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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des F in M, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 21. August 2001, Zl. uvs-2000/7/093-1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges, bestehend aus einem nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelzugfahrzeug und einem nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelanhänger, am 19. September 2000 von Deutschland kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete der Zollwacheabteilung B am 19. September 2000 um
21.40 Uhr auf der A 13 an der Hauptmautstelle S bei km 1 im Gemeindegebiet von S festgestellt worden sei. Durch das elektronische Abbuchungssystem Ecotag sei keine Abbuchung von Ökopunkten erfolgt, weil der im LKW angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG, BGBl. Nr. 593/1995 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998, in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 lit. a sowie Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission vom 30. Juli 1996 und der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission vom 21. März 2000 begangen, weshalb über ihn gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 in Verbindung mit § 23 Abs. 2 zweiter Satz Güterbeförderungsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 17/1998 eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,--, im Uneinbringlichkeitsfalle eine Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen, verhängt wurde.
Nach Wiedergabe des Berufungsvorbringen des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der im Spruch näher umschriebene Sachverhalt als erwiesen feststehe. Insbesondere stehe fest, dass der Beschwerdeführer aus Deutschland kommend eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Italien durchgeführt habe und eine Abbuchung von Ökopunkten durch den im Fahrzeug angebrachten Umweltdatenträger deshalb nicht erfolgt sei, weil der Umweltdatenträger zum Zeitpunkt der Einreise nach Österreich und des Passierens der in Kiefersfelden befindlichen Abbuchungsstelle auf ökopunktebefreite Fahrt eingestellt gewesen sei. Diese Tatsache sei der Anzeige der Zollwacheabteilung B samt dem dieser Anzeige angeschlossenen Kontrollzertifikat zu entnehmen. Anhaltspunkte dafür, dass das am Fahrzeug des Berufungswerbers angebrachte Ecotag-Gerät eine Fehlfunktion aufgewiesen hätte, lägen nicht vor. Anlässlich seiner Anhaltung habe der Berufungswerber gegenüber den kontrollierenden Beamten angegeben, dass er über eine CEMT-Bewilligung verfüge und deshalb richtigerweise in Kiefersfelden eine ökopunktebefreite Fahrt deklariert habe; er habe nicht wissen können, dass diese CEMT-Bewilligung für Österreich nicht gültig sei.
Die vom Beschwerdeführer vorgelegte CEMT-Genehmigung weise auf der ersten Seite drei Rundstempel im Durchmesser von jeweils 2 cm mit der Aufschrift CEMT auf, in einem dieser Rundstempel befinde sich ein durchkreuzter Buchstabe "A". Dies bedeute, dass die CEMT-Genehmigung für Österreich nicht gültig gewesen sei. Für die gegenständliche Transitfahrt habe daher die Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten bestanden. Für die Verwirklichung der angelasteten Übertretung sei vorsätzliches Verhalten nicht erforderlich, sondern würde bereits Fahrlässigkeit ausreichen. Der Beschwerdeführer hätte glaubhaft machen müssen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe, was ihm aber nicht gelungen sei. Bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte der Beschwerdeführer die strafbare Handlung als solche zu erkennen vermocht, müsse doch von einem eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführenden Lenker verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Im gegenständlichen Fall hätte sich der Beschwerdeführer in geeigneter Weise davon überzeugen müssen, inwieweit die von ihm mitgeführte CEMT-Genehmigung, welche unter anderem das beschriebene "durchgestrichene A" aufgewiesen habe, tatsächlich in Österreich gültig sei. Dass er in irgendeiner Form Erkundigungen angestellt hätte, sei vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 (GütBefG) in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist. Gemäß § 23 Abs. 2 GütBefG in der Fassung der angeführten Novelle hat die Geldstrafe u.a. bei einer Verwaltungsübertretung gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 mindestens S 20.000,-
- zu betragen.
Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs
"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ..."
Gemäß Art. 1 Abs. 1a der EG-VO Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der EG-VO Nr. 609/2000 der Kommission sind Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen von der Ökopunkteregelung ausgenommen.
Gemäß Art. 2 Abs. 1 erster Satz der genannten Verordnung wird, soweit das Fahrzeug keinen Umweltdatenträger benutzt, die erforderliche Anzahl von Ökopunkten auf die Ökokarte aufgeklebt und entwertet .
Gegen den angefochtenen Bescheid bringt der Beschwerdeführer vor, der Vorwurf, dass er sich nicht in geeigneter Weise davon überzeugt habe, inwieweit die von ihm mitgeführte CEMT-Genehmigung, welche unter anderem ein durchgestrichenes "A" aufgewiesen habe, tatsächlich in Österreich Gültigkeit habe, sei nicht gerechtfertigt. Die Genehmigung sei ihm bei Fahrtantritt vom Frächter ausgehändigt worden. Ihm sei zugesichert worden, dass diese Genehmigung auch in Österreich Gültigkeit habe. Aus diesem Grund habe für den Beschwerdeführer keine Veranlassung bestanden, weitere Kontrollen diesbezüglich durchzuführen. Er habe daher dem Sorgfaltsmaßstab entsprochen, der von einem Kraftfahrer, der eine Transitfahrt mit einem Lastkraftwagen durchführt, verlangt werden könne. Die Anbringung eines Behördenstempels über dem Buchstaben "A" sei auch von einem sorgfältigen LKW-Lenker, der mit den einschlägigen Bestimmungen vertraut sei, nicht einwandfrei dahingehend auszulegen, dass damit die Ungültigkeit für Österreich ausgedrückt werden solle.
Mit diesem Vorbringen vermag er es jedoch nicht, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es Sache des Lenkers eines Lastkraftwagens, sich - etwa bei gesetzlich dazu berufenen Einrichtungen - über die Erfordernisse hinsichtlich der Durchführung einer durch österreichisches Hoheitsgebiet führenden Fahrt zu informieren, wobei es nicht genügt, sich bloß auf Auskünfte seitens des Arbeitgebers zu verlassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. November 1998, Zl. 98/03/0202, vom 7. Juni 2000, Zl. 2000/03/0014, vom 6. September 2001, Zl. 2000/03/0374, u.v.a.). Dem Beschwerdeführer wäre es daher oblegen, sich etwa durch eine Anfrage bei den zuständigen Behörden oder auf andere geeignete Weise umfassend darüber zu informieren, welche Voraussetzungen für die Durchführung einer Transitfahrt durch Österreich von ihm erfüllt werden müssen. Hiezu hätte es auch gehört, sich darüber zu vergewissern, ob die für die Transitfahrt erforderlichen Unterlagen gültig und vollständig sind.
Die ihm übergebene Urkunde weist - wie von der Behörde beschrieben - unter anderem ein ins Auge fallendes, in einem Kreis befindliches durchgestrichenes "A" - daneben auch je ein durchgestrichenes "I" und "GR" - auf, zudem werden die internationalen Unterscheidungskennzeichen der einzelnen Länder im vorgedruckten Text der Urkunde erläutert. Dem Beschwerdeführer hätte daher auffallen müssen, dass es sich um einen Hinweis für eine Fahrt durch Österreich (bzw. Italien und Griechenland) handelte. Wenn sich der Beschwerdeführer über die Bedeutung der sich auf der Urkunde befindenden Stampiglien nicht im Klaren war, wäre er verpflichtet gewesen, sich bei den dazu berufenen Einrichtungen über deren Bedeutung zu erkundigen. Dass er diesen Urkundeninhalt jedoch hinterfragt hätte, macht er nicht geltend. Es liegt daher kein unverschuldeter Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG vor. Der Beschwerdeführer vermag es somit auch nicht, einen der Behörde unterlaufenen relevanten Verfahrensmangel darzutun. Der Schuldspruch erfolgte daher zu Recht.
Im Übrigen liegt jedoch eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/2001 u. a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf Z. 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/03/0089). Es ist somit eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen.
Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Wien, am 3. September 2002
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001030411.X00Im RIS seit
21.11.2002Zuletzt aktualisiert am
21.12.2009