TE Vfgh Beschluss 1999/9/28 B638/99

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Veröffentlicht am 28.09.1999
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
Nö GdO 1973 §35 Abs2 Z10
Nö GdO 1973 §38 Abs3

Leitsatz

Zurückweisung der Beschwerde einer Gemeinde mangels zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlusses; keine Willensäußerung des Bürgermeisters in Ausübung der Notkompetenz

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Die Niederösterreichische Landesregierung hat der EVN AG mit Bescheid vom 10. Jänner 1997 gemäß §7 Abs1 des Niederösterreichischen Starkstromwegegesetzes, LGBl. 7810-0, die Bau- und Betriebsbewilligung für eine 20 kV-Kabelanschlußleitung zur "Trafostation S Kiesgewinnung" erteilt.

Gegen diesen Bescheid hat die Marktgemeinde S einen Antrag auf Übergang der Zuständigkeit gemäß Art12 Abs3 B-VG an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gestellt.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 15. März 1999 hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die Bau- und Betriebsbewilligung für die 20 kV-Kabelanschlußleitung zur "Trafostation S Kiesgewinnung" unter Bedingungen und Auflagen erteilt.

3. Dagegen richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde der Marktgemeinde S, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§§1 Abs2 und 7 Abs1 des NÖ Starkstromwegegesetzes) behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheids beantragt wird.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß §35 Abs2 Z10 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-9, ist dem Gemeinderat ua. insbesondere die Einleitung oder Fortsetzung eines Rechtsstreites, der Abschluß aller Arten von Vergleichen Verzichten, und Anerkenntnissen sowie Anträge, Beschwerden oder Klagen an den Verfassungsgerichtshof oder an den Verwaltungsgerichtshof vorbehalten.

In der Beschwerde (eingelangt am 14. April 1999) wird vorgebracht, daß die Bevollmächtigung zur Erhebung der Beschwerde unter Ausnützung der Notkompetenz des Bürgermeisters nach gefaßtem Gemeinderatsbeschluß erfolgt sei.

2. Mit Schreiben vom 2. Juni 1999 forderte der Verfassungsgerichtshof die beschwerdeführende Gemeinde auf, binnen zweier Wochen jenen Gemeinderatsbeschluß vorzulegen, durch den der Bürgermeister der Marktgemeinde S zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof bevollmächtigt wurde.

In der Folge legte die Marktgemeinde S eine Bestätigung des Vizebürgermeisters vom 22. August 1996 mit folgendem Wortlaut vor:

"Die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. W J L, durch den Gemeinderat der Gemeinde S im gegenständlichen Verwaltungsverfahren, GZ 63.220/106-VII/A/4/96 des BMWA, umfaßt, wie in allen vorgehenden bzw. noch anhängigen Verwaltungsverfahren immer auch die Ermächtigung und Beauftragung zur Einbringung einer Beschwerde beim VfGH und VwGH, was hiemit ausdrücklich unter Ausnützung der Notkompetenz des Bürgermeisters nach §38 NÖ Gemeindeordnung nochmals festgehalten und beschlossen wird."

Weiters legte die beschwerdeführende Gemeinde eine Bestätigung des Bürgermeisters vom 17. Juni 1999 vor, die wie folgt lautete:

"Die Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. W J L, durch die Gemeinde S im oben bezeichneten Verwaltungsverfahren umfaßt auch die Ermächtigung und Beauftragung zur Einbringung einer Beschwerde beim VfGH und VwGH, was hiemit ausdrücklich unter Ausnützung der Notkompetenz des Bürgermeisters nach §38 NÖ Gemeindeordnung nochmals festgehalten und beschlossen wird."

Gleichzeitig wurde um eine Fristerstreckung angesucht, sollte es der Verfassungsgerichtshof für notwendig erachten, daß ein Gemeinderatsbeschluß über die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters der Gemeinde oder eine Bestätigung über den Bericht des Bürgermeisters an den Gemeinderat gemäß §38 Abs4 NÖ Gemeindeordnung über die Bestätigung vorgelegt werde.

Mit einem am 6. Juli 1999 zur Post gegebenen Schriftsatz legte die beschwerdeführende Gemeinde einen Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderates vom 29. Juni 1999 vor, in dem der Gemeinderat die Bevollmächtigung des Rechtsvertreters der beschwerdeführenden Gemeinde beschließt.

Weiters wurde eine Vollmacht mit folgendem Wortlaut vorgelegt:

"Der Gemeinderat der Marktgemeinde S bestätigt die bisherige durch den Gemeinderat erfolgte Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. W J L, in sämtlichen Verwaltungsverfahren, insbesondere baurechtlichen, wasserrechtlichen, naturschutzrechtlichen, forstrechtlichen, deponierechtlichen, umweltschutzrechtlichen Verfahren und Verfahren gemäß MinroG, jeweils betreffend den Abbau von mineralischen Rohstoffen auf den Grundstücken Nr. 19/1 und 19/2 der Katastralgemeinde Strasserfeld, Marktgemeinde S, durch die Schönkirchner Kies Kiesgewinnungs- und -verwertungsgesellschaft m.b.H. oder deren Rechtsnachfolger und erweitert diese Bevollmächtigung auf sämtliche Verwaltungsverfahren, insbesondere die vorher genannten, die die Wiederbefüllung dieser beiden Grundstücke oder einen Anschluß derselben an das öffentliche Eisenbahnnetz betreffen, wobei diese Bevollmächtigung, wie bisher auch künftig, immer auch die Ermächtigung und Beauftragung zur Einbringung einer Beschwerde beim VfGH und VwGH umfaßt."

3. Den Beschwerdeangaben zufolge wurde der angefochtene Bescheid der beschwerdeführenden Gemeinde am 16. März 1999 zugestellt. Der letzte Tag der sechswöchigen Beschwerdefrist war somit der 27. April 1999.

Dem Verfassungsgerichtshof ist ein der Vollmacht zugrundeliegender Beschluß des Gemeinderates gemäß §35 Abs2 Z10 NÖ Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-9, (vgl. oben unter II. 1.), der vor Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist gefaßt wurde, nicht vorgelegt worden. Es liegt auch im erwähnten Zeitraum keine Willensäußerung des Bürgermeisters im Sinne des §38 Abs3 leg. cit. vor, die darüber hinaus nur bei Gefahr im Verzug wirksam abgegeben werden kann.

Der von der beschwerdeführenden Gemeinde vorgelegte Beschluß zur Bevollmächtigung vom 29. Juni 1999 liegt außerhalb der Beschwerdefrist.

4. Da somit der Beschwerde weder vor Ablauf der Beschwerdefrist gefaßte Beschlüsse des Gemeinderates (vgl. VfSlg. 13792/1994) noch eine Willensäußerung des Bürgermeisters in Ausübung der Notkompetenz gemäß §38 Abs3 NÖ Gemeindeordnung 1973 zugrundeliegen, war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 12553/1990, 12385/1990, 13792/1994; sowie zur Rechtslage in NÖ VfSlg. 10646/1985, 14749/1997).

5. Eine Erörterung der Frage der Zulässigkeit des unter II. 2. erwähnten Fristerstreckungsantrages kann bei diesem Ergebnis unterbleiben.

6. Der Antrag, die Beschwerde im Falle der Abweisung oder Zurückweisung dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten, war abzuweisen, da eine solche Abtretung nur im Fall einer abweisenden Sachentscheidung oder Ablehnung der Behandlung einer Beschwerde in Betracht kommt.

III. Dies konnte gemäß §19 Abs3

Z2 litc und e VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, Gemeinderecht, Vertretung nach außen, Gemeinderat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B638.1999

Dokumentnummer

JFT_10009072_99B00638_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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