (neuerlich) als Verzehrprodukt gemäß § 18 LMG an. Als Verpackungstext sei u.a. vorgesehen "Inconturina SR. Flüssigkeit zum Einnehmen. Nahrungsergänzung", die Darlegung der Zusammensetzung (u.a. Flüssigextrakt aus Goldrutenkraut und Gewürzsumachwurzelrinde) sowie die "Verzehrempfehlung: Erwachsene und Kinder nehmen 3 x täglich 20 bis 25 Tropfen. Jüngere Kinder je nach Alter 3 x täglich 5 - 15 Tropfen. Einnahme mindestens 4 Wochen lang."
Mit Eingabe vom selben Tag beantragte der Beschwerdeführer, für das Produkt "Inconturina SR" die gesundheitsbezogene Angabe "bei Blasenschwäche", die für die Beschriftung der Verpackung vorgesehen sei, gemäß § 9 Abs. 3 LMG zuzulassen.
Der Amtssachverständige für Pharmazie legte dar, das Produkt enthalte auf Grund der vorliegenden Unterlagen als pharmakologisch wirksamen Bestandteil 24,89 g Flüssigextrakt aus Goldrutenkraut pro 100 g. Die Einnahmeempfehlung laute 3 x täglich 25 Tropfen. Laut einschlägiger Fachliteratur kämen den Inhaltsstoffen des gegenständlichen Erzeugnisses zweifelsfrei spezifische pharmakologische Wirkungen zu (siehe u.a. Hoppe: Drogenkunde; Hager's Handbuch der pharmazeutischen Praxis; Martindale: The Extra Pharmacopeia, Hunnius: Pharmazeutisches Wörterbuch, usw.). Goldrutenkraut (Herba Solidaginis virgaureae) enthalte als wirksame Inhaltsstoffe Saponine und Gerbstoffe. Die Droge finde Verwendung als Diureticum und werde bei Ödemen, Nephritis, Arthritis, Menorrhagien und chronischen Hautleiden medizinisch verwendet. In der Homöopathie werde die Droge bei Nieren- und Leberleiden therapeutisch genutzt. Die angeführten pharmakologischen Wirkungen seien auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produkts auch zu erwarten. Weiters erwecke der Name den Eindruck, dass das Produkt zur Behandlung von Blasenschwäche geeignet sei und auch dazu Verwendung finden solle. Das Produkt sei daher sowohl nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als auch nach der Art und Form des Inverkehrbringens als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität zu beurteilen. Eine Zulassung liege nicht vor.
In seiner Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, den Inhaltsstoffen des gegenständlichen Erzeugnisses kämen laut einschlägiger Fachliteratur tatsächlich spezifische pharmakologische Wirkungen zu, wobei als mittlere Tagesdosis 10 g Droge (Max Wichtel, Teedrogen) bzw. 6 bis 9 g Droge (Kubelka/Länger, Phytokodex - Pflanzliche Arzneispezialitäten in Österreich 1996) genannt werde. Nach der den "Inconturina SR-Tropfen" beigegebenen Einnahmenempfehlung ergebe sich eine Zufuhr von 4 g Tropfen täglich.
4 g "Inconturina SR-Tropfen" enthielten 1 g Goldrutenkraut. Dies sei bloß ein Zehntel der oben angeführten therapeutischen Dosis. Auf Grund der quantitativen Zusammensetzung des Produkts seien somit keine pharmakologischen Wirkungen zu erwarten.
Mit dem angefochtenen Bescheid untersagte die belangte Behörde gemäß § 18 Abs. 2 LMG das Inverkehrbringen des gegenständlichen Produkts. Begründend vertrat sie nach Darlegung des Verfahrensganges, der Rechtslage und der Wiedergabe der als schlüssig erachteten Darlegungen des Amtssachverständigen die Auffassung, auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes seien die vom Sachverständigen näher dargelegten pharmakologischen Wirkungen zu erwarten. Auch der Name des Produkts erwecke den Eindruck, dass dieses zur Behandlung von Blasenschwäche geeignet sei und auch dazu Verwendung finden solle. Das Produkt sei daher sowohl nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als auch nach Art und Form des Inverkehrbringens als Arzneimittel und in der Folge als zulassungspflichtige Arzneispezialität zu beurteilen. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung liege nicht vor. Die Argumentation des Beschwerdeführers, wonach der Bestandteil Flüssigextrakt aus Goldrutenkraut des in Rede stehenden Produkts im Vergleich zu therapeutisch verwendeten Arzneimitteln in derart geringer Menge Verwendung finde, dass das Erzeugnis nicht als pharmakologisch wirksam bewertet werden könne, stelle einen Widerspruch zu der gleichzeitig gemäß § 9 Abs. 3 LMG beantragten gesundheitsbezogenen Angabe "bei Blasenschwäche" und auch der Bezeichnung des Erzeugnisses, das einen Zusammenhang mit dem Krankheitsbild der Inkontinenz impliziere, dar.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer erachtet sich im Recht auf Nichtuntersagung eines gemäß § 18 Abs. 1 LMG angemeldeten Verzehrproduktes verletzt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Verzehrprodukte sind Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen gegessen, gekaut oder getrunken zu werden, ohne überwiegend Ernährungs- oder Genusszwecken zu dienen oder Arzneimittel zu sein (§ 3 LMG).
§ 3 LMG setzt nach seinem letzten Halbsatz für die Verzehrprodukteigenschaft voraus, dass es sich nicht um ein Arzneimittel handelt.
Die Frage, ob ein Arzneimittel vorliegt, ist anhand der durch
§ 1 Abs. 1 AMG gegebenen Definition zu lösen.
Danach sind "Arzneimittel"
"Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen oder nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind, bei Anwendung an oder im menschlichen oder tierischen Körper
1. Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen,
2. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
3. vom menschlichen oder tierischen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
4. Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder
5. die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen."
Nach § 1 Abs. 3 Z. 2 AMG sind Verzehrprodukte im Sinne des LMG, sofern sie nach Art und Form des Inverkehrbringens nicht dazu bestimmt sind, die Zweckbestimmungen des Abs. 1 Z. 1 bis 4 zu erfüllen, keine Arzneimittel.
§ 1 Abs. 1 AMG stellt für das Vorliegen eines "Arzneimittels" somit - alternativ - auf zwei verschiedene Kriterien ab, nämlich darauf, ob Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen "nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen" (objektive Zweckbestimmung) oder "nach Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind" (subjektive Zweckbestimmung), bei Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die in den Z. 1 bis 5 beschriebenen Wirkungen hervorzurufen bzw. Funktionen zu erfüllen. Das Vorliegen des subjektiven Kriteriums bedingt unabhängig davon, ob auch die objektive Zweckbestimmung bejaht werden kann, schon für sich allein die Einstufung eines Produkts als Arzneimittel. Aus § 1 Abs. 3 Z. 2 AMG folgt allerdings, dass ein Produkt, auf das die Voraussetzungen des § 3 LMG zutreffen, und das nach seiner subjektiven Zweckbestimmung (nur) dazu bestimmt ist, Wirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG zu erzielen, kein Arzneimittel ist. Hingegen kann eine Ware nicht als Verzehrprodukt beurteilt werden, wenn sie objektiv geeignet oder subjektiv dazu bestimmt ist, die in § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 4 AMG genannten Wirkungen zu erfüllen (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 19. Februar 2001, 97/10/0210, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im Zusammenhang mit der "subjektiven Zweckbestimmung" stellt das Gesetz auf die Verkehrsauffassung ab; es ist der Gesamteindruck der Mitteilung maßgeblich (vgl. die Erkenntnisse vom 15. November 1999, Zl. 96/10/0219, und vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/10/0235).
Diese Auslegung des Arzneimittelbegriffs steht mit dem Gemeinschaftsrecht im Einklang. Auszugehen ist von der mehrfach geänderten Richtlinie 65/65/EWG des Rates vom 26. Jänner 1965 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über Arzneimittel. Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie definiert als Arzneimittel in Abs. 1 alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die als Mittel zur Heilung oder Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten bezeichnet sind und nach Abs. 2 alle Stoffe oder Stoffzusammensetzungen, die dazu bestimmt sind, im oder am menschlichen oder tierischen Körper zur Erstellung einer ärztlichen Diagnose oder zur Wiederherstellung, Besserung oder zur Beeinflussung der menschlichen oder tierischen Körperfunktion angewandt zu werden. Sie unterscheidet damit das Arzneimittel "nach Bezeichnung" (Abs. 1) vom Arzneimittel "nach Funktion" (Abs. 2). Der Begriff des "Arzneimittels nach Bezeichnung" ist nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 30. November 1983, Van Bennekom, Slg. 1983, 3883, Rn 17; vom 21. März 1991, Delattre, Slg. 1991, I 1487, Rn 39; vom 21. März 1991, Monteil und Samanni, Slg. 1991, I 1547, Rn 23; vom 16. April 1991, Upjohn, Slg. 1991, I 1703, Rn 6) schon wegen des Zwecks, die Verbraucher gegen das Inverkehrbringen von Erzeugnissen zu schützen, die keine heilenden Eigenschaften haben oder nicht die, die ihnen zugeschrieben werden, weit auszulegen. Wird ein Erzeugnis als Mittel zur Heilung oder Verhütung von Krankheiten bezeichnet, was nicht nur dann der Fall ist, wenn es ausdrücklich als solches "bezeichnet" oder "empfohlen" wird, sondern auch dann, wenn bei einem durchschnittlich informierten Verbraucher auch nur schlüssig, aber mit Gewissheit der Eindruck entsteht, dass dieses Erzeugnis in Anbetracht seiner Aufmachung die betreffenden Eigenschaften haben müsste, so handelt es sich bei diesem Erzeugnis um ein Arzneimittel "nach der Bezeichnung" im Sinne des Art. 1 Nr. 2 Abs. 1 der Richtlinie 65/65/EWG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. April 1999, Zl. 97/10/0100, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 28. Oktober 1992, Ter Voort, Slg. 1992, 1-5485). Zur Bezeichnung gehört auch die Form. Unter "Form" ist nicht nur die Form des Erzeugnisses selbst (Tabletten, Pillen oder Pastillen) zu verstehen, sondern auch die Aufmachung des Erzeugnisses, mit der möglicherweise aus geschäftspolitischen Gründen eine Ähnlichkeit des Erzeugnisses mit einem Arzneimittel angestrebt wird. Die einem Erzeugnis gegebene äußere Form ist zwar nicht das allein ausschlaggebende Indiz, da andernfalls bestimmte Nahrungsmittel erfasst würden, die herkömmlicherweise in ähnlicher Form wie Arzneimittel aufgemacht sind; die äußere Form (Kapseln udgl.) ist aber ein wichtiges Indiz für die Absicht des Verkäufers oder Herstellers, das Erzeugnis als Arzneimittel in den Handel zu bringen. Entscheidend ist der Gesamteindruck. Ein Erzeugnis kann als Arzneimittel nach der Bezeichnung angesehen werden, wenn es auf Grund seiner Form und seiner Aufmachung einem Arzneimittel genügend ähnelt (vgl. das oben erwähnte Urteil des EuGH vom 21. März 1991, Delattre, Slg. 1991, I 1487, Rn 41).
Im Rahmen der Rechtsrüge macht die Beschwerde geltend, "Inconturina" sei eine reine Fantasiebezeichnung, aus der sicherlich nicht hervorgehe, dass das Produkt zur Behandlung von Blasenschwäche geeignet sein und verwendet werden solle. Den Ausführungen des Amtssachverständigen und dem angefochtenen Bescheid sei nicht zu entnehmen, welche Gedankengänge von der "Markenbezeichnung" "Inconturina" auf ein Arzneimittel schließen ließen. Es werde nicht einmal ausgeführt, auf welche der "Definitionen" des § 1 Abs. 1 Z. 1 bis 5 AMG Art und Form des Inverkehrbringens hinwiesen. Gerade bei vergleichbaren Produkten seien gesundheitsbezogene Angaben wie "günstig für Blase und Prostata" regelmäßig gemäß § 9 Abs. 3 LMG zugelassen worden. Daraus folge, dass auf Grund der Verwendung der Bezeichnung "Inconturina" keinesfalls der Eindruck entstehen könne, das Produkt sei zur Behandlung von Blasenschwäche geeignet. Der EuGH habe zur Abgrenzung von kosmetischen Mitteln zu Arzneimitteln ausgesprochen, dass etwa die medizinische Konnotation des Begriffs "Clinique" zur Begründung der Arzneimitteleigenschaft nicht ausreiche. Die für den Verbraucher nicht deutbare Fantasiebezeichnung "Inconturina" werde durch den auf der Verpackung unmittelbar darunter befindlichen Begriff "Nahrungsergänzung" näher definiert. Der Verbraucher müsse also davon ausgehen, dass er nur ein Nahrungsergänzungsmittel, also ein Verzehrprodukt, und kein Arzneimittel vor sich habe, zumal auch keine anderen Aussagen auf der Verpackung in diese Richtung deuteten. Eine Gesamtbetrachtung des angemeldeten Produkts könne daher nur zum Ergebnis führen, dass die Arzneimitteleigenschaft im subjektiven Sinn nicht vorliege. Es sei dogmatisch vollkommen verfehlt und unzulässig, dass die Behörde den vom Beschwerdeführer zeitgleich gestellten Antrag gemäß § 9 Abs. 3 LMG auf Zulassung der gesundheitsbezogenen Angabe "bei Blasenschwäche" zur Begründung der Arzneimitteleigenschaft heranziehe. Die Behörde habe im Verfahren nach § 18 LMG nur zu beurteilen, ob das Produkt in der angemeldeten Form als Verzehrprodukt einzustufen sei. Bei der Betrachtung der Arzneimitteleigenschaft hätten allenfalls gleichzeitig gestellte Anträge nach § 9 Abs. 3 LMG außer Betracht zu bleiben. Ob die beantragte Angabe zulässig im Sinne des § 9 Abs. 3 LMG sei, könne im § 18 LMG-Verfahren nicht geklärt werden. Auch die Annahme, auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produkts seien pharmakologische Wirkungen zu erwarten, sei unhaltbar und nicht nachvollziehbar. Dies sei erst ab einer mittleren Tagesdosis von 10 g der Fall. Dem Produkt kämen lediglich physiologische Wirkungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG zu, weshalb es rechtlich gemäß § 1 Abs. 3 Z. 2 AMG als Verzehrprodukt einzustufen sei. Im Rahmen der Verfahrensrüge werden Begründungsmängel geltend gemacht. Der Amtssachverständige und die belangte Behörde hätten die Frage der Quantität des zugesetzten Extrakts vollkommen ignoriert. Sie hätten es unterlassen, auf die Frage einzugehen, ab welcher Dosierung Goldrutenkraut therapeutisch verwendet werde. Die Feststellung, dass die oben angeführten pharmakologischen Wirkungen der Droge Goldrutenkraut (als Diureticum, bei Ödemen, Nephritis, Arthritis, Menorrhagien, chronischen Hautleiden, bei Nieren- und Leberleiden) auf Grund der qualitativen und quantitativen Zusammensetzung des Produktes auch zu erwarten seien, sei daher nicht nachvollziehbar. Schon im Hinblick auf den Inhalt der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 26. Mai 1999 wäre die belangte Behörde verpflichtet gewesen, die Frage der Wirksamkeit des Goldrutenkrauts in seiner konkreten Konzentration darzulegen. Es fehle somit ein Ergebnis des Ermittlungsverfahrens, das die Einstufung von Inconturina SR als Arzneimittel im objektiven Sinn rechtfertige.
Damit zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Sie vertritt insbesondere die Auffassung, "Inconturina" sei eine "reine Fantasiebezeichnung" bzw. eine "für den Verbraucher nicht deutbare Fantasiebezeichnung". Sie meint damit offenbar, es handle sich um eine "absolute" Fantasiebezeichnung ohne jeden erkennbaren Sinngehalt. Darin ist der Beschwerde aber nicht zu folgen. Ausgehend vom Inhalt der gemäß § 18 Abs. 2 LMG erstatteten Anmeldung und der auf deren Grundlage getroffenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid beabsichtigt der Beschwerdeführer, ein Produkt in einer bei Arzneimitteln häufig verwendeten Darreichungsform (Tropfen), mit Hinweisen auf eine arzneilich verwendete Droge als Inhaltsstoff, einer "Verzehrempfehlung", die auf die Einnahme einer begrenzten Menge pro Tag über einen bestimmten Zeitraum hinweist, unter der Bezeichnung "Inconturina", aber ohne jeden Hinweis auf den Verwendungszweck oder einen für den Verbraucher mit der Einnahme verbundenen Nutzen in Verkehr zu bringen. Der Hinweis "Nahrungsergänzung" ohne jede Beifügung ist bei dieser Sachlage inhaltsleer, zumal kein Anhaltspunkt für die Annahme vorliegt, der Einnahme einer Ethanollösung, die Flüssigextrakt von Goldrutenkraut enthält - nach der Behauptung der Beschwerde in nicht arzneilich wirksamer Dosierung - werde nach der Verkehrsauffassung ein nahrungsergänzender Zweck, wie etwa der Einnahme von Vitaminen, Mineralstoffen und Spurenelementen in geringer Dosierung, zugeschrieben. Bei dieser Sachlage bleibt als Anhaltspunkt, an dem der durchschnittlich informierte Verbraucher Überlegungen über den konkreten Verwendungszweck des Produkts orientieren kann, lediglich die Bezeichnung "Inconturina". Es liegt sehr nahe, die Silbenfolge "Incont. ..." mit dem Begriff "Inkontinenz", der als Bezeichnung für "Blasenschwäche" in die Umgangssprache Eingang gefunden hat, in Verbindung zu bringen, und das Produkt - zumal kein Hinweis auf irgend einen anderen Verwendungszweck vorliegt - als zur Verwendung bei Blasenschwäche bestimmt anzusehen. Dabei kommt es gar nicht mehr darauf an, ob diese Assoziation durch die
abschließende Silbenfolge "... urina" verstärkt wird, weil dieser
jedenfalls kein bestimmter anderer, den durch die bestimmende Silbenfolge "Incont...." geschaffenen Eindruck aufhebende Bedeutung zukommt. Es besteht auch kein Zweifel, dass es sich bei Inkontinenz um eine den Begriff "krankhafte Beschwerden" im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 1 AMG verwirklichende Störung der Körperfunktionen handelt (vgl. hiezu allgemein das Erkenntnis vom heutigen Tag, 99/10/0134, sowie zu Bezeichnungen, die auf Funktionsstörungen der Blase hinweisen, das Erkenntnis vom 22. März 1999, 98/10/0130).
Es trifft somit - jedenfalls soweit die subjektive Zweckbestimmung in Rede steht - die Auffassung der Beschwerde nicht zu, die Wirkungen des Produktes erschöpften sich in solchen, die dem § 1 Abs. 1 Z. 5 AMG zu subsumieren seien.
Schon die getroffenen Feststellungen betreffend die Darreichungsform, den Begleittext und die Bezeichnung des Produktes sind somit geeignet, die Auffassung der belangten Behörde zu tragen, es handle sich bei dem Produkt um ein Arzneimittel nach der subjektiven Zweckbestimmung. Dazu bedurfte es keines Rückgriffes auf die im zeitgleich gestellten Antrag gemäß § 9 Abs. 3 LMG zum Ausdruck gebrachte Absicht des Beschwerdeführers, das Produkt mit der Bezeichnung "bei Blasenschwäche" in Verkehr zu bringen. Es kann daher auf sich beruhen, ob die Auffassung der Beschwerde zutrifft, dass "bei der Betrachtung der Arzneimitteleigenschaft im Verfahren nach § 18 Abs. 2 LMG allenfalls gleichzeitig gestellte Anträge nach § 9 Abs. 3 LMG außer Betracht zu bleiben haben". Es ist aber doch anzumerken, dass der Inhalt einer Anmeldung nach § 18 Abs. 2 LMG das Produkt und dessen Aufmachung umfasst (vgl. das Erkenntnis vom 18. April 1994, 92/10/0381, und die dort zitierte Vorjudikatur). Im vorliegenden, durch die kurz vor dem Antrag erfolgte Untersagung des Inverkehrbringens des Produktes "Inconturina SR" mit der Beifügung "bei Blasenschwäche" gekennzeichneten, Fall hat der Beschwerdeführer der Sache nach zum einen (in der Anzeige nach § 18 Abs. 2 LMG) erklärt, das Produkt ohne Angabe eines Verwendungszwecks bzw. einer Indikation, insbesondere ohne die Angabe "bei Blasenschwäche", zum anderen (im Antrag gemäß § 9 Abs. 3 LMG), es mit der Angabe "bei Blasenschwäche" in Verkehr bringen zu wollen. Das Gesetz schreibt für diesen Fall keine Erledigungsreihenfolge vor (vgl. das Erkenntnis vom 22. März 1999, 98/10/0250). Die Beschwerde bleibt eine nähere Begründung für ihre Auffassung schuldig, die dahin geht, dass zwischen den beiden Verfahren keinerlei Beziehung bestünde. Eine abschließende Auseinandersetzung mit den durch die Vorgangsweise des Beschwerdeführers aufgeworfenen Fragen, insbesondere nach der Trennbarkeit der Entscheidungen, erübrigt sich jedoch im Hinblick darauf, dass sich die Lösung der Frage der subjektiven Arzneimitteleigenschaft im vorliegenden Fall schon auf Grund des Gesamteindruckes, wie er in der gemäß § 18 Abs. 2 LMG erstatteten Anzeige beschrieben wird, insbesondere auf Grund der Bezeichnung, auch ohne Bedachtnahme auf die im Antrag nach § 9 Abs. 3 LMG erklärte Absicht, das Produkt mit der Bezeichnung "bei Blasenschwäche" in Verkehr zu bringen, mit Hilfe nahe liegender Überlegungen ergibt.
Für den Standpunkt der Beschwerde ist auch durch den Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 2. Februar 1994, C-315/92, "Clinique", Slg. 1994 I-0317, nichts zu gewinnen. Der Gerichtshof sah die klinische oder medizinische Konnotation des Begriffs "Clinique" als nicht ausreichend an, um dieser Bezeichnung eine irreführende Wirkung zuzusprechen. Nach dem Wortlaut der Begründung (Rn 21) erachtete es der Gerichtshof als ausschlaggebend, dass es sich bei den so bezeichneten Produkten um kosmetische Mittel handle, die ausschließlich durch Parfumerien und durch die Kosmetikabteilungen von Kaufhäusern vertrieben werden, nicht in Apotheken erhältlich sind und als kosmetische Mittel und nicht als Arzneimittel aufgemacht sind. Die Entscheidung behandelt somit einen dem vorliegenden in der Frage der Arzneimitteleigenschaft nach Bezeichnung nicht vergleichbaren Sachverhalt.
Auch der Hinweis, es würden für - nicht näher genannte - "vergleichbare Produkte" gesundheitsbezogene Angaben wie "günstig für Blase und Prostata" zugelassen, ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer daraus kein Recht auf Nichtuntersagung des in Rede stehenden Produktes ableiten könnte, ist darauf hinzuweisen, dass die hier in Rede stehende Bezeichnung nicht - wie die von der Beschwerde erwähnte - in konkreter Form "günstige" Wirkungen auf bestimmte Organe in Aussicht stellt, sondern den Eindruck einer Zweckbestimmung zur Verwendung bei bestimmten krankhaften Beschwerden nahe legt.
Auch der Hinweis der Beschwerde auf die geringe Dosierung des arzneilichen Wirkstoffes in dem in Rede stehenden Produkt (bei Beachtung der Einnahmeempfehlung) ist im vorliegenden Zusammenhang nicht zielführend. Für den durchschnittlich informierten Verbraucher läge nach dem Gesamteindruck kein Anhaltspunkt für die Annahme vor, das Produkt wäre im Hinblick auf seinen geringen Gehalt an Wirkstoffen für den therapeutischen Zweck, der durch die Bezeichnung nahe gelegt wird, nämlich die Besserung der Beschwerden bei Blasenschwäche, nicht geeignet.
Das Vorliegen des subjektiven Kriteriums bedingt unabhängig davon, ob auch die objektive Zweckbestimmung bejaht werden kann, schon für sich allein die Einstufung des Produkts als Arzneimittel. Die belangte Behörde hat somit die Voraussetzungen der Arzneimitteleigenschaft des Produkts nach der subjektiven Zweckbestimmung zu Recht bejaht und im Hinblick auf die Arzneimitteleigenschaft des Produkts dessen Inverkehrbringen als Verzehrprodukt nach § 18 Abs. 2 iVm § 3 LMG zu Recht untersagt.
Es erübrigt sich daher, auf jene - oben zusammenfassend wiedergegebenen - Darlegungen der Beschwerde einzugehen, die eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der Arzneimitteleigenschaft nach der objektiven Zweckbestimmung aufzuzeigen versuchen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 27. August 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 61992J0315 Clinique Estee Lauder VORABSchlagworte
Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Arzneimittels nach BezeichnungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 ArzneimittelGemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 Arzneimittel nach BezeichnungGemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 FormDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 InkontinenzDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Arzneimittel nach BezeichnungDefinition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Bezeichnung des Arzneimittels Form des ArzneimittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:1999100168.X00Im RIS seit
14.10.2002Zuletzt aktualisiert am
21.11.2011