TE Vwgh Erkenntnis 2002/9/3 2000/03/0079

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Veröffentlicht am 03.09.2002
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Index

10/10 Grundrechte;
19/05 Menschenrechte;
91/01 Fernmeldewesen;

Norm

MRKZP 01te Art1;
StGG Art5;
TKG 1997 §1 Abs2 Z2;
TWG 1929 §1 Abs1 idF 1997/I/100;
TWG 1929 §1 Abs1 Z3 idF 1997/I/100;
TWG 1929 §1 Abs3 idF 1997/I/100;
TWG 1929 §1 idF 1997/I/100;
TWG 1929 §1a idF 1997/I/100;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde der C in Wien, vertreten durch Dr. Georg Zanger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Neuer Markt 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie) vom 21. Februar 2000, Zl. 100198/IV-JD/00, betreffend Mitbenützung von Leitungsrechten gemäß dem Telekommunikationswegegesetz (mitbeteiligte Partei: M), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 5. Mai 1999 stellte die Beschwerdeführerin an das Fernmeldebüro für Wien, Niederösterreich und Burgenland den Antrag, es möge eine Anordnung erlassen werden, die es ihr ermögliche, die "bestehenden Leitungen bzw. Anlagen" der Mitbeteiligten (im sogenannten "M") gemäß § 1a Telekommunikationswegegesetz (TWG) mitzubenützen. Dieser Antrag wurde damit begründet, dass die Beschwerdeführerin im Februar 1999 eine Vereinbarung mit der Mitbeteiligten abgeschlossen gehabt habe, nach der sie den M mit Telekommunikationsinfrastruktur zu versorgen gehabt hätte. Im März 1999 hätte die T der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass nunmehr sämtliche Telekommunikationsleistungen von der T angeboten würden. Nachdem die Beschwerdeführerin mit einzelnen Mietern des M Verträge zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen abgeschlossen habe, habe sie der Eigentümerin der Liegenschaft, der O, die Errichtung einer Richtfunkanlage am Dach angezeigt. Dies sei von der O in der Folge untersagt worden. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin gegenüber der Mitbeteiligten den ungehinderten Zutritt in das Gebäude zwecks Anbringung der entsprechenden Telekommunikationseinrichtungen begehrt. Dies sei von der Mitbeteiligten mit der Begründung abgelehnt worden, es befänden sich schon "Anlagen im Sinne des TWG" auf der Liegenschaft.

Mit Bescheid des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 13. August 1999 wurde dieser Antrag abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass aus dem Wortlaut des § 1a TWG eindeutig hervorgehe, eine der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme eines Mitbenutzungsrechts sei ein Wegerecht oder Leitungsrecht des Mitbenutzungspflichtigen. Im vorliegenden Fall könne diese Voraussetzung schon deshalb nicht vorliegen, weil auf Grund von § 1 Abs. 1 TWG lediglich die Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden, nicht jedoch die Führung von Kabelleitungen im Inneren von Gebäuden vom Leitungsrecht umfasst sei. Eine extensive Interpretation von das Eigentum im öffentlichen Interesse einschränkenden Regelungen sei unzulässig. So habe auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 9. April 1959, Slg. Nr. 4934A/1959, ausgeführt, dass der Begriff "Einführung" nur die "Herstellung des Anschlusses des betreffenden Gebäudes an das Fernsprechnetz" bedeuten könne. Der Ansicht der Beschwerdeführerin, § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG stelle den Auftrag zur Bereitstellung von Infrastruktur bis zum Endnutzer dar, könne daher nicht gefolgt werden. Die an Liegenschaften allenfalls zustehenden Leitungsrechte seien in § 1 Abs. 1 TWG taxativ aufgezählt und ein "Recht zum Führen von Leitungen innerhalb von Gebäuden" sei in dieser Aufzählung nicht enthalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligte Partei, eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 Telekommunikationswegegesetz, BGBl. Nr. 435/1929 i.d.F. BGBl. I Nr. 100/1997 (TWG), umfassen die Leitungsrechte unbeschadet der nach sonstigen gesetzlichen Vorschriften zu erfüllenden Verpflichtungen das Recht

"1. zur Errichtung, zur Erweiterung und zur Erhaltung von Telekommunikationslinien im Luftraum oder unter der Erde,

2. zur Anbringung und Erhaltung von Leitungsstützpunkten, Vermittlungseinrichtungen und sonstigen Leitungsobjekten und anderem Zubehör,

3. zur Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden und sonstigen Baulichkeiten, ..."

Gemäß § 1 Abs. 3 TWG stehen Inhabern einer Konzession zur Erbringung eines öffentlichen Telekommunikationsdienstes und anderen Anbietern öffentlicher Telekommunikationsdienste Leitungsrechte an in fremdem Privateigentum stehenden Liegenschaften zu, sofern

"1. deren widmungsgemäße Verwendung durch die Nutzung nicht oder nur unwesentlich dauernd eingeschränkt wird,

2. sich darauf keine durch ein Recht gesicherte unter § 1 Abs. 1 Z 1, 2 oder 3 angeführte Anlage befindet,

3. überwiegende öffentliche Rücksichten nicht im Wege stehen."

§ 1a leg. cit. lautet:

"Wer ein Wegerecht nach anderen Bundesgesetzen oder ein Leitungsrecht nach § 1 Abs. 3 oder 4 oder § 12 in Anspruch genommen hat, muss die Mitbenutzung der auf Grund dieser Rechte errichteten Anlage oder von Teilen derselben gestatten, soweit die Inanspruchnahme von öffentlichem Gut nicht möglich oder untunlich und die Mitbenutzung wirtschaftlich zumutbar und technisch vertretbar ist."

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, wonach unter "Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden und sonstigen Baulichkeiten" im Sinne von § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG nicht die Führung von Telekommunikationslinien im Inneren von Gebäuden zu verstehen sei. Grundsätzlich stünden Leitungsrechte an in fremdem Privateigentum stehenden Liegenschaften nach § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG Telekommunikationsanbietern zu. Auch die Verkabelung eines Hauses bzw. die Verlegung eigener Kabel in bereits bestehende Kabeltrassen sei Gegenstand der Mitbenutzung § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG. Im angefochtenen Bescheid werde ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes angeführt, wonach der Begriff "Einführung" nur die Herstellung des Anschlusses des betreffenden Gebäudes an das Fernsprechnetz bedeute. Im vorliegenden Fall begehre die Beschwerdeführerin die Herstellung eines solchen Anschlusses an ihr eigenes Fernsprechnetz.

Maßgeblich ist im vorliegenden Fall die Frage, ob das Leitungsrecht gemäß § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG auch die Führung von Kabelleitungen im Inneren des Gebäudes (zur Herstellung eines Anschlusses für einen in dem Gebäude etablierten Fernsprechteilnehmer) umfasst. Die belangte Behörde hat diese Frage verneint. § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG betreffe lediglich die Einführung von Kabelleitungen in ein Gebäude. Sie stützte sich dabei auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1959, Slg. Nr. 4934A/1959.

In dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall ging es um die Frage, ob die Verlegung eines Fernsprechkabels durch ein Gebäude zu einem Nachbargebäude vom Leitungsrecht gemäß § 1 Abs. 2 lit. c TWG (1949), dessen Wortlaut mit dem nunmehr geltenden § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG ident ist, erfasst ist. Der Verwaltungsgerichtshof setzte sich dabei mit der Bedeutung des in § 1 Abs. 2 lit. c TWG (1949) verankerten Tatbestandes "zur Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden und sonstigen Baulichkeiten" auseinander und sprach aus, dass der Begriff "Einführung" in § 1 Abs. 2 lit. c TelegraphenwegeG (jetzt § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG) in diesem Zusammenhang nur die Herstellung des Anschlusses des betreffenden Gebäudes an das Fernsprechnetz bedeuten könne. Die gesonderte Anführung des Rechtes "zur Einführung von Kabelleitungen in Gebäuden" könne nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes weiters nur den Sinn haben, dass der Anschluss von Telekommunikationsteilnehmern auch bei allfälliger Weigerung des Hauseigentümers, die hiezu erforderlichen Einrichtungen zu dulden, gewährleistet werde. Eine erweiternde Auslegung dahin, auch die Verlegung der Leitungen von Haus zu Haus innerhalb der Gebäude (das war für den dem angeführten Erkenntnis zu Grunde liegenden Fall von Bedeutung) darunter zu verstehen, wurde vom Verwaltungsgerichtshof verneint. Das Leitungsrecht des § 1 Abs. 1 Z. 3 TWG erfasst somit - ausgehend vom dargelegten Sinn der Bestimmung - auch die Führung einer Kabelleitung im Inneren eines Gebäudes zur Herstellung des Anschlusses von Telekommunikationsteilnehmern in diesem Gebäude. Der vorliegende Antrag der Beschwerdeführerin richtet sich - anders als der dem erwähnten Vorerkenntnis zu Grunde liegende Fall - auf die Mitbenutzung eines solchen Leitungsrechtes, nämlich die Herstellung des Anschlusses für Fernsprechteilnehmer im Gebäude des M. An einem solchen Leitungsrecht besteht gemäß § 1a TWG bei Vorliegen der weiteren, dort genannten, bisher ungeprüften Voraussetzungen ein Mitbenutzungsrecht.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Es erübrigt sich daher auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.

Zu der Gegenschrift der Mitbeteiligten ist darüber hinaus Folgendes auszuführen:

Es kann der Mitbeteiligten nicht gefolgt werden, wenn sie meint, die Beschwerdeführerin sei durch eine von ihr behauptete Zur-Verfügung-Stellung von Mietleitungen im M durch die Mitbeteiligte bzw. durch die am 24. Jänner 2000 zwischen ihr und der Beschwerdeführerin abgeschlossene Terminierungsvereinbarung, die die wechselseitige Terminierung von Gesprächen im Netz des jeweils anderen Vertragspartners regelt, klaglos gestellt. Das von der Beschwerdeführerin geltend gemachte Mitbenutzungsrecht gemäß § 1a  i.V.m. § 1 Abs. 1 TWG ist nicht davon abhängig, dass der Antragsteller nicht schon auf andere Weise Telekommunikationsdienstleistungen für die im Rahmen der Mitbenutzung in Frage kommenden Fernsprechteilnehmer erbringen kann.

Soweit die Mitbeteiligte ein Mitbenutzungsrecht der Beschwerdeführerin verneint, weil andere, von der belangten Behörde bisher nicht behandelte Voraussetzungen des § 1a TWG nicht vorlägen, genügt es darauf zu verweisen, dass diese Voraussetzungen eben noch gar nicht Gegenstand der Entscheidung der belangte Behörde waren.

Wenn die Mitbeteiligte weiters meint, eine Auslegung des TWG dahin, dass die Inanspruchnahme von Wege- und Mitbenützungsrechten auch im Innern von Gebäuden möglich sei, überschritte die nach der Verfassung zulässigen Grenzen eines berechtigten Eigentumseingriffes, ist ihr entgegenzuhalten, dass das TWG die Mitbenutzung an Leitungsrechten an in fremden Privateigentum stehenden Liegenschaften nur unter den weiteren in § 1 Abs. 3 und § 1a TWG angeführten Voraussetzungen zulässt. Es ist auch nicht zutreffend, dass die Mitbenutzung an Anlagen in einem Gebäude gemäß § 1a TWG nicht im öffentlichen Interesse gelegen sei. Auch die im TWG geregelten Leitungs- und Mitbenutzungsrechte (auch soweit sie sich auf Anlagen im Inneren eines Gebäudes beziehen) dienen dem in § 1 Abs. 2 Z. 2 TKG verankerten Ziel der Sicherstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbes auf den Märkten der Telekommunikation. Abgesehen davon sieht das TWG u.a. in § 6a für Eigentümer von gemäß § 1 Abs. 3 TWG belasteten Liegenschaften eine Entschädigung und in § 17 TWG eine Schadenshaftung für alle vermögensrechtlichen Nachteile, die durch die Inanspruchnahme von Nutzungsrechten dem Belasteten entstehen, vor.

Da auf die gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen der Beschwerdeführerin nicht einzugehen war, erübrigte es sich auch, die dagegen gerichteten gemeinschaftsrechtlichen Ausführungen der Mitbeteiligten zu behandeln. Dass aber die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht verstoßen würde und daher durch dieses im Sinne des Anwendungsvorranges verdrängt würde, wird von der Mitbeteiligten nicht behauptet.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. September 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2000030079.X00

Im RIS seit

07.11.2002

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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